Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr."Line Raufmannsfirina nicht Kaufleute (irikr"^t"r(;8), sondern Krämer lMstitoi'W) genannt worden sein. Der Verkehr hat eben im Laufe des vorigen Jahrhunderts seine Organi¬ «Line Raufmannsfirina nicht Kaufleute (irikr«^t»r(;8), sondern Krämer lMstitoi'W) genannt worden sein. Der Verkehr hat eben im Laufe des vorigen Jahrhunderts seine Organi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/292909"/> <fw type="header" place="top"> «Line Raufmannsfirina</fw><lb/> <p xml:id="ID_463" prev="#ID_462"> nicht Kaufleute (irikr«^t»r(;8), sondern Krämer lMstitoi'W) genannt worden sein.<lb/> Was man damals Kaufleute nannte, das beschränkt sich heute auf den engen<lb/> Kreis der „königlichen Kaufleute," der großen Exporteure und Importeure unsrer<lb/> Seestädte. Der Geldhandel samt dem Geschäft der Kreditoperationen, der Eisen¬<lb/> bahnbauten und der Gründung mehr oder weniger solider Rieseuunternehmungen<lb/> liegt in den Händen von Aktiengesellschaften, und neben ihnen müssen wohl auch<lb/> die Großfabrikanten, die ihre Erzeugnisse selbst im Inlande und ins Ausland<lb/> verkaufen, als Kaufleute großen Stiles (aber natürlich nicht als Großhändler)<lb/> betrachtet werden. Ob im Binnenlande noch etwas dem ähnliches vorhanden<lb/> oder auch nur möglich ist, was uns die Jubiläumsschrift eines Breslauer Bank¬<lb/> hauses schildert, darf bezweifelt werden. (Das Soll und Haben von Eich¬<lb/> born <K Komp. in 175 Jahren. Ein schlesischer Beitrag zur vaterländischen<lb/> Wirtschaftsgeschichte. Breslau, Wilh. Gottl. Korn, 1903. Die mit Register<lb/> 371 Seiten Großquart umfassende, gediegen ausgestattete und mit Bildnissen,<lb/> u. a. faksimilierten Kurszetteln geschmückte Schrift ist vom jetzigen Inhaber der<lb/> Firma, Kurt Moriz - Eichborn, auf Grund von Urkunden des Firmenarchivs,<lb/> des Staats-, des Stadt-, des Reichsbankarchivs und andrer Archive verfaßt und<lb/> der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur zum hundertsten Stiftungs¬<lb/> feste gewidmet worden. Rudolf von Gottschall hat eine poetische Widmung<lb/> beigefügt.)</p><lb/> <p xml:id="ID_464" next="#ID_465"> Der Verkehr hat eben im Laufe des vorigen Jahrhunderts seine Organi¬<lb/> sation von Grund aus geändert, vielfach anch seine Schauplätze und Wege. Als<lb/> der ans Landau in der Pfalz gebürtige Johann Ludwig Eichborn am 19. No¬<lb/> vember 1728 in Vreslau sein Speditions-, Kommissions- und Wechselgeschüft<lb/> errichtete, kam er gerade noch zurecht, die goldne Abendröte der Glanzzeit dieser<lb/> Stadt zu schauen und zu genießen. Breslau war bis dahin der Markt und<lb/> der Stapelplatz des West-östlichen und süd-nördlichen Verkehrs für das ganze<lb/> östliche Deutschland gewesen. Die Großkaufleute besorgten die Spedition der<lb/> Waren, die in Wagenkarawanen ankamen, übernahmen, soweit es sich nicht um<lb/> bloße Durchfuhr handelte, den kommissarischen Verkauf, zahlten in Wechseln oder<lb/> vorschußweise in bar, besorgten die Einziehung der Gelder aus dem Auslande<lb/> und vermittelten namentlich die Ausfuhr der heimischen Leinen- und Tuchvor¬<lb/> räte. Erfuhren sie, daß eine spanische Silberflotte aus Amerika abgegangen sei,<lb/> so belebte das die schlesische Leinwandweberei, denn Spanien gehörte zu deren<lb/> Hauptabnehmern. Wie Friedrich der Große in seinem politischen Testament ver¬<lb/> merkt hat, brachte die Leinenausfuhr den Schlesiern beinahe so viel wie Peru<lb/> dem Könige von Spanien. Leider hat gerade der große König, natürlich sehr<lb/> gegen seinen Willen, die Reichtumsquellen Breslaus und Schlesiens verstopft.<lb/> Die Einfügung Schlesiens in den preußischen Staat sperrte nur die österreichischen,<lb/> die Teilung Polens den größten Teil der polnischen Absatz- und Znfnhrgebiete,<lb/> und die merkantilistische Politik Friedrichs schlug dem Handel tiefe Wunden, für<lb/> die das Land durch die Förderung der Tuchfabrikation nicht völlig entschädigt<lb/> wurde. Immerhin behauptete auch in dieser Zeit des Rückgangs die Breslauer<lb/> Kaufmannschaft, die übrigens auf kaum ein Dutzend Firmen zusammengeschmolzen<lb/> war, ihre Stellung als Leiterin und belebende Kraft des gesamten Ausfuhr-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
«Line Raufmannsfirina
nicht Kaufleute (irikr«^t»r(;8), sondern Krämer lMstitoi'W) genannt worden sein.
