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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Aussicht genommen. Die Stube wird Eigentümerin des Grund und Bodens
des Straßennetzes. Der bewilligte Vorschuß soll mit 2^ Prozent verzinst werden
vom zweiten Jahrestage der Unterzeichnung dieses Abkommens an gerechnet. Über
die Art der Bebauung und der sonstigen Ausnutzung dieses in Besitz der Stadt
übergehende" Terrains sind besondre Bestimmungen vereinbart worden.


v. W.
Darwinisches. Heinrich Schmidt

tu Jena, den wir vor zwei Jahren
(siehe den 4. Band des Jahrgangs 1900 der Grenzboten S. 243) als einen Jünger
Haeckels kennen gelernt haben, der sich für seinen Meister aufopfert, hat als fünftes Heft
der bei Dr. W. Breitenbach in Odenkirchen erscheinenden darwinistischen Vorträge
und Abhandlungen gestiftet- Haeckels biogenetisches Grundgesetz und seiue
Gegner. Mit 10 Abbildungen. Wer es noch nicht wußte, erfährt es ans dieser
Polemik, daß das von Haeckel formulierte Gesetz, wonach die Entwicklung des In¬
dividuums (die Ontogenesis) eine abgekürzte Wiederholung der Entwicklung seines
Stammes (der Phylogenesis) sein soll, bis auf deu heutigen Tag unter den ange¬
sehenen Fachmännern Gegner hat. Uns Laien bleibt also nichts andres übrig, als
unser Urteil aufzuschieben, bis sich die Fachmänner, Botaniker, Zoologen und An¬
thropologen geeinigt haben werden. Oder würde es Herr Schmidt wissenschaftlich
finden, wenn wir Nichtfachmäuuer uns die Entscheidung anmaßen und in Zeitungen
und Zeitschriften urdi et ubi verkündigen wollten: Haeckel hat Recht, und seine
Gegner unter den Fachmännern sind im Irrtum? Natürlich haben wir nicht das
geringste dagegen einzuwenden, daß er für seine Lehre alles Beweismnterial bei¬
bringt, das er hat. Aber am Schlüsse dekretiert der Herr: "Dem dualistisch-teleo-
logischen Standpunkt (eines Forschers, der ohne Zwecksetzung nicht auskommen kann)
gegenüber zeigt die Relapitnlationstheorie mit aller Schärfe, daß die Ontogenie von
Wuss-g Et'fiLiolltes, von mechanischen Ursachen beherrscht wird, und das ist in der That
das höchste, was sie als naturwissenschaftliche Theorie leiste" kaun. . . . Das Problem
der generelle" Ontogenie ist durch Haeckels biogenetisches Grundgesetz endgiltig
gelöst: gelöst im Sinne einer monistisch-mechanischen Naturphilosophie." Dieser
doppelten Anmaßung gegenüber, ein Problem für gelöst zu erklären, das immer
verwickelter und unlösbarer wird, je tiefer die Einzelfurschuug hineinleuchtet, und
von dieser vorgeblichen Losung eines biologischen Problems aus die Grundfrage
der Metaphysik entscheiden zu wollen, müßten wir ihm zurufen: Schuster, bleib bei
deinem Leisten! Die Leser werden uns deu Zeitungen erfahre" haben, daß auch
Albert Fleischmann, Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie in Erlangen,
den "Zusammenbruch der Abstammungslehre" verkündigt hat. Fleischmanns Buch,
schreibt Schmidt in der letzten Anmerkung, werde von unwissenden Laien fleißig
zur Beachtung empfohlen. Es gebe eben immer noch recht viel Leute, "die es einem
Lamarck, einem Darwin und Haeckel nicht verzeih" können, daß diese sie aus alleu
"Himmeln" herausgerissen und auf den richtige" Platz i" der Natur gestellt haben.
Sie als"e" nicht, diese Guten, daß die eigne Ontogenesis ihre Widerspenstigkeit gegen
die neue Natnrerlenntnis zu einer lächerlichen Farce macht." Der Herr verdächtigt
also alle Laien, die Haeckel nicht als den Unfehlbarer cinerkeuueu, daß sie ihm nur
aus religiöse" Gründen widersprächen. Mich wenigstens trifft die Verdächtigung
nicht; ich wüßte wahrhaftig nicht, aus welchem religiösen Grunde ich dem biogene¬
tischen Grundgesetz widersprechen sollte. Wäre es erwiesen, so würde ich mich sogar
darüber freuen, weil es ein sehr schönes Gesetz ist, und würde Gott, der diese
schöne Ordnung gestiftet hat, noch mehr bewundern. Aber daß der Gläubige nicht
gern auf den Himmel verzichtet, darüber sollen die Herren in Jena nur jn nicht
spotten. Wenn hungernde Strolche über einen von ihnen herfielen und ihn uicht
allein beraubten, sondern ausfräßen, wozu sie ja als Omnivoren das ontogenetische
und das phylogenctische Recht hätten, so würde den übrigen wohl das Lachen ver¬
geh". Geschieht dergleichen bei uns nicht so oft, als es geschehn könnte, so haben


