Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Doktor Duttmnller und sein Freund

tausends, aber schon bald nach Luther fangen die streng Rechtgläubigen an,
uns mit ihrem Fanatismus und ihrer Glaubenssicherheit unheimlich zu werden.
Und nun gar hier in Österreich, in einem Lande, wo jeder gegen die römisch-
katholische Religion gerichtete, halbwegs plumpe und ungeschlachte Angriff
empfunden wird wie ein Fußtritt! Wer die Herren nicht bei einer solchen Ge¬
legenheit gesehen und beobachtet hat, macht sich von der überwältigenden Macht
und Fülle einer solchen, keinen "Götzendienst" schonenden Suada keinen Be¬
griff. Und wenn fie das Evangelium der Liebe und der Versöhnung uns ihre
Weise verkündet haben, reisen sie ab und überlassen es dem zurückbleibenden
gläubigen Häuflein, fo gut es kann das aufzuessen, was sie ihm bei den um¬
wohnenden Andersgläubigen, die doch fühlen, daß sie der Staatskirche ange¬
hören, mit ihrem Feuereifer eingebrockt haben.

Lurtoul, Nsssisrirs, ^xg-s et" Avis, hatte der alte Tallevrand gesagt, der
doch wissen mußte, woran er war, wenn es sich nicht um Kanzelberedsamkeit,
sondern um Politik handelte. Wenn der heilige Geist einen Katholiken bei
der Hand nimmt und ihn ins protestantische Lager führt: wohl: "er soll will¬
kommen, soll aufgenommen in unserm trauten Bunde sein." Aber im Namen
von allein, was Vorsicht, Mäßigung und Weisheit heißt, möchten wir Reichs¬
deutschen doch, solange Nur noch nicht die nötige Zahl Schiffe und die um
die Ecke schießenden Kanonen haben, still und bescheiden sein, und uns nicht
unter dem Vorwand, daß wirs gut meinen, unbesehens zu jeder Zeit los lassen
wie Brummkreisel, die alles umwerfen, überall andoldern und schließlich doch
-- das läßt sich einmal beim besten Willen nicht leugnen -- mehr Lärm und
Unbehagen verursachen, als sie wirklich Arbeit leisten!

Und so wären wir ans einem kleinen Umwege schließlich bei unserm .Herrn
s Se. chönerer, der ein Erzbrnmmkreisel ist, wieder angelangt.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte ans der Gegenwart von
Fünfzehntes Acipitel Der Patriotenbnnd

le Dorfstraße herab kamen zwei fremde Männer, ein langer dürrer
in schwarzem Anzüge mit schwarzer Binde, weißem Haar und ent¬
schieden unreiner Gesichtsfarbe, und ein kleiner dicker Manu in den
besten Jahren, der sich sehr stramm und gerade hielt, mit Augen wie
Kohlen und gesträubtem Schnauzbärte. Diese beiden kehrten bei
Happich ein und tranken dort jeder einen Schnaps. Der Lange redete
würdevoll über die Naturgesetze in der Witterung, und der kleine Dicke sagte gar
nichts. Nachdem sie nach des Direktors Wohnung gefragt hatten, gingen sie weiter
und ließen Hnppich und seine Gäste vor der schwierigen Aufgabe zurück, zu er-


Doktor Duttmnller und sein Freund

tausends, aber schon bald nach Luther fangen die streng Rechtgläubigen an,
uns mit ihrem Fanatismus und ihrer Glaubenssicherheit unheimlich zu werden.
Und nun gar hier in Österreich, in einem Lande, wo jeder gegen die römisch-
katholische Religion gerichtete, halbwegs plumpe und ungeschlachte Angriff
empfunden wird wie ein Fußtritt! Wer die Herren nicht bei einer solchen Ge¬
legenheit gesehen und beobachtet hat, macht sich von der überwältigenden Macht
und Fülle einer solchen, keinen „Götzendienst" schonenden Suada keinen Be¬
griff. Und wenn fie das Evangelium der Liebe und der Versöhnung uns ihre
Weise verkündet haben, reisen sie ab und überlassen es dem zurückbleibenden
gläubigen Häuflein, fo gut es kann das aufzuessen, was sie ihm bei den um¬
wohnenden Andersgläubigen, die doch fühlen, daß sie der Staatskirche ange¬
hören, mit ihrem Feuereifer eingebrockt haben.

