Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Minister Vosse

las hier gebracht wird, soll keine Würdigung des Wirkens und
der Verdienste des heimgegangnen Staatsmanns sein; dazu wird
hoffentlich in nicht ferner Zeit die Veröffentlichung der von ihm
'hinterlassenen Aufzeichnungen die Gelegenheit bieten. Hier soll
nur ein Erinnerungsblatt gegeben werden ans der Geschichte
der Grenzboten selbst, das in einer Reihe von Ausschnitten aus dem Schatz
seiner Briefe an den Verleger zeigen soll, wie er zu den Grenzboten gestanden
hat, was sie an ihm gehabt und an ihm verloren haben. Es ist nur eine
kurze Spanne Zeit, daß Bosse dem Blatt nahe gestanden und an ihm mit¬
gearbeitet hat, kaum länger als anderthalb Jahre; aber es ist eine dem Ver¬
leger unvergeßliche Zeit. Alles, was Bosse gab, seine Beiträge, seine Briefe,
kam vom Herzen und strömte ans einem Herzen, das voll von Güte war,
aus einem Geiste, der abgeklärt durch reiches Wissen und reiche Erfahrung
über den Dingen stand. Er war einer der besten Männer, die je für die
Grenzboten geschrieben haben, und einer der echtesten Freunde, die sie gehabt
haben. Daß er ihnen nach so kurzer Zeit entrissen wurde, ist ein großer Ver¬
lust für sie; er hätte ihnen noch unendlich viel sein und unendlich viel geben
können, und er gab ja so gern, gerade den Grenzboten, weil sie ihm ans
Herz gewachsen waren.

Nach den ersten Berührungen, die ich mit dem Minister Bosse hatte, Hütte
ich freilich nie geglaubt, daß ich jemals in ein näheres und herzliches Ver-"
hältnis zu ihm treten würde. Man kann als Verleger gelegentlich den Wunsch
hegen, daß sich ein hohes Kultusministerium für Dinge interessiere und ihnen
Förderung angedeihen lassen möchte, die man unternimmt und für wertvoll
und nützlich hält. Man sieht ja, wie manche Dinge sich amtlicher Unterstützung
erfreuen und ihr ihren Erfolg verdanken. Ohne Ahnung davon, welche Wege
dazu unter Umständen nötig gewesen sind, wird man sich herzhaft um die
oberste Instanz werden und dort seine Bitte vortragen. Dann wird man die
Erfahrung machen, daß diese oberste Instanz sich nicht veranlaßt sieht, sich
mit der Sache zu befassen, ohne von zuständiger Seite dazu veranlaßt zu sein.
Man wendet sich also an tiefer stehende Instanzen, vielleicht an die zunächst


Grenzboten II 1902 1


Minister Vosse

las hier gebracht wird, soll keine Würdigung des Wirkens und
der Verdienste des heimgegangnen Staatsmanns sein; dazu wird
hoffentlich in nicht ferner Zeit die Veröffentlichung der von ihm
'hinterlassenen Aufzeichnungen die Gelegenheit bieten. Hier soll
nur ein Erinnerungsblatt gegeben werden ans der Geschichte
der Grenzboten selbst, das in einer Reihe von Ausschnitten aus dem Schatz
seiner Briefe an den Verleger zeigen soll, wie er zu den Grenzboten gestanden
hat, was sie an ihm gehabt und an ihm verloren haben. Es ist nur eine
kurze Spanne Zeit, daß Bosse dem Blatt nahe gestanden und an ihm mit¬
gearbeitet hat, kaum länger als anderthalb Jahre; aber es ist eine dem Ver¬
leger unvergeßliche Zeit. Alles, was Bosse gab, seine Beiträge, seine Briefe,
kam vom Herzen und strömte ans einem Herzen, das voll von Güte war,
aus einem Geiste, der abgeklärt durch reiches Wissen und reiche Erfahrung
über den Dingen stand. Er war einer der besten Männer, die je für die
Grenzboten geschrieben haben, und einer der echtesten Freunde, die sie gehabt
haben. Daß er ihnen nach so kurzer Zeit entrissen wurde, ist ein großer Ver¬
lust für sie; er hätte ihnen noch unendlich viel sein und unendlich viel geben
können, und er gab ja so gern, gerade den Grenzboten, weil sie ihm ans
Herz gewachsen waren.

Nach den ersten Berührungen, die ich mit dem Minister Bosse hatte, Hütte
ich freilich nie geglaubt, daß ich jemals in ein näheres und herzliches Ver-"
hältnis zu ihm treten würde. Man kann als Verleger gelegentlich den Wunsch
hegen, daß sich ein hohes Kultusministerium für Dinge interessiere und ihnen
Förderung angedeihen lassen möchte, die man unternimmt und für wertvoll
und nützlich hält. Man sieht ja, wie manche Dinge sich amtlicher Unterstützung
erfreuen und ihr ihren Erfolg verdanken. Ohne Ahnung davon, welche Wege
dazu unter Umständen nötig gewesen sind, wird man sich herzhaft um die
oberste Instanz werden und dort seine Bitte vortragen. Dann wird man die
Erfahrung machen, daß diese oberste Instanz sich nicht veranlaßt sieht, sich
mit der Sache zu befassen, ohne von zuständiger Seite dazu veranlaßt zu sein.
Man wendet sich also an tiefer stehende Instanzen, vielleicht an die zunächst


