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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wir das einerseits der Staatsordnung zu verdanken, die die Teleologie anerkennt,
und in der auch der Professor der Zoologie Zwecke erfüllt, um deren willen die
in hungernden zweibeinigen Wölfen treibenden oansas oklieientes eingeschränkt werden,
andrerseits der Religion, die diese animalischen Triebkräfte innerlich bändigt und dem
Menschen seinen Platz nicht in der Reihe der Bestien anweist. -- Das sollte be¬
sonders der Züricher Professor or. Arnold Döbel bedenken, der den Darwinismus
den Arbeitern predigt und es als einen unerträglichen Skandal beklagt, daß nicht
längst in allen Schulen die biblische Schöpfungsgeschichte von der darwinischen ver¬
drängt worden ist. Im Jahre 1889 hat er eine Reihe von Vorträgen unter dem
Titel: Moses oder Darwin? veröffentlicht, die in sieben Sprachen übersetzt worden
ist, und jetzt giebt er bei I. H. W. Dich Nachfolger in Stuttgart heraus: Ent¬
weder -- Oder! Eine Abrechnung in Sachen der Frage: Moses oder Darwin?
Wir würden die Schrift mit der Bemerkung abfertigen, daß die Frage: Moses oder
Darwin? ungefähr so viel Sinn hat wie die Fragen: Moses oder Mozart, Darwin
°der Raffacl, Bismarck oder Euklid, wenn uns nicht die Persönlichkeit interessierte,
die aus der Broschüre spricht. Ein liebenswürdiger, von Menschenliebe beseelter
Mensch und erfolgreicher Pädagog, aber zugleich fanatischer und unduldsamer Pfaffe
des Atheismus. Das psychologische Rätsel ist nicht schwer zu lösen. Er gehört
SU den Naturwissenschaften:, die, weil sie es nicht anders gelernt haben, vvraus-
s^er, daß Naturwissenschaft und Bibel in unversöhnlichem Widerspruch zu einander
stünden, und die, weil es ihnen an Deukschärfe und an philosophischer Schulung
^sie, die Falschheit dieser Voraussetzung nicht zu durchschauen vermögen. Zugleich
wird er von dem Anblick der Gebrechen überwältigt, an denen die Kirchen ja
wirklich kranken, und der Sünde", die sie ja wirklich begehn, und die Erwägung
dieser Übel entflammt in ihm Haß gegen die christliche Religion, die er unter jener
.Voraussetzung und bei dieser einseitigen Betrachtungsweise für die ärgste Feindin
des Menschengeschlechts halten muß. Manche Abschnitte seiner Schrift verdienen
Pachtung, so der über die rnsseuverschlechterude Wirkung des Pricsterzvlibats, die
übrigens auch schon von andern hervorgehoben worden ist. Wenn in einem katho-
uschen Dorfe, schreibt Döbel, ein Bauer ein Häuflein. Buben hat, und darunter
einen recht geweckte", so nimmt diesen der Pfarrer und läßt ihn Geistlicher werden,
die Dummen aber pflanzen das Geschlecht fort, und durch diese verkehrte Auslese
wird mit der Zeit das ganze Volk dumm. Der Pastor hingegen heiratet das
Ichönste, klügste und bravste Mädchen im Dorfe und begründet ein Geschlecht gesunder,
tüchtiger und gescheiter Menschen. -- Der or. MI. E. Dennert schreibt einen
Bericht Vom Sterbelager des Darwinismus (Stuttgart, Max Kielmann, 1903)
und mustert die mehr oder weniger ablehnende Stellung der heutigen Forscher dem
Darwinismus gegenüber. Der Verfasser beweist, daß der Darwinismus unwissen-
ichnftlich verfährt, und daß die heutige Abkühlung der Begeisterung, die er eine
>3eit lang erregt hatte, keineswegs von religiöse:: oder sonstigen Stimmungen, sondern