Was man damals Kaufleute nannte, das beschränkt sich heute auf den engen
Kreis der „königlichen Kaufleute," der großen Exporteure und Importeure unsrer
Seestädte. Der Geldhandel samt dem Geschäft der Kreditoperationen, der Eisen¬
bahnbauten und der Gründung mehr oder weniger solider Rieseuunternehmungen
liegt in den Händen von Aktiengesellschaften, und neben ihnen müssen wohl auch
die Großfabrikanten, die ihre Erzeugnisse selbst im Inlande und ins Ausland
verkaufen, als Kaufleute großen Stiles (aber natürlich nicht als Großhändler)
betrachtet werden. Ob im Binnenlande noch etwas dem ähnliches vorhanden
oder auch nur möglich ist, was uns die Jubiläumsschrift eines Breslauer Bank¬
hauses schildert, darf bezweifelt werden. (Das Soll und Haben von Eich¬
born <K Komp. in 175 Jahren. Ein schlesischer Beitrag zur vaterländischen
Wirtschaftsgeschichte. Breslau, Wilh. Gottl. Korn, 1903. Die mit Register
371 Seiten Großquart umfassende, gediegen ausgestattete und mit Bildnissen,
u. a. faksimilierten Kurszetteln geschmückte Schrift ist vom jetzigen Inhaber der
Firma, Kurt Moriz - Eichborn, auf Grund von Urkunden des Firmenarchivs,
des Staats-, des Stadt-, des Reichsbankarchivs und andrer Archive verfaßt und
der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur zum hundertsten Stiftungs¬
feste gewidmet worden. Rudolf von Gottschall hat eine poetische Widmung
beigefügt.)
Der Verkehr hat eben im Laufe des vorigen Jahrhunderts seine Organi¬
sation von Grund aus geändert, vielfach anch seine Schauplätze und Wege. Als
der ans Landau in der Pfalz gebürtige Johann Ludwig Eichborn am 19. No¬
vember 1728 in Vreslau sein Speditions-, Kommissions- und Wechselgeschüft
errichtete, kam er gerade noch zurecht, die goldne Abendröte der Glanzzeit dieser
Stadt zu schauen und zu genießen. Breslau war bis dahin der Markt und
der Stapelplatz des West-östlichen und süd-nördlichen Verkehrs für das ganze
östliche Deutschland gewesen. Die Großkaufleute besorgten die Spedition der
Waren, die in Wagenkarawanen ankamen, übernahmen, soweit es sich nicht um
bloße Durchfuhr handelte, den kommissarischen Verkauf, zahlten in Wechseln oder
vorschußweise in bar, besorgten die Einziehung der Gelder aus dem Auslande
und vermittelten namentlich die Ausfuhr der heimischen Leinen- und Tuchvor¬
räte. Erfuhren sie, daß eine spanische Silberflotte aus Amerika abgegangen sei,
so belebte das die schlesische Leinwandweberei, denn Spanien gehörte zu deren
Hauptabnehmern. Wie Friedrich der Große in seinem politischen Testament ver¬
merkt hat, brachte die Leinenausfuhr den Schlesiern beinahe so viel wie Peru
dem Könige von Spanien. Leider hat gerade der große König, natürlich sehr
gegen seinen Willen, die Reichtumsquellen Breslaus und Schlesiens verstopft.
Die Einfügung Schlesiens in den preußischen Staat sperrte nur die österreichischen,
die Teilung Polens den größten Teil der polnischen Absatz- und Znfnhrgebiete,
und die merkantilistische Politik Friedrichs schlug dem Handel tiefe Wunden, für
die das Land durch die Förderung der Tuchfabrikation nicht völlig entschädigt
wurde. Immerhin behauptete auch in dieser Zeit des Rückgangs die Breslauer
Kaufmannschaft, die übrigens auf kaum ein Dutzend Firmen zusammengeschmolzen
war, ihre Stellung als Leiterin und belebende Kraft des gesamten Ausfuhr-
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