Lurtoul, Nsssisrirs, ^xg-s et« Avis, hatte der alte Tallevrand gesagt, der
doch wissen mußte, woran er war, wenn es sich nicht um Kanzelberedsamkeit,
sondern um Politik handelte. Wenn der heilige Geist einen Katholiken bei
der Hand nimmt und ihn ins protestantische Lager führt: wohl: „er soll will¬
kommen, soll aufgenommen in unserm trauten Bunde sein." Aber im Namen
von allein, was Vorsicht, Mäßigung und Weisheit heißt, möchten wir Reichs¬
deutschen doch, solange Nur noch nicht die nötige Zahl Schiffe und die um
die Ecke schießenden Kanonen haben, still und bescheiden sein, und uns nicht
unter dem Vorwand, daß wirs gut meinen, unbesehens zu jeder Zeit los lassen
wie Brummkreisel, die alles umwerfen, überall andoldern und schließlich doch
— das läßt sich einmal beim besten Willen nicht leugnen — mehr Lärm und
Unbehagen verursachen, als sie wirklich Arbeit leisten!

Und so wären wir ans einem kleinen Umwege schließlich bei unserm .Herrn
s Se. chönerer, der ein Erzbrnmmkreisel ist, wieder angelangt.




Doktor Duttmüller und sein Freund
Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte ans der Gegenwart von
Fünfzehntes Acipitel Der Patriotenbnnd

