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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz
^. Senftenberg und Altdöbern (Aarl Heinrich von Heineren)

Der bequemste Weg aus dem sächsischen Elbtale in die Niederlausitz ist die
von Großenhain nach Frankfurt a. O. führende Bahn. Wir benutzten sie an einem
sonnigen Julitage zunächst bis Senfteuberg und waren in der rosigen Stimmung,
die der Anfang der großen Ferien über alle die auszugießen Pflegt, die irgendwie
mit Lehren und Lernen zu tuu haben. Unwillkürlich richtet man den Rücken
steiler empor, und die Falten der Stirn glätten sich in der Erwartung einer unend¬
lichen Fülle kommender Freuden; denn die Zeit von vier Wochen erscheint einem
am ersten Ferientage als ein unverwüstliches Kapital, das Zins und Ertrag bringen
muß, auch wenn man nicht ängstlich damit wuchert, sondern ius Blaue hiueinlebt
wie ein sorgloser Verschwender. In solcher Stimmung ist man für den kleinsten
Reiz der Natur und für jede geschichtliche Erinnerung, ja sogar für das Menschlich-
Alltägliche überaus empfänglich. Und so wunderten wir uus, als wir vom Senften-
berger Bahnhof der Stadt zuschritten, nach Gebühr über die rege Bautätigkeit, die
hier in den letzten Jahren geherrscht haben mußte, und wie einige ansehnliche
Neubauten am Markte zeigten, noch herrschte. Das kommt von der immer fort-
schreitenden Erschließung der reichen Braunkohlenlager in Senftenbergs Umgebung,
die besonders seit dem letzten großen Streik der Braunkohlenarbeiter in Böhmen
(1900) eine steigende Wichtigkeit erlangt haben. Die Stadt ist jetzt der Mittel¬
punkt einer bedeutenden Brikett- und Glasfabrikation und infolgedessen auch der
Sitz eines lebhaften Handelsverkehrs, für den es als Knotenpunkt mehrerer Bahnen
sehr günstig liegt. Aber anch als Markt landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist Senften-
berg von Wichtigkeit. Ich fand den ganzen Marktplatz bedeckt mit großen Span¬
körben, in denen sich Hunderte von allerliebsten Ferkeln mit Quieken und Grunzen
bemerklich machten, namentlich wenn sie ein Käufer um Hinterbeine herauszog.
Hinter dem Markte liegt der stillere Kirchplatz mit den geistlichen Häusern, der
schonen gotischen deutschen Kirche und der unbedeutenden wendischen. Es ist
nämlich noch vor wenig Jahren in Senftenberg auch wendisch gepredigt worden,
und auf den Dörfern der Umgegend wird noch jetzt viel wendisch gesprochen, aber
meist im Familienkreise, wenn kein Fremder dabei ist. Noch im Jahre 1824 schrieb
das Schnmannsche Lexikon vom Amte Senftenberg: "Die Amtsnntertcmen sind meist
Wenden . . . man hat zwar deutsche Prediger und deutsche Schule", aber der
Bauer spricht lieber die Sprache seiner Väter, und vor Gericht muß er stets einen
Dolmetscher haben. Der hiesige wendische Dialekt ist verdorben und von dem in
deu beide" Lausitzeu sehr verschieden."

Der interessanteste Punkt des Städtchens ist das im Süden liegende alte
Schloß. Es ist mitten in die Sümpfe der Schwarzen Elster Hineingebnut und hat
trotz seines unscheinbaren Äußern eine große Geschichte hinter sich. Bestimmt, den
wichtigen Elsterübergang der von Ortrand und Kamenz nach Norden zu führenden
Straßen zu decken, war es ursprünglich der Sitz eines deutschen Geschlechts, das
sich von Senftenberg nannte; aber schon 1320 erscheint auch hier das weitverzweigte
Geschlecht der Köckeritz. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ist Senften¬
berg im Besitze der Wettiner und wird durch deren Amtshauptleute verwaltet.
Die von Kreyßig und Francke hernnsgegebnen ^uns-ich Louttonborgeuso-z (Beiträge
zur Historie der sächsischen Lande V, S. 32 bis 109) zählen bis zum Jahre 1761
57 solcher Amtshauptleute auf, unter ihnen auch den bekannten Baumeister des
Dresdner Schlosses Hans von Dehn - Nothfelser (1544 bis 1561) und den be¬
rüchtigten Alchimisteu Hektor Baron von Klettenberg, der wegen seiner Betrügereien
"am 1 Martii 1720'nach Kriegs-Recht und Urtheil decollirct" wurde. Das
jetzige Schloß ist von Dehn-Rothfelser unter dem Kurfürsten Moritz erbaut worden.
Im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert galt es als Landesfcstuug und
erhielt zu seinen Wassergräben und Zugbrücken auch noch feste Türme und
Kasematten. Nebenher diente es als Staatsgefttngnis. Seine düstern Kerker