von der genauern Untersuchung des Thatsnchenmaterials herrührt. Aus dem oben
erwähnten Buche Fleischmauus führt er den Ausspruch an: "Auf Grund langjähriger
und sorgfältiger Prüfung bin ich zu der Ansicht gelangt, daß die Abstammungslehre
Alast begründet ist. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, die Diskussion der
örage gehöre gar nicht in den Bereich der exakten Zoologie und Botanik." Daß
Mtammuugslehreu nicht exakte Wissenschaft sind, was sie niemals werden können,
wildern Naturphilosophie, habe ich immer gesagt. Die meisten Kritiker des Dar¬
winismus verwerfen bekanntlich nicht die Deszendenztheorie, sondern nur die Fassung,
ihr Darwin und Haeckel gegeben haben. Dennert selbst schreibt ganz in unserm
^u"e: "Ich glaube, daß wir auch fernerhin wie seit vierzig Jahre" berechtigt sind,
u der Richtung der Deszendenz zu forschen, und glaube nicht, daß diese Forschung
w ganz hoffnungslos ist, wie Fleischmann es darstellt. Allein, und darin stimme
^) wieder vollkommen mit ihm überein, es handelt sich hier zunächst (und gewiß
Mr lange Zeit) nur um eine Hypothese, die in die Arbeitstube des Gelehrten, nicht


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wir das einerseits der Staatsordnung zu verdanken, die die Teleologie anerkennt,
und in der auch der Professor der Zoologie Zwecke erfüllt, um deren willen die
in hungernden zweibeinigen Wölfen treibenden oansas oklieientes eingeschränkt werden,
andrerseits der Religion, die diese animalischen Triebkräfte innerlich bändigt und dem
Menschen seinen Platz nicht in der Reihe der Bestien anweist. — Das sollte be¬
sonders der Züricher Professor or. Arnold Döbel bedenken, der den Darwinismus
den Arbeitern predigt und es als einen unerträglichen Skandal beklagt, daß nicht
längst in allen Schulen die biblische Schöpfungsgeschichte von der darwinischen ver¬
drängt worden ist. Im Jahre 1889 hat er eine Reihe von Vorträgen unter dem
Titel: Moses oder Darwin? veröffentlicht, die in sieben Sprachen übersetzt worden
ist, und jetzt giebt er bei I. H. W. Dich Nachfolger in Stuttgart heraus: Ent¬
weder — Oder! Eine Abrechnung in Sachen der Frage: Moses oder Darwin?
Wir würden die Schrift mit der Bemerkung abfertigen, daß die Frage: Moses oder
Darwin? ungefähr so viel Sinn hat wie die Fragen: Moses oder Mozart, Darwin
°der Raffacl, Bismarck oder Euklid, wenn uns nicht die Persönlichkeit interessierte,
die aus der Broschüre spricht. Ein liebenswürdiger, von Menschenliebe beseelter
Mensch und erfolgreicher Pädagog, aber zugleich fanatischer und unduldsamer Pfaffe
des Atheismus. Das psychologische Rätsel ist nicht schwer zu lösen. Er gehört
SU den Naturwissenschaften:, die, weil sie es nicht anders gelernt haben, vvraus-
s^er, daß Naturwissenschaft und Bibel in unversöhnlichem Widerspruch zu einander
stünden, und die, weil es ihnen an Deukschärfe und an philosophischer Schulung
^sie, die Falschheit dieser Voraussetzung nicht zu durchschauen vermögen. Zugleich
wird er von dem Anblick der Gebrechen überwältigt, an denen die Kirchen ja
wirklich kranken, und der Sünde», die sie ja wirklich begehn, und die Erwägung
dieser Übel entflammt in ihm Haß gegen die christliche Religion, die er unter jener
.Voraussetzung und bei dieser einseitigen Betrachtungsweise für die ärgste Feindin
des Menschengeschlechts halten muß. Manche Abschnitte seiner Schrift verdienen
