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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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"Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina

im nächsten Herbst seine Wirkungen äußern könne. Wir Deutschen haben alle
Ursache, nicht mit der bei uns leider so vielfach üblichen Geringschätzung, mit
der wir gern auf das, was südeuropüische Völker leisten, herabsehen und uns
bei ihnen unbeliebt, ja verhaßt machen, diese Bestrebungen zu begleiten, son¬
dern sie mit Sympathie und Hoffnung zu verfolgen. Die Erneuerung des
Dreibundes scheint nach den Besprechungen des Grafen Bülow mit Prinetti
in Venedig und mit Graf Goluchowski in Wien gesichert zu sein, aber ein
wirklich wertvoller Bundesgenosse kann für uns nur ein wirtschaftlich und
" militärisch starkes Italien sein.




Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina

uf Grund von Treubers vortrefflicher Biographie des Herzogs
Wilhelm von Württemberg, des ersten Organisators in den 1878
von Österreich-Ungarn besetzten, staatsrechtlich noch heute tür¬
kischen Gebieten Bosnien und der Herzegowina, ist in den Grenz¬
boten (1901, Heft 22) auf die Fehler hingewiesen worden, die
Osterreich hier im Anfang machte; der Hauptfehler war, daß es sich allzusehr von
fiskalischen Grundsätzen leiten ließ und größere Aufwendungen vermeiden wollte,
die bei der Verwahrlosung und Zurückgcbliebenheit dieser Lande geboten waren,
und daß es ferner einen freien Bauernstand zu schaffen unterließ, in ziemlich
roher Weise die frühere Hörigkeit eines großen Teils der landwirtschaftlichen Be¬
völkerung, der sogenannten Kneten, beseitigte und die Kneten in Pächter ver¬
wandelte, wobei sich deren rechtliche und wirtschaftliche Lage verschlimmerte.
Insbesondre ist sodann an der Hand des im Frühjahr 1901 erschienenen
Buches von Nikaschinowitsch darauf hingewiesen worden, wie die gegen Öster¬
reich feindselige Strömung auf der Balkanhalbinsel und die Bestrebungen, die
slawische Bevölkerung unter russische Führung zu bringen, neue Kraft dadurch
gewonnen haben, daß Österreich seine Kulturmission in den Okkupationsgebieten
nicht besser und rascher durchgeführt hat. Wenn aber Nikaschinowitsch glaubt,
das von der Landesregierung für Bosnien und die Herzegowina herausgegebne
Werk: "Die Landwirtschaft in Bosnien und der Herzegowina" (Mit 21 Karto¬
grammen, 14 Diagrammen und 20 Vildertafeln. Sarajevo, Landesdruckerei, 1899)
mit einer leichten Handbewegung abthun zu dürfen, so schadet er sich und
seinen südslawischen Brüdern damit nur selbst. Sieht man von dem Fehler
zu großer Breite und mehrfacher Wiederholung, sowie davon ab, daß diese
amtliche Veröffentlichung kein Budget über die in der Landwirtschaft gemachten
jährlichen und Gesmntanfwendungen aufstellt, so wird man dieser genauen und
übersichtlichen, dabei hervorragend ausgestatteten Arbeit nur Dank wissen.
Und nachdem darauf hingewiesen worden ist, daß der wichtigste Teil von Öster¬
reichs Kulturmission in Bosnien und der .Herzegowina, die volle Befreiung


Grenzboten II 1902 W
«Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina

im nächsten Herbst seine Wirkungen äußern könne. Wir Deutschen haben alle
Ursache, nicht mit der bei uns leider so vielfach üblichen Geringschätzung, mit
der wir gern auf das, was südeuropüische Völker leisten, herabsehen und uns
bei ihnen unbeliebt, ja verhaßt machen, diese Bestrebungen zu begleiten, son¬
dern sie mit Sympathie und Hoffnung zu verfolgen. Die Erneuerung des
Dreibundes scheint nach den Besprechungen des Grafen Bülow mit Prinetti
in Venedig und mit Graf Goluchowski in Wien gesichert zu sein, aber ein
wirklich wertvoller Bundesgenosse kann für uns nur ein wirtschaftlich und
" militärisch starkes Italien sein.




Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina

uf Grund von Treubers vortrefflicher Biographie des Herzogs
Wilhelm von Württemberg, des ersten Organisators in den 1878
von Österreich-Ungarn besetzten, staatsrechtlich noch heute tür¬
kischen Gebieten Bosnien und der Herzegowina, ist in den Grenz¬
boten (1901, Heft 22) auf die Fehler hingewiesen worden, die
Osterreich hier im Anfang machte; der Hauptfehler war, daß es sich allzusehr von
fiskalischen Grundsätzen leiten ließ und größere Aufwendungen vermeiden wollte,
die bei der Verwahrlosung und Zurückgcbliebenheit dieser Lande geboten waren,
und daß es ferner einen freien Bauernstand zu schaffen unterließ, in ziemlich
roher Weise die frühere Hörigkeit eines großen Teils der landwirtschaftlichen Be¬
völkerung, der sogenannten Kneten, beseitigte und die Kneten in Pächter ver¬
wandelte, wobei sich deren rechtliche und wirtschaftliche Lage verschlimmerte.
Insbesondre ist sodann an der Hand des im Frühjahr 1901 erschienenen
Buches von Nikaschinowitsch darauf hingewiesen worden, wie die gegen Öster¬
reich feindselige Strömung auf der Balkanhalbinsel und die Bestrebungen, die
slawische Bevölkerung unter russische Führung zu bringen, neue Kraft dadurch
gewonnen haben, daß Österreich seine Kulturmission in den Okkupationsgebieten
nicht besser und rascher durchgeführt hat. Wenn aber Nikaschinowitsch glaubt,
das von der Landesregierung für Bosnien und die Herzegowina herausgegebne
Werk: „Die Landwirtschaft in Bosnien und der Herzegowina" (Mit 21 Karto¬
grammen, 14 Diagrammen und 20 Vildertafeln. Sarajevo, Landesdruckerei, 1899)
mit einer leichten Handbewegung abthun zu dürfen, so schadet er sich und
seinen südslawischen Brüdern damit nur selbst. Sieht man von dem Fehler
zu großer Breite und mehrfacher Wiederholung, sowie davon ab, daß diese
amtliche Veröffentlichung kein Budget über die in der Landwirtschaft gemachten
jährlichen und Gesmntanfwendungen aufstellt, so wird man dieser genauen und
übersichtlichen, dabei hervorragend ausgestatteten Arbeit nur Dank wissen.
Und nachdem darauf hingewiesen worden ist, daß der wichtigste Teil von Öster¬
reichs Kulturmission in Bosnien und der .Herzegowina, die volle Befreiung


Grenzboten II 1902 W
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[0305] «Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina im nächsten Herbst seine Wirkungen äußern könne. Wir Deutschen haben alle Ursache, nicht mit der bei uns leider so vielfach üblichen Geringschätzung, mit der wir gern auf das, was südeuropüische Völker leisten, herabsehen und uns bei ihnen unbeliebt, ja verhaßt machen, diese Bestrebungen zu begleiten, son¬ dern sie mit Sympathie und Hoffnung zu verfolgen. Die Erneuerung des Dreibundes scheint nach den Besprechungen des Grafen Bülow mit Prinetti in Venedig und mit Graf Goluchowski in Wien gesichert zu sein, aber ein wirklich wertvoller Bundesgenosse kann für uns nur ein wirtschaftlich und " militärisch starkes Italien sein. Österreichs Arbeit in Bosnien und der Herzegowina uf Grund von Treubers vortrefflicher Biographie des Herzogs Wilhelm von Württemberg, des ersten Organisators in den 1878 von Österreich-Ungarn besetzten, staatsrechtlich noch heute tür¬ kischen Gebieten Bosnien und der Herzegowina, ist in den Grenz¬ boten (1901, Heft 22) auf die Fehler hingewiesen worden, die Osterreich hier im Anfang machte; der Hauptfehler war, daß es sich allzusehr von fiskalischen Grundsätzen leiten ließ und größere Aufwendungen vermeiden wollte, die bei der Verwahrlosung und Zurückgcbliebenheit dieser Lande geboten waren, und daß es ferner einen freien Bauernstand zu schaffen unterließ, in ziemlich roher Weise die frühere Hörigkeit eines großen Teils der landwirtschaftlichen Be¬ völkerung, der sogenannten Kneten, beseitigte und die Kneten in Pächter ver¬ wandelte, wobei sich deren rechtliche und wirtschaftliche Lage verschlimmerte. Insbesondre ist sodann an der Hand des im Frühjahr 1901 erschienenen Buches von Nikaschinowitsch darauf hingewiesen worden, wie die gegen Öster¬ reich feindselige Strömung auf der Balkanhalbinsel und die Bestrebungen, die slawische Bevölkerung unter russische Führung zu bringen, neue Kraft dadurch gewonnen haben, daß Österreich seine Kulturmission in den Okkupationsgebieten nicht besser und rascher durchgeführt hat. Wenn aber Nikaschinowitsch glaubt, das von der Landesregierung für Bosnien und die Herzegowina herausgegebne Werk: „Die Landwirtschaft in Bosnien und der Herzegowina" (Mit 21 Karto¬ grammen, 14 Diagrammen und 20 Vildertafeln. Sarajevo, Landesdruckerei, 1899) mit einer leichten Handbewegung abthun zu dürfen, so schadet er sich und seinen südslawischen Brüdern damit nur selbst. Sieht man von dem Fehler zu großer Breite und mehrfacher Wiederholung, sowie davon ab, daß diese amtliche Veröffentlichung kein Budget über die in der Landwirtschaft gemachten jährlichen und Gesmntanfwendungen aufstellt, so wird man dieser genauen und übersichtlichen, dabei hervorragend ausgestatteten Arbeit nur Dank wissen. Und nachdem darauf hingewiesen worden ist, daß der wichtigste Teil von Öster¬ reichs Kulturmission in Bosnien und der .Herzegowina, die volle Befreiung Grenzboten II 1902 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/305>, abgerufen am 29.04.2024.