Wanderungen in der Niederlausitz
^. Senftenberg und Altdöbern (Aarl Heinrich von Heineren)

Der bequemste Weg aus dem sächsischen Elbtale in die Niederlausitz ist die
von Großenhain nach Frankfurt a. O. führende Bahn. Wir benutzten sie an einem
sonnigen Julitage zunächst bis Senfteuberg und waren in der rosigen Stimmung,
die der Anfang der großen Ferien über alle die auszugießen Pflegt, die irgendwie
mit Lehren und Lernen zu tuu haben. Unwillkürlich richtet man den Rücken
steiler empor, und die Falten der Stirn glätten sich in der Erwartung einer unend¬
lichen Fülle kommender Freuden; denn die Zeit von vier Wochen erscheint einem
am ersten Ferientage als ein unverwüstliches Kapital, das Zins und Ertrag bringen
muß, auch wenn man nicht ängstlich damit wuchert, sondern ius Blaue hiueinlebt
wie ein sorgloser Verschwender. In solcher Stimmung ist man für den kleinsten
Reiz der Natur und für jede geschichtliche Erinnerung, ja sogar für das Menschlich-
Alltägliche überaus empfänglich. Und so wunderten wir uus, als wir vom Senften-
berger Bahnhof der Stadt zuschritten, nach Gebühr über die rege Bautätigkeit, die
hier in den letzten Jahren geherrscht haben mußte, und wie einige ansehnliche
Neubauten am Markte zeigten, noch herrschte. Das kommt von der immer fort-
schreitenden Erschließung der reichen Braunkohlenlager in Senftenbergs Umgebung,
die besonders seit dem letzten großen Streik der Braunkohlenarbeiter in Böhmen
(1900) eine steigende Wichtigkeit erlangt haben. Die Stadt ist jetzt der Mittel¬
punkt einer bedeutenden Brikett- und Glasfabrikation und infolgedessen auch der
Sitz eines lebhaften Handelsverkehrs, für den es als Knotenpunkt mehrerer Bahnen
sehr günstig liegt. Aber anch als Markt landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist Senften-
berg von Wichtigkeit. Ich fand den ganzen Marktplatz bedeckt mit großen Span¬
körben, in denen sich Hunderte von allerliebsten Ferkeln mit Quieken und Grunzen
bemerklich machten, namentlich wenn sie ein Käufer um Hinterbeine herauszog.
Hinter dem Markte liegt der stillere Kirchplatz mit den geistlichen Häusern, der
schonen gotischen deutschen Kirche und der unbedeutenden wendischen. Es ist
nämlich noch vor wenig Jahren in Senftenberg auch wendisch gepredigt worden,
und auf den Dörfern der Umgegend wird noch jetzt viel wendisch gesprochen, aber
meist im Familienkreise, wenn kein Fremder dabei ist. Noch im Jahre 1824 schrieb
das Schnmannsche Lexikon vom Amte Senftenberg: „Die Amtsnntertcmen sind meist
Wenden . . . man hat zwar deutsche Prediger und deutsche Schule», aber der
Bauer spricht lieber die Sprache seiner Väter, und vor Gericht muß er stets einen
Dolmetscher haben. Der hiesige wendische Dialekt ist verdorben und von dem in
deu beide» Lausitzeu sehr verschieden."

Der interessanteste Punkt des Städtchens ist das im Süden liegende alte
Schloß. Es ist mitten in die Sümpfe der Schwarzen Elster Hineingebnut und hat
trotz seines unscheinbaren Äußern eine große Geschichte hinter sich. Bestimmt, den
wichtigen Elsterübergang der von Ortrand und Kamenz nach Norden zu führenden
Straßen zu decken, war es ursprünglich der Sitz eines deutschen Geschlechts, das
sich von Senftenberg nannte; aber schon 1320 erscheint auch hier das weitverzweigte
Geschlecht der Köckeritz. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ist Senften¬
berg im Besitze der Wettiner und wird durch deren Amtshauptleute verwaltet.
Die von Kreyßig und Francke hernnsgegebnen ^uns-ich Louttonborgeuso-z (Beiträge
zur Historie der sächsischen Lande V, S. 32 bis 109) zählen bis zum Jahre 1761
57 solcher Amtshauptleute auf, unter ihnen auch den bekannten Baumeister des
Dresdner Schlosses Hans von Dehn - Nothfelser (1544 bis 1561) und den be¬
rüchtigten Alchimisteu Hektor Baron von Klettenberg, der wegen seiner Betrügereien
„am 1 Martii 1720'nach Kriegs-Recht und Urtheil decollirct" wurde. Das
jetzige Schloß ist von Dehn-Rothfelser unter dem Kurfürsten Moritz erbaut worden.
Im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert galt es als Landesfcstuug und
erhielt zu seinen Wassergräben und Zugbrücken auch noch feste Türme und
Kasematten. Nebenher diente es als Staatsgefttngnis. Seine düstern Kerker


