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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

"Auf abschüssigem Wege" bewegt sich nach Herrn Eugen Richter die Zollpolitik
des Reichs; diese habe auch eine wesentliche Mitschuld am Ausfall der Reichstags¬
wahlen. Den jetzigen Reichskanzler will Herr Richter jedoch exkulpieren, der habe
nicht anders gekonnt. Der eigentlich Schuldige ist -- Fürst Bismarck und die von
ihm im Jahre 1876 eingeleitete Wirtschaftspolitik, durch die er an die Stelle der
Selbsthilfe die Staatshilfe gesetzt habe. Von ihm sei der Glaube an die Allmacht
des Staats künstlich groß gezogen worden, er habe die Sonderinteressen aufgestachelt,
nach allen Richtungen Interessenvertretungen begünstigt. "Die besitzenden Klassen
wurden vom Fürsten Bismarck geradezu aufgereizt, Forderungen an den Staat zu
stellen, Liebesgaben in der Steuergesetzgebung zu verlangen, Schutzzölle selbst auf
die notwendigsten Lebensmittel zu heischen. Im Bunde der Landwirte wurde die
Agitation zur Erregung der Unzufriedenheit geradezu organisiert."

Wenn Herr Richter ab und zu den ersten Reichskanzler gepriesen und -- freilich
erst um dem Toten -- manch gutes Haar gefunden hat, so erachtet er es zur
Herstellung des Gleichgewichts oder der Übereinstimmung mit seiner frühern Hal¬
tung für notwendig, den Fürsten Bismarck vor der Mit- und Nachwelt gelegentlich
wieder schwarz anzustreichen. Er geht, wie wir im vorstehenden gesehen haben,
sogar so weit, dem Fürsten Bismarck den Bund der Landwirte auf das Konto zu
setzen, obwohl dieser nicht dem ersten, sondern dem zweiten Reichskanzler zu verdanken
ist, d. h. aus dem Jahre 1893. drei Jahre nach dem Rücktritt des Fürsten Bis¬
marck, datiert. Der Bund der Landwirte ist ausschließlich ein Produkt der
Caprivischen Handelspolitik, die sich ja der warmen Anerkennung und Unterstützung
des Abgeordneten Richter erfreute. Somit verdanken wir den Bund der Landwirte,
und was uns daran nicht gefällt, zum nicht geringen Teil -- Herrn Richter, der
es ja auch heute noch liebt, sich auf Caprivische Aussprüche zu berufen. So zum
Beispiel erst jüngst wieder auf das Wort: "Je weniger Afrika, desto besser."
Nirgend hat dieses Diktum großem Beifall gefunden als in England, wo man
allerdings der Ansicht ist: "Je weniger Afrika Deutschland hat, desto besser -- für
Großbritannien." Wollte Deutschland heute seine afrikanischen Besitzungen aufgeben,
England wäre mit Vergnügen bereit, sie ihm abzunehmen.

Den Umschwung in der Zoll- und Handelspolitik hat doch Fürst Bismarck
nicht allein machen können, er hat dazu des Reichstags bedurft, ebenso wie heute
Graf Bülow für Zolltarif und Handelsverträge der Reichstagsmehrheit bedarf.
In dieser Reichstagsmehrheit spielte in der Zeit von 1878 bis 1890 das Zentrum
uuter Windthorsts Führung schon eine recht große Rolle. Das Zentrum ist bet
verschiednen Anlässen: der Ablehnung des Tabakmonopols, der Ablehnung eines
dritten Direktors im Auswärtigen Amt, der Ablehnung des Septennats im
Januar 1888 ("keinen Mann und keinen Groschenl") sehr gern mit Herrn Richter
gegangen, der zeitweise direkt als Führer des Zentrums augesehen werden konnte,
wie ja auch andrerseits vom seligen Windthorst in bezug auf die Wiederwahl des
Abgeordneten Richter in Hagen das historische Diktum vorliegt: "Wir dürfen die
Firma nicht erlöschen lassen." Also dieses Herrn Richter so befreundete Zentrum
hat alle Phasen der Bismarckischen Zoll- und Wirtschaftspolitik zustande bringen
helfen! Der leitende Staatsmann, und wäre er noch zehnmal bedeutender, als es
Fürst Bismarck zuweilen sogar nach Ansicht des Herrn Richter war, würde ohne
Mitwirkung des Bundesrath, d. h. der Gesamtheit der verbündeten Regierungen
einerseits, des Reichstags andrerseits, nichts haben zustande bringen können. Ist
die Sache also so verwerflich, so trägt der Reichstag, trägt die Herrn Richter so
befreundete und so wohlwollende Zentrumsfraktion einen wesentlichen Teil der
Schuld; dasselbe Zentrum, ohne das Graf Bülow die so tadelnswerte Zollpolitik
auch heute nicht fortsetzen könnte.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

„Auf abschüssigem Wege" bewegt sich nach