Pachtung, so der über die rnsseuverschlechterude Wirkung des Pricsterzvlibats, die
übrigens auch schon von andern hervorgehoben worden ist. Wenn in einem katho-
uschen Dorfe, schreibt Döbel, ein Bauer ein Häuflein. Buben hat, und darunter
einen recht geweckte», so nimmt diesen der Pfarrer und läßt ihn Geistlicher werden,
die Dummen aber pflanzen das Geschlecht fort, und durch diese verkehrte Auslese
wird mit der Zeit das ganze Volk dumm. Der Pastor hingegen heiratet das
Ichönste, klügste und bravste Mädchen im Dorfe und begründet ein Geschlecht gesunder,
tüchtiger und gescheiter Menschen. — Der or. MI. E. Dennert schreibt einen
Bericht Vom Sterbelager des Darwinismus (Stuttgart, Max Kielmann, 1903)
und mustert die mehr oder weniger ablehnende Stellung der heutigen Forscher dem
Darwinismus gegenüber. Der Verfasser beweist, daß der Darwinismus unwissen-
ichnftlich verfährt, und daß die heutige Abkühlung der Begeisterung, die er eine
>3eit lang erregt hatte, keineswegs von religiöse:: oder sonstigen Stimmungen, sondern
von der genauern Untersuchung des Thatsnchenmaterials herrührt. Aus dem oben
erwähnten Buche Fleischmauus führt er den Ausspruch an: „Auf Grund langjähriger
und sorgfältiger Prüfung bin ich zu der Ansicht gelangt, daß die Abstammungslehre
Alast begründet ist. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, die Diskussion der
örage gehöre gar nicht in den Bereich der exakten Zoologie und Botanik." Daß
Mtammuugslehreu nicht exakte Wissenschaft sind, was sie niemals werden können,
wildern Naturphilosophie, habe ich immer gesagt. Die meisten Kritiker des Dar¬
winismus verwerfen bekanntlich nicht die Deszendenztheorie, sondern nur die Fassung,
ihr Darwin und Haeckel gegeben haben. Dennert selbst schreibt ganz in unserm
^u»e: „Ich glaube, daß wir auch fernerhin wie seit vierzig Jahre» berechtigt sind,
u der Richtung der Deszendenz zu forschen, und glaube nicht, daß diese Forschung
w ganz hoffnungslos ist, wie Fleischmann es darstellt. Allein, und darin stimme
^) wieder vollkommen mit ihm überein, es handelt sich hier zunächst (und gewiß
Mr lange Zeit) nur um eine Hypothese, die in die Arbeitstube des Gelehrten, nicht


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[0569] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wir das einerseits der Staatsordnung zu verdanken, die die Teleologie anerkennt, und in der auch der Professor der Zoologie Zwecke erfüllt, um deren willen die in hungernden zweibeinigen Wölfen treibenden oansas oklieientes eingeschränkt werden, andrerseits der Religion, die diese animalischen Triebkräfte innerlich bändigt und dem Menschen seinen Platz nicht in der Reihe der Bestien anweist. — Das sollte be¬ sonders der Züricher Professor or. Arnold Döbel bedenken, der den Darwinismus den Arbeitern predigt und es als einen unerträglichen Skandal beklagt, daß nicht längst in allen Schulen die biblische Schöpfungsgeschichte von der darwinischen ver¬ drängt worden ist. Im Jahre 1889 hat er eine Reihe von Vorträgen unter dem Titel: Moses oder Darwin? veröffentlicht, die in sieben Sprachen übersetzt worden ist, und jetzt giebt er bei I. H. W. Dich Nachfolger in Stuttgart heraus: Ent¬ weder — Oder! Eine Abrechnung in Sachen der Frage: Moses oder Darwin? Wir würden die Schrift mit der Bemerkung abfertigen, daß die Frage: Moses oder Darwin? ungefähr so viel Sinn hat