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[0448] Wanderungen in der Niederlausitz ^. Senftenberg und Altdöbern (Aarl Heinrich von Heineren) Der bequemste Weg aus dem sächsischen Elbtale in die Niederlausitz ist die von Großenhain nach Frankfurt a. O. führende Bahn. Wir benutzten sie an einem sonnigen Julitage zunächst bis Senfteuberg und waren in der rosigen Stimmung, die der Anfang der großen Ferien über alle die auszugießen Pflegt, die irgendwie mit Lehren und Lernen zu tuu haben. Unwillkürlich richtet man den Rücken steiler empor, und die Falten der Stirn glätten sich in der Erwartung einer unend¬ lichen Fülle kommender Freuden; denn die Zeit von vier Wochen erscheint einem am ersten Ferientage als ein unverwüstliches Kapital, das Zins und Ertrag bringen muß, auch wenn man nicht ängstlich damit wuchert, sondern ius Blaue hiueinlebt wie ein sorgloser Verschwender. In solcher Stimmung ist man für den kleinsten Reiz der Natur und für jede geschichtliche Erinnerung, ja sogar für das Menschlich- Alltägliche überaus empfänglich. Und so wunderten wir uus, als wir vom Senften- berger Bahnhof der Stadt zuschritten, nach Gebühr über die rege Bautätigkeit, die hier in den letzten Jahren geherrscht haben mußte, und wie einige ansehnliche Neubauten am Markte zeigten, noch herrschte. Das kommt von der immer fort- schreitenden Erschließung der reichen Braunkohlenlager in Senftenbergs Umgebung, die besonders seit dem letzten großen Streik der Braunkohlenarbeiter in Böhmen (1900) eine steigende Wichtigkeit erlangt haben. Die Stadt ist jetzt der Mittel¬ punkt einer bedeutenden Brikett- und Glasfabrikation und infolgedessen auch der Sitz eines lebhaften Handelsverkehrs, für den es als Knotenpunkt mehrerer Bahnen sehr günstig liegt. Aber anch als Markt landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist Senften- berg von Wichtigkeit. Ich fand den ganzen Marktplatz bedeckt mit großen Span¬ körben, in denen sich Hunderte von allerliebsten Ferkeln mit Quieken und Grunzen bemerklich machten, namentlich wenn sie ein Käufer um Hinterbeine herauszog. Hinter dem Markte liegt der stillere Kirchplatz mit den geistlichen Häusern, der schonen gotischen deutschen Kirche und der unbedeutenden wendischen. Es ist nämlich noch vor wenig Jahren in Senftenberg auch wendisch gepredigt worden, und auf den Dörfern der Umgegend wird noch jetzt viel wendisch gesprochen, aber meist im Familienkreise, wenn kein Fremder dabei ist. Noch im Jahre 1824 schrieb das Schnmannsche Lexikon vom Amte Senftenberg: „Die Amtsnntertcmen sind meist Wenden . . . man hat zwar deutsche Prediger und deutsche Schule», aber der Bauer spricht lieber die Sprache seiner Väter, und vor Gericht muß er stets einen Dolmetscher haben. Der hiesige wendische Dialekt ist verdorben und von dem in deu beide» Lausitzeu sehr verschieden." Der interessanteste Punkt des Städtchens ist das im Süden liegende alte Schloß. Es ist mitten in die Sümpfe der Schwarzen Elster Hineingebnut und hat trotz seines unscheinbaren Äußern eine große Geschichte hinter sich. Bestimmt, den wichtigen Elsterübergang der von Ortrand und Kamenz nach Norden zu führenden Straßen zu decken, war es ursprünglich der Sitz eines deutschen Geschlechts, das sich von Senftenberg nannte; aber schon 1320 erscheint auch hier das weitverzweigte Geschlecht der Köckeritz. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ist Senften¬ berg im Besitze der Wettiner und wird durch deren Amtshauptleute verwaltet. Die von Kreyßig und Francke hernnsgegebnen ^uns-ich Louttonborgeuso-z (Beiträge zur Historie der sächsischen Lande V, S. 32 bis 109) zählen bis zum Jahre 1761 57 solcher Amtshauptleute auf, unter ihnen auch den bekannten Baumeister des Dresdner Schlosses Hans von Dehn - Nothfelser (1544 bis 1561) und den be¬ rüchtigten Alchimisteu Hektor Baron von Klettenberg, der wegen seiner Betrügereien „am 1 Martii 1720'nach Kriegs-Recht und Urtheil decollirct" wurde. Das jetzige Schloß ist von Dehn-Rothfelser unter dem Kurfürsten Moritz erbaut worden. Im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert galt es als Landesfcstuug und erhielt zu seinen Wassergräben und Zugbrücken auch noch feste Türme und Kasematten. Nebenher diente es als Staatsgefttngnis. Seine düstern Kerker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/448>, abgerufen am 05.05.2024.