le Dorfstraße herab kamen zwei fremde Männer, ein langer dürrer
in schwarzem Anzüge mit schwarzer Binde, weißem Haar und ent¬
schieden unreiner Gesichtsfarbe, und ein kleiner dicker Manu in den
besten Jahren, der sich sehr stramm und gerade hielt, mit Augen wie
Kohlen und gesträubtem Schnauzbärte. Diese beiden kehrten bei
Happich ein und tranken dort jeder einen Schnaps. Der Lange redete
würdevoll über die Naturgesetze in der Witterung, und der kleine Dicke sagte gar
nichts. Nachdem sie nach des Direktors Wohnung gefragt hatten, gingen sie weiter
und ließen Hnppich und seine Gäste vor der schwierigen Aufgabe zurück, zu er-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237441"/>
          <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmnller und sein Freund</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_781" prev="#ID_780"> tausends, aber schon bald nach Luther fangen die streng Rechtgläubigen an,<lb/>
uns mit ihrem Fanatismus und ihrer Glaubenssicherheit unheimlich zu werden.<lb/>
Und nun gar hier in Österreich, in einem Lande, wo jeder gegen die römisch-<lb/>
katholische Religion gerichtete, halbwegs plumpe und ungeschlachte Angriff<lb/>
empfunden wird wie ein Fußtritt! Wer die Herren nicht bei einer solchen Ge¬<lb/>
legenheit gesehen und beobachtet hat, macht sich von der überwältigenden Macht<lb/>
und Fülle einer solchen, keinen &#x201E;Götzendienst" schonenden Suada keinen Be¬<lb/>
griff. Und wenn fie das Evangelium der Liebe und der Versöhnung uns ihre<lb/>
Weise verkündet haben, reisen sie ab und überlassen es dem zurückbleibenden<lb/>
gläubigen Häuflein, fo gut es kann das aufzuessen, was sie ihm bei den um¬<lb/>
wohnenden Andersgläubigen, die doch fühlen, daß sie der Staatskirche ange¬<lb/>
hören, mit ihrem Feuereifer eingebrockt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_782"> Lurtoul, Nsssisrirs, ^xg-s et« Avis, hatte der alte Tallevrand gesagt, der<lb/>
doch wissen mußte, woran er war, wenn es sich nicht um Kanzelberedsamkeit,<lb/>
sondern um Politik handelte. Wenn der heilige Geist einen Katholiken bei<lb/>
der Hand nimmt und ihn ins protestantische Lager führt: wohl: &#x201E;er soll will¬<lb/>
kommen, soll aufgenommen in unserm trauten Bunde sein." Aber im Namen<lb/>
von allein, was Vorsicht, Mäßigung und Weisheit heißt, möchten wir Reichs¬<lb/>
deutschen doch, solange Nur noch nicht die nötige Zahl Schiffe und die um<lb/>
die Ecke schießenden Kanonen haben, still und bescheiden sein, und uns nicht<lb/>
unter dem Vorwand, daß wirs gut meinen, unbesehens zu jeder Zeit los lassen<lb/>
wie Brummkreisel, die alles umwerfen, überall andoldern und schließlich doch<lb/>
&#x2014; das läßt sich einmal beim besten Willen nicht leugnen &#x2014; mehr Lärm und<lb/>
Unbehagen verursachen, als sie wirklich Arbeit leisten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_783"> Und so wären wir ans einem kleinen Umwege schließlich bei unserm .Herrn<lb/>
s<note type="byline"> Se.</note> chönerer, der ein Erzbrnmmkreisel ist, wieder angelangt. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Doktor Duttmüller und sein Freund<lb/><note type="byline"> Fritz Anders (Max Allihn)</note> Line Geschichte ans der Gegenwart von<lb/>
Fünfzehntes Acipitel Der Patriotenbnnd </head><lb/>
          <p xml:id="ID_784" next="#ID_785"> le Dorfstraße herab kamen zwei fremde Männer, ein langer dürrer<lb/>
in schwarzem Anzüge mit schwarzer Binde, weißem Haar und ent¬<lb/>
schieden unreiner Gesichtsfarbe, und ein kleiner dicker Manu in den<lb/>
besten Jahren, der sich sehr stramm und gerade hielt, mit Augen wie<lb/>
Kohlen und gesträubtem Schnauzbärte. Diese beiden kehrten bei<lb/>
Happich ein und tranken dort jeder einen Schnaps. Der Lange redete<lb/>
würdevoll über die Naturgesetze in der Witterung, und der kleine Dicke sagte gar<lb/>
nichts. Nachdem sie nach des Direktors Wohnung gefragt hatten, gingen sie weiter<lb/>
und ließen Hnppich und seine Gäste vor der schwierigen Aufgabe zurück, zu er-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0155] Doktor Duttmnller und sein Freund tausends, aber schon bald nach Luther fangen die streng Rechtgläubigen an, uns mit ihrem Fanatismus und ihrer Glaubenssicherheit unheimlich zu werden. Und nun gar hier in Österreich, in einem Lande, wo jeder gegen die römisch- katholische Religion gerichtete, halbwegs plumpe und ungeschlachte Angriff empfunden wird wie ein Fußtritt! Wer die Herren nicht bei einer solchen Ge¬ legenheit gesehen und beobachtet hat, macht sich von der überwältigenden Macht und Fülle einer solchen, keinen „Götzendienst" schonenden Suada keinen Be¬ griff. Und wenn fie das Evangelium der Liebe und der Versöhnung uns ihre Weise verkündet haben, reisen sie ab und überlassen es dem zurückbleibenden gläubigen Häuflein, fo gut es kann das aufzuessen, was sie ihm bei den um¬ wohnenden Andersgläubigen, die doch fühlen, daß sie der Staatskirche ange¬ hören, mit ihrem Feuereifer eingebrockt haben. Lurtoul, Nsssisrirs, ^xg-s et« Avis, hatte der alte Tallevrand gesagt, der doch wissen mußte, woran er war, wenn es sich nicht um Kanzelberedsamkeit, sondern um Politik handelte. Wenn der heilige Geist einen Katholiken bei der Hand nimmt und ihn ins protestantische Lager führt: wohl: „er soll will¬ kommen, soll aufgenommen in unserm trauten Bunde sein." Aber im Namen von allein, was Vorsicht, Mäßigung und Weisheit heißt, möchten wir Reichs¬ deutschen doch, solange Nur noch nicht die nötige Zahl Schiffe und die um die Ecke schießenden Kanonen haben, still und bescheiden sein, und uns nicht unter dem Vorwand, daß wirs gut meinen, unbesehens zu jeder Zeit los lassen wie Brummkreisel, die alles umwerfen, überall andoldern und schließlich doch — das läßt sich einmal beim besten Willen nicht leugnen — mehr Lärm und Unbehagen verursachen, als sie wirklich Arbeit leisten! Und so wären wir ans einem kleinen Umwege schließlich bei unserm .Herrn s Se. chönerer, der ein Erzbrnmmkreisel ist, wieder angelangt. Doktor Duttmüller und sein Freund Fritz Anders (Max Allihn) Line Geschichte ans der Gegenwart von Fünfzehntes Acipitel Der Patriotenbnnd le Dorfstraße herab kamen zwei fremde Männer, ein langer dürrer in schwarzem Anzüge mit schwarzer Binde, weißem Haar und ent¬ schieden unreiner Gesichtsfarbe, und ein kleiner dicker Manu in den besten Jahren, der sich sehr stramm und gerade hielt, mit Augen wie Kohlen und gesträubtem Schnauzbärte. Diese beiden kehrten bei Happich ein und tranken dort jeder einen Schnaps. Der Lange redete würdevoll über die Naturgesetze in der Witterung, und der kleine Dicke sagte gar nichts. Nachdem sie nach des Direktors Wohnung gefragt hatten, gingen sie weiter und ließen Hnppich und seine Gäste vor der schwierigen Aufgabe zurück, zu er-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/155
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/155>, abgerufen am 29.04.2024.