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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Volk vor den Kunstwerken zunächst stumm und dumm, bis die Kunsterzieher
kommen und ihnen sagen: Das sollst du sehen, und so mußt du fühlen -- wie
es mit ein bißchen andern Worten die Kunsthistoriker den Gebildeten doch
ebenfalls zu sagen sich bemühen --, und wenn sie auch vielleicht nicht so ge¬
lehrt sind wie diese, eine Abart von Gelehrten sind sie darum doch, und ihren
Analphabeten werden sie sogar noch viel gelehrter vorkommen, als den andern
die Kunsthistoriker.

Unversehens haben uns die bunten Bilder auf ein neues Thema gebracht.
Wir müssens diesesmal unterbrechen. Uns liegt noch ein Band mit schwarz¬
weißen Autotypien aus dem Verlage vou Franz Hanfstaengl in München vor:
"Die Meisterwerke des Rijksmuseums zu Amsterdam." Es ist der vierte eine
Sammlung von "Malerklassikerausgaben," wovon früher schon die Münchner
alte Pinakothek, die Dresdner Galerie und die National Gallery zu London
erschienen sind. Die vorzügliche Ausführung versteht sich bei dem Weltruhm
dieses Hauses von selbst, die äußere Ausstattung der Bünde mit ihren doppel¬
seitig bedruckten Blättern ist anspruchslos. So nur war der erstaunlich niedrige
Preis von zwölf Mark für 208 Bilder zu erreichen. Hätten wir Lust am Tadeln,
so könnten wir eine kleine Zahl von unbedeutenden Bildern namhaft machen, die
Wir gern durch wichtigere ersetzt sähen. Aber das ist Nebensache. Wir freuen
uns, daß eine viel zu wenig bekannte Galerie um auf so bequeme Weise zu¬
gänglich gemacht worden ist, und sehen der Fortsetzung mit Erwartung ent¬
gegen. Denen aber, die für solche Klischeebücher nur ein gnädiges Achsel¬
zucken übrig haben, möchten wir noch zu bedenken geben, daß die kostbarere
Photvgravüre allerdings an und für sich eine vornehmere Erscheinung, keines¬
wegs aber die für Ölgemälde besonders geeignete Reproduktionsart ist, wie
man wohl dem kaufkräftigen Publikum in den Prospekten solcher Werke vorzu¬
reden pflegt. Denn die sammetartige Wirkung der Ätztechnik bringt vielfach
fremde und falsche Tonwerke in die Bilder; Rembrandt oder Correggio kann
mau so wiedergeben, Raffael und Holbein nicht. Den Vorzug einer größern
Treue haben die Photographien und der Kohledruck, und wo der niedrige
Preis mitsprechen soll, die billige Antotypie.




Gine Kaufmannsfirma

cum heute im deutschen Binnenlande von Kaufleuten die Rede ist,
so denkt man zunächst an die Herren, die "zum Schutze des Mittel¬
standes" Maßregeln gegen Konsumvereine, Warenhäuser und un-
lautern Wettbewerb fordern. Es sind das gewiß ehrenwerte und
unentbehrliche Mitglieder der Gesellschaft, aber imposant findet sie
niemand, und daß der Wirkungskreis eines jeden von ihnen weit über das Stadt¬
oder Straßenviertel Hinansreiche, das sie mit Waren versorgen, werden sie selbst
nicht behaupten wollen. In der Zeit der alten Gewerbeordnung würden sie gar


Grenzboten I 1904 14
Line Raufmcmnsfirma

Volk vor den Kunstwerken zunächst stumm und dumm, bis die Kunsterzieher
kommen und ihnen sagen: Das sollst du sehen, und so mußt du fühlen — wie
es mit ein bißchen andern Worten die Kunsthistoriker den Gebildeten doch
ebenfalls zu sagen sich bemühen —, und wenn sie auch vielleicht nicht so ge¬
lehrt sind wie diese, eine Abart von Gelehrten sind sie darum doch, und ihren
Analphabeten werden sie sogar noch viel gelehrter vorkommen, als den andern
die Kunsthistoriker.

Unversehens haben uns die bunten Bilder auf ein neues Thema gebracht.
Wir müssens diesesmal unterbrechen. Uns liegt noch ein Band mit schwarz¬
weißen Autotypien aus dem Verlage vou Franz Hanfstaengl in München vor:
„Die Meisterwerke des Rijksmuseums zu Amsterdam." Es ist der vierte eine
Sammlung von „Malerklassikerausgaben," wovon früher schon die Münchner
alte Pinakothek, die Dresdner Galerie und die National Gallery zu London
erschienen sind. Die vorzügliche Ausführung versteht sich bei dem Weltruhm
dieses Hauses von selbst, die äußere Ausstattung der Bünde mit ihren doppel¬
seitig bedruckten Blättern ist anspruchslos. So nur war der erstaunlich niedrige
Preis von zwölf Mark für 208 Bilder zu erreichen. Hätten wir Lust am Tadeln,
so könnten wir eine kleine Zahl von unbedeutenden Bildern namhaft machen, die
Wir gern durch wichtigere ersetzt sähen. Aber das ist Nebensache. Wir freuen
uns, daß eine viel zu wenig bekannte Galerie um auf so bequeme Weise zu¬
gänglich gemacht worden ist, und sehen der Fortsetzung mit Erwartung ent¬
gegen. Denen aber, die für solche Klischeebücher nur ein gnädiges Achsel¬
zucken übrig haben, möchten wir noch zu bedenken geben, daß die kostbarere
Photvgravüre allerdings an und für sich eine vornehmere Erscheinung, keines¬
wegs aber die für Ölgemälde besonders geeignete Reproduktionsart ist, wie
man wohl dem kaufkräftigen Publikum in den Prospekten solcher Werke vorzu¬
reden pflegt. Denn die sammetartige Wirkung der Ätztechnik bringt vielfach
fremde und falsche Tonwerke in die Bilder; Rembrandt oder Correggio kann
mau so wiedergeben, Raffael und Holbein nicht. Den Vorzug einer größern
Treue haben die Photographien und der Kohledruck, und wo der niedrige
Preis mitsprechen soll, die billige Antotypie.




Gine Kaufmannsfirma

cum heute im deutschen Binnenlande von Kaufleuten die Rede ist,
so denkt man zunächst an die Herren, die „zum Schutze des Mittel¬
standes" Maßregeln gegen Konsumvereine, Warenhäuser und un-
lautern Wettbewerb fordern. Es sind das gewiß ehrenwerte und
unentbehrliche Mitglieder der Gesellschaft, aber imposant findet sie
niemand, und daß der Wirkungskreis eines jeden von ihnen weit über das Stadt¬
oder Straßenviertel Hinansreiche, das sie mit Waren versorgen, werden sie selbst
nicht behaupten wollen. In der Zeit der alten Gewerbeordnung würden sie gar


Grenzboten I 1904 14
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/111>, abgerufen am 06.05.2024.