wie die Fragen: Moses oder Mozart, Darwin °der Raffacl, Bismarck oder Euklid, wenn uns nicht die Persönlichkeit interessierte, die aus der Broschüre spricht. Ein liebenswürdiger, von Menschenliebe beseelter Mensch und erfolgreicher Pädagog, aber zugleich fanatischer und unduldsamer Pfaffe des Atheismus. Das psychologische Rätsel ist nicht schwer zu lösen. Er gehört SU den Naturwissenschaften:, die, weil sie es nicht anders gelernt haben, vvraus- s^er, daß Naturwissenschaft und Bibel in unversöhnlichem Widerspruch zu einander stünden, und die, weil es ihnen an Deukschärfe und an philosophischer Schulung ^sie, die Falschheit dieser Voraussetzung nicht zu durchschauen vermögen. Zugleich wird er von dem Anblick der Gebrechen überwältigt, an denen die Kirchen ja wirklich kranken, und der Sünde», die sie ja wirklich begehn, und die Erwägung dieser Übel entflammt in ihm Haß gegen die christliche Religion, die er unter jener .Voraussetzung und bei dieser einseitigen Betrachtungsweise für die ärgste Feindin des Menschengeschlechts halten muß. Manche Abschnitte seiner Schrift verdienen Pachtung, so der über die rnsseuverschlechterude Wirkung des Pricsterzvlibats, die übrigens auch schon von andern hervorgehoben worden ist. Wenn in einem katho- uschen Dorfe, schreibt Döbel, ein Bauer ein Häuflein. Buben hat, und darunter einen recht geweckte», so nimmt diesen der Pfarrer und läßt ihn Geistlicher werden, die Dummen aber pflanzen das Geschlecht fort, und durch diese verkehrte Auslese wird mit der Zeit das ganze Volk dumm. Der Pastor hingegen heiratet das Ichönste, klügste und bravste Mädchen im Dorfe und begründet ein Geschlecht gesunder, tüchtiger und gescheiter Menschen. — Der or. MI. E. Dennert schreibt einen Bericht Vom Sterbelager des Darwinismus (Stuttgart, Max Kielmann, 1903) und mustert die mehr oder weniger ablehnende Stellung der heutigen Forscher dem Darwinismus gegenüber. Der Verfasser beweist, daß der Darwinismus unwissen- ichnftlich verfährt, und daß die heutige Abkühlung der Begeisterung, die er eine >3eit lang erregt hatte, keineswegs von religiöse:: oder sonstigen Stimmungen, sondern von der genauern Untersuchung des Thatsnchenmaterials herrührt. Aus dem oben erwähnten Buche Fleischmauus führt er den Ausspruch an: „Auf Grund langjähriger und sorgfältiger Prüfung bin ich zu der Ansicht gelangt, daß die Abstammungslehre Alast begründet ist. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, die Diskussion der örage gehöre gar nicht in den Bereich der exakten Zoologie und Botanik." Daß Mtammuugslehreu nicht exakte Wissenschaft sind, was sie niemals werden können, wildern Naturphilosophie, habe ich immer gesagt. Die meisten Kritiker des Dar¬ winismus verwerfen bekanntlich nicht die Deszendenztheorie, sondern nur die Fassung, ihr Darwin und Haeckel gegeben haben. Dennert selbst schreibt ganz in unserm ^u»e: „Ich glaube, daß wir auch fernerhin wie seit vierzig Jahre» berechtigt sind, u der Richtung der Deszendenz zu forschen, und glaube nicht, daß diese Forschung w ganz hoffnungslos ist, wie Fleischmann es darstellt. Allein, und darin stimme ^) wieder vollkommen mit ihm überein, es handelt sich hier zunächst (und gewiß Mr lange Zeit) nur um eine Hypothese, die in die Arbeitstube des Gelehrten, nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/569>, abgerufen am 22.05.2024.