Grenzboten II 1902 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237295"/>
              <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341875_237285/figures/grenzboten_341875_237285_237295_000.jpg"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Minister Vosse</head><lb/>
          <p xml:id="ID_10"> las hier gebracht wird, soll keine Würdigung des Wirkens und<lb/>
der Verdienste des heimgegangnen Staatsmanns sein; dazu wird<lb/>
hoffentlich in nicht ferner Zeit die Veröffentlichung der von ihm<lb/>
'hinterlassenen Aufzeichnungen die Gelegenheit bieten. Hier soll<lb/>
nur ein Erinnerungsblatt gegeben werden ans der Geschichte<lb/>
der Grenzboten selbst, das in einer Reihe von Ausschnitten aus dem Schatz<lb/>
seiner Briefe an den Verleger zeigen soll, wie er zu den Grenzboten gestanden<lb/>
hat, was sie an ihm gehabt und an ihm verloren haben. Es ist nur eine<lb/>
kurze Spanne Zeit, daß Bosse dem Blatt nahe gestanden und an ihm mit¬<lb/>
gearbeitet hat, kaum länger als anderthalb Jahre; aber es ist eine dem Ver¬<lb/>
leger unvergeßliche Zeit. Alles, was Bosse gab, seine Beiträge, seine Briefe,<lb/>
kam vom Herzen und strömte ans einem Herzen, das voll von Güte war,<lb/>
aus einem Geiste, der abgeklärt durch reiches Wissen und reiche Erfahrung<lb/>
über den Dingen stand. Er war einer der besten Männer, die je für die<lb/>
Grenzboten geschrieben haben, und einer der echtesten Freunde, die sie gehabt<lb/>
haben. Daß er ihnen nach so kurzer Zeit entrissen wurde, ist ein großer Ver¬<lb/>
lust für sie; er hätte ihnen noch unendlich viel sein und unendlich viel geben<lb/>
können, und er gab ja so gern, gerade den Grenzboten, weil sie ihm ans<lb/>
Herz gewachsen waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_11" next="#ID_12"> Nach den ersten Berührungen, die ich mit dem Minister Bosse hatte, Hütte<lb/>
ich freilich nie geglaubt, daß ich jemals in ein näheres und herzliches Ver-"<lb/>
hältnis zu ihm treten würde. Man kann als Verleger gelegentlich den Wunsch<lb/>
hegen, daß sich ein hohes Kultusministerium für Dinge interessiere und ihnen<lb/>
Förderung angedeihen lassen möchte, die man unternimmt und für wertvoll<lb/>
und nützlich hält. Man sieht ja, wie manche Dinge sich amtlicher Unterstützung<lb/>
erfreuen und ihr ihren Erfolg verdanken. Ohne Ahnung davon, welche Wege<lb/>
dazu unter Umständen nötig gewesen sind, wird man sich herzhaft um die<lb/>
oberste Instanz werden und dort seine Bitte vortragen. Dann wird man die<lb/>
Erfahrung machen, daß diese oberste Instanz sich nicht veranlaßt sieht, sich<lb/>
mit der Sache zu befassen, ohne von zuständiger Seite dazu veranlaßt zu sein.<lb/>
Man wendet sich also an tiefer stehende Instanzen, vielleicht an die zunächst</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1902 1</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] [Abbildung] Minister Vosse las hier gebracht wird, soll keine Würdigung des Wirkens und der Verdienste des heimgegangnen Staatsmanns sein; dazu wird hoffentlich in nicht ferner Zeit die Veröffentlichung der von ihm 'hinterlassenen Aufzeichnungen die Gelegenheit bieten. Hier soll nur ein Erinnerungsblatt gegeben werden ans der Geschichte der Grenzboten selbst, das in einer Reihe von Ausschnitten aus dem Schatz seiner Briefe an den Verleger zeigen soll, wie er zu den Grenzboten gestanden hat, was sie an ihm gehabt und an ihm verloren haben. Es ist nur eine kurze Spanne Zeit, daß Bosse dem Blatt nahe gestanden und an ihm mit¬ gearbeitet hat, kaum länger als anderthalb Jahre; aber es ist eine dem Ver¬ leger unvergeßliche Zeit. Alles, was Bosse gab, seine Beiträge, seine Briefe, kam vom Herzen und strömte ans einem Herzen, das voll von Güte war, aus einem Geiste, der abgeklärt durch reiches Wissen und reiche Erfahrung über den Dingen stand. Er war einer der besten Männer, die je für die Grenzboten geschrieben haben, und einer der echtesten Freunde, die sie gehabt haben. Daß er ihnen nach so kurzer Zeit entrissen wurde, ist ein großer Ver¬ lust für sie; er hätte ihnen noch unendlich viel sein und unendlich viel geben können, und er gab ja so gern, gerade den Grenzboten, weil sie ihm ans Herz gewachsen waren. Nach den ersten Berührungen, die ich mit dem Minister Bosse hatte, Hütte ich freilich nie geglaubt, daß ich jemals in ein näheres und herzliches Ver-" hältnis zu ihm treten würde. Man kann als Verleger gelegentlich den Wunsch hegen, daß sich ein hohes Kultusministerium für Dinge interessiere und ihnen Förderung angedeihen lassen möchte, die man unternimmt und für wertvoll und nützlich hält. Man sieht ja, wie manche Dinge sich amtlicher Unterstützung erfreuen und ihr ihren Erfolg verdanken. Ohne Ahnung davon, welche Wege dazu unter Umständen nötig gewesen sind, wird man sich herzhaft um die oberste Instanz werden und dort seine Bitte vortragen. Dann wird man die Erfahrung machen, daß diese oberste Instanz sich nicht veranlaßt sieht, sich mit der Sache zu befassen, ohne von zuständiger Seite dazu veranlaßt zu sein. Man wendet sich also an tiefer stehende Instanzen, vielleicht an die zunächst Grenzboten II 1902 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/9
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/9>, abgerufen am 29.04.2024.