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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Minister Bosse

in Betracht kommenden, sagen wir ein die Gymnasialdirektoren, obgleich man
weiß, daß diese so viel behelligt werden, daß ihr erstes Gefühl der Papier¬
korb ist. Man erhält denn auch nur einige Antworten, die in der Regel
dahin lauten, daß man sich ohne Veranlassung von zuständiger Seite nicht
mit der Sache befassen könne. Aha. denkt man, der Ibis ist in der Mitte
am sichersten! und wendet sich unverdrossen an die Provinzialschulkollcgien.
Von diesen bekommt man dreierlei Antworten. Entweder: Lassen Sie uns
gefälligst iir Ruhe; oder: Ohne Veranlassung von oben, oder: Ohne Veran¬
lassung von unten können wir uns nicht mit der Sache befassen. Nun hat
man die Empfindung, daß man vor einem Rätsel stehe, und man setzt sich
vielleicht hin und schreibt: Exzellenz! Das ist doch die Geschichte von den
drei Ringen usw. Darauf erhält man in angemessener Frist auch eine Ant¬
wort, die aber betrübcnderwcise lautet: Euer . . . erwidere ich, daß ich mich
nicht veranlaßt scheu kaun, von den bewährten, Ihnen wiederholt ausgesprochnen
Verwaltungsgrnndsätzcn abzuweichen.

Man wird sich nun eines Gefühls von Bitterkeit nicht erwehren können,
da mau sich doch bewußt war, um Interesse für eine nützliche Sache gebeten
zu haben, die es vielleicht mehr wert war als manche andre, und man wird
sich mit finstern Plänen in seinem Innern tragen. Aber ganz unerwartet
kommt dann bei irgend einem Anlaß ein Brief, der einen vollständig ent¬
waffnet: Sehr geehrter Herr! Sie wissen, daß ich die Grenzboten nicht nur
lese, sondern aus ihnen zu lernen suche usw.

Man ist natürlich erstaunt, daß man von einer Seite, wo man noch vor
nicht langer Zeit in rein formeller amtsmäßiger Weise abgewiesen worden ist,
plötzlich ein so freundliches, persönliches Wort erhält; aber man ist erfreut und
ist geneigt, sich zu sagen: Ja, ein Minister wird seine Gründe haben, sich
Bitten vou Privatleuten gegenüber auf den rein formellen Bemntenstandpnnkt
zu stellen, wenn es auch in deinem Falle wohl nicht nötig war.

So vollzog sich mein erster Verkehr mit dem Minister Bosse. Nicht
lange darauf gab mir eine Verfügung des Ministers über die Drahtheftung bei
Schulbüchern Veranlassung, mich hinzusetzen und einen Brief zu schreiben,
worin ich darlegte, daß die Verfügung ein Fehler sei und die und die Nach¬
teile zur Folge habe" würde -- es war eine ganz private Äußerung, zu der
mich der liebenswürdige Ton des erwähnten Briefs veranlaßte. Ich konnte
mir aber nicht versagen, bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daß der Einband
-- man könne ja an Stelle der üblichen Schundware die Lieferung guter
Drahtheftung durchsetzen -- schließlich eine äußerliche Sache bei Schulbüchern
sei; nun möchte ich aber wissen, auf welchen bewährten Verwaltungsgrund¬
sätzen die Zulassung mancher Schulbücher beruhe, bei denen der Inhalt noch
schlechter sei als der Einband, und kam zu der Bemerkung, daß es -- was
mir dem Schwindel auf dem Schnlbüchcrmarkt gegenüber auch heute noch als
das Richtige erscheinen möchte -- das beste sein würde, den ganzen Schul¬
bücherverlag zu monopolisieren und zu verstaatlichen.