Maßgebliches und Unmaßgebliches

in Aussicht genommen. Die Stube wird Eigentümerin des Grund und Bodens
des Straßennetzes. Der bewilligte Vorschuß soll mit 2^ Prozent verzinst werden
vom zweiten Jahrestage der Unterzeichnung dieses Abkommens an gerechnet. Über
die Art der Bebauung und der sonstigen Ausnutzung dieses in Besitz der Stadt
übergehende» Terrains sind besondre Bestimmungen vereinbart worden.


v. W.
Darwinisches. Heinrich Schmidt

tu Jena, den wir vor zwei Jahren
(siehe den 4. Band des Jahrgangs 1900 der Grenzboten S. 243) als einen Jünger
Haeckels kennen gelernt haben, der sich für seinen Meister aufopfert, hat als fünftes Heft
der bei Dr. W. Breitenbach in Odenkirchen erscheinenden darwinistischen Vorträge
und Abhandlungen gestiftet- Haeckels biogenetisches Grundgesetz und seiue
Gegner. Mit 10 Abbildungen. Wer es noch nicht wußte, erfährt es ans dieser
Polemik, daß das von Haeckel formulierte Gesetz, wonach die Entwicklung des In¬
dividuums (die Ontogenesis) eine abgekürzte Wiederholung der Entwicklung seines
Stammes (der Phylogenesis) sein soll, bis auf deu heutigen Tag unter den ange¬
sehenen Fachmännern Gegner hat. Uns Laien bleibt also nichts andres übrig, als
unser Urteil aufzuschieben, bis sich die Fachmänner, Botaniker, Zoologen und An¬
thropologen geeinigt haben werden. Oder würde es Herr Schmidt wissenschaftlich
finden, wenn wir Nichtfachmäuuer uns die Entscheidung anmaßen und in Zeitungen
und Zeitschriften urdi et ubi verkündigen wollten: Haeckel hat Recht, und seine
Gegner unter den Fachmännern sind im Irrtum? Natürlich haben wir nicht das
geringste dagegen einzuwenden, daß er für seine Lehre alles Beweismnterial bei¬
bringt, das er hat. Aber am Schlüsse dekretiert der Herr: „Dem dualistisch-teleo-
logischen Standpunkt (eines Forschers, der ohne Zwecksetzung nicht auskommen kann)
gegenüber zeigt die Relapitnlationstheorie mit aller Schärfe, daß die Ontogenie von
Wuss-g Et'fiLiolltes, von mechanischen Ursachen beherrscht wird, und das ist in der That
das höchste, was sie als naturwissenschaftliche Theorie leiste» kaun. . . . Das Problem
der generelle» Ontogenie ist durch Haeckels biogenetisches Grundgesetz endgiltig
gelöst: gelöst im Sinne einer monistisch-mechanischen Naturphilosophie." Dieser
doppelten Anmaßung gegenüber, ein Problem für gelöst zu erklären, das immer
verwickelter und unlösbarer wird, je tiefer die Einzelfurschuug hineinleuchtet, und
von dieser vorgeblichen Losung eines biologischen Problems aus die Grundfrage
der Metaphysik entscheiden zu wollen, müßten wir ihm zurufen: Schuster, bleib bei
deinem Leisten! Die Leser werden uns deu Zeitungen erfahre» haben, daß auch
Albert Fleischmann, Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie in Erlangen,
den „Zusammenbruch der Abstammungslehre" verkündigt hat. Fleischmanns Buch,
schreibt Schmidt in der letzten Anmerkung, werde von unwissenden Laien fleißig
zur Beachtung empfohlen. Es gebe eben immer noch recht viel Leute, „die es einem
Lamarck, einem Darwin und Haeckel nicht verzeih« können, daß diese sie aus alleu
»Himmeln« herausgerissen und auf den richtige» Platz i» der Natur gestellt haben.
Sie als»e» nicht, diese Guten, daß die eigne Ontogenesis ihre Widerspenstigkeit gegen
die neue Natnrerlenntnis zu einer lächerlichen Farce macht." Der Herr verdächtigt
also alle Laien, die Haeckel nicht als den Unfehlbarer cinerkeuueu, daß sie ihm nur
aus religiöse» Gründen widersprächen. Mich wenigstens trifft die Verdächtigung
nicht; ich wüßte wahrhaftig nicht, aus welchem religiösen Grunde ich dem biogene¬
tischen Grundgesetz widersprechen sollte. Wäre es erwiesen, so würde ich mich sogar
darüber freuen, weil es ein sehr schönes Gesetz ist, und würde Gott, der diese
schöne Ordnung gestiftet hat, noch mehr bewundern. Aber daß der Gläubige nicht
gern auf den Himmel verzichtet, darüber sollen die Herren in Jena nur jn nicht
spotten. Wenn hungernde Strolche über einen von ihnen herfielen und ihn uicht
allein beraubten, sondern ausfräßen, wozu sie ja als Omnivoren das ontogenetische
und das phylogenctische Recht hätten, so würde den übrigen wohl das Lachen ver¬
geh». Geschieht dergleichen bei uns nicht so oft, als es geschehn könnte, so haben