Natürlich erwartete ich ans diese kleine Bosheit keine Autwort, aber zu
meiner Überraschung erhielt ich nach ein paar Wochen doch eine, und zwar


Minister Bosse

in Betracht kommenden, sagen wir ein die Gymnasialdirektoren, obgleich man
weiß, daß diese so viel behelligt werden, daß ihr erstes Gefühl der Papier¬
korb ist. Man erhält denn auch nur einige Antworten, die in der Regel
dahin lauten, daß man sich ohne Veranlassung von zuständiger Seite nicht
mit der Sache befassen könne. Aha. denkt man, der Ibis ist in der Mitte
am sichersten! und wendet sich unverdrossen an die Provinzialschulkollcgien.
Von diesen bekommt man dreierlei Antworten. Entweder: Lassen Sie uns
gefälligst iir Ruhe; oder: Ohne Veranlassung von oben, oder: Ohne Veran¬
lassung von unten können wir uns nicht mit der Sache befassen. Nun hat
man die Empfindung, daß man vor einem Rätsel stehe, und man setzt sich
vielleicht hin und schreibt: Exzellenz! Das ist doch die Geschichte von den
drei Ringen usw. Darauf erhält man in angemessener Frist auch eine Ant¬
wort, die aber betrübcnderwcise lautet: Euer . . . erwidere ich, daß ich mich
nicht veranlaßt scheu kaun, von den bewährten, Ihnen wiederholt ausgesprochnen
Verwaltungsgrnndsätzcn abzuweichen.

Man wird sich nun eines Gefühls von Bitterkeit nicht erwehren können,
da mau sich doch bewußt war, um Interesse für eine nützliche Sache gebeten
zu haben, die es vielleicht mehr wert war als manche andre, und man wird
sich mit finstern Plänen in seinem Innern tragen. Aber ganz unerwartet
kommt dann bei irgend einem Anlaß ein Brief, der einen vollständig ent¬
waffnet: Sehr geehrter Herr! Sie wissen, daß ich die Grenzboten nicht nur
lese, sondern aus ihnen zu lernen suche usw.

Man ist natürlich erstaunt, daß man von einer Seite, wo man noch vor
nicht langer Zeit in rein formeller amtsmäßiger Weise abgewiesen worden ist,
plötzlich ein so freundliches, persönliches Wort erhält; aber man ist erfreut und
ist geneigt, sich zu sagen: Ja, ein Minister wird seine Gründe haben, sich
Bitten vou Privatleuten gegenüber auf den rein formellen Bemntenstandpnnkt
zu stellen, wenn es auch in deinem Falle wohl nicht nötig war.

So vollzog sich mein erster Verkehr mit dem Minister Bosse. Nicht
lange darauf gab mir eine Verfügung des Ministers über die Drahtheftung bei
Schulbüchern Veranlassung, mich hinzusetzen und einen Brief zu schreiben,
worin ich darlegte, daß die Verfügung ein Fehler sei und die und die Nach¬
teile zur Folge habe» würde — es war eine ganz private Äußerung, zu der
mich der liebenswürdige Ton des erwähnten Briefs veranlaßte. Ich konnte
mir aber nicht versagen, bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daß der Einband
— man könne ja an Stelle der üblichen Schundware die Lieferung guter
Drahtheftung durchsetzen — schließlich eine äußerliche Sache bei Schulbüchern
sei; nun möchte ich aber wissen, auf welchen bewährten Verwaltungsgrund¬
sätzen die Zulassung mancher Schulbücher beruhe, bei denen der Inhalt noch
schlechter sei als der Einband, und kam zu der Bemerkung, daß es — was
mir dem Schwindel auf dem Schnlbüchcrmarkt gegenüber auch heute noch als
das Richtige erscheinen möchte — das beste sein würde, den ganzen Schul¬
bücherverlag zu monopolisieren und zu verstaatlichen.

Natürlich erwartete ich ans diese kleine Bosheit keine Autwort, aber zu
meiner Überraschung erhielt ich nach ein paar Wochen doch eine, und zwar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/10>, abgerufen am 16.05.2024.