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[0568] Maßgebliches und Unmaßgebliches in Aussicht genommen. Die Stube wird Eigentümerin des Grund und Bodens des Straßennetzes. Der bewilligte Vorschuß soll mit 2^ Prozent verzinst werden vom zweiten Jahrestage der Unterzeichnung dieses Abkommens an gerechnet. Über die Art der Bebauung und der sonstigen Ausnutzung dieses in Besitz der Stadt übergehende» Terrains sind besondre Bestimmungen vereinbart worden. v. W. Darwinisches. Heinrich Schmidt tu Jena, den wir vor zwei Jahren (siehe den 4. Band des Jahrgangs 1900 der Grenzboten S. 243) als einen Jünger Haeckels kennen gelernt haben, der sich für seinen Meister aufopfert, hat als fünftes Heft der bei Dr. W. Breitenbach in Odenkirchen erscheinenden darwinistischen Vorträge und Abhandlungen gestiftet- Haeckels biogenetisches Grundgesetz und seiue Gegner. Mit 10 Abbildungen. Wer es noch nicht wußte, erfährt es ans dieser Polemik, daß das von Haeckel formulierte Gesetz, wonach die Entwicklung des In¬ dividuums (die Ontogenesis) eine abgekürzte Wiederholung der Entwicklung seines Stammes (der Phylogenesis) sein soll, bis auf deu heutigen Tag unter den ange¬ sehenen Fachmännern Gegner hat. Uns Laien bleibt also nichts andres übrig, als unser Urteil aufzuschieben, bis sich die Fachmänner, Botaniker, Zoologen und An¬ thropologen geeinigt haben werden. Oder würde es Herr Schmidt wissenschaftlich finden, wenn wir Nichtfachmäuuer uns die Entscheidung anmaßen und in Zeitungen und Zeitschriften urdi et ubi verkündigen wollten: Haeckel hat Recht, und seine Gegner unter den Fachmännern sind im Irrtum? Natürlich haben wir nicht das geringste dagegen einzuwenden, daß er für seine Lehre alles Beweismnterial bei¬ bringt, das er hat. Aber am Schlüsse dekretiert der Herr: „Dem dualistisch-teleo- logischen Standpunkt (eines Forschers, der ohne Zwecksetzung nicht auskommen kann) gegenüber zeigt die Relapitnlationstheorie mit aller Schärfe, daß die Ontogenie von Wuss-g Et'fiLiolltes, von mechanischen Ursachen beherrscht wird, und das ist in der That das höchste, was sie als naturwissenschaftliche Theorie leiste» kaun. . . . Das Problem der generelle» Ontogenie ist durch Haeckels biogenetisches Grundgesetz endgiltig gelöst: gelöst im Sinne einer monistisch-mechanischen Naturphilosophie." Dieser doppelten Anmaßung gegenüber, ein Problem für gelöst zu erklären, das immer verwickelter und unlösbarer wird, je tiefer die Einzelfurschuug hineinleuchtet, und von dieser vorgeblichen Losung eines biologischen Problems aus die Grundfrage der Metaphysik entscheiden zu wollen, müßten wir ihm zurufen: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Die Leser werden uns deu Zeitungen erfahre» haben, daß auch Albert Fleischmann, Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie in Erlangen, den „Zusammenbruch der Abstammungslehre" verkündigt hat. Fleischmanns Buch, schreibt Schmidt in der letzten Anmerkung, werde von unwissenden Laien fleißig zur Beachtung empfohlen. Es gebe eben immer noch recht viel Leute, „die es einem Lamarck, einem Darwin und Haeckel nicht verzeih« können, daß diese sie aus alleu »Himmeln« herausgerissen und auf den richtige» Platz i» der Natur gestellt haben. Sie als»e» nicht, diese Guten, daß die eigne Ontogenesis ihre Widerspenstigkeit gegen die neue Natnrerlenntnis zu einer lächerlichen Farce macht." Der Herr verdächtigt also alle Laien, die Haeckel nicht als den Unfehlbarer cinerkeuueu, daß sie ihm nur aus religiöse» Gründen widersprächen. Mich wenigstens trifft die Verdächtigung nicht; ich wüßte wahrhaftig nicht, aus welchem religiösen Grunde ich dem biogene¬ tischen Grundgesetz widersprechen sollte. Wäre es erwiesen, so würde ich mich sogar darüber freuen, weil es ein sehr schönes Gesetz ist, und würde Gott, der diese schöne Ordnung gestiftet hat, noch mehr bewundern. Aber daß der Gläubige nicht gern auf den Himmel verzichtet, darüber sollen die Herren in Jena nur jn nicht spotten. Wenn hungernde Strolche über einen von ihnen herfielen und ihn uicht allein beraubten, sondern ausfräßen, wozu sie ja als Omnivoren das ontogenetische und das phylogenctische Recht hätten, so würde den übrigen wohl das Lachen ver¬ geh». Geschieht dergleichen bei uns nicht so oft, als es geschehn könnte, so haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/568>, abgerufen am 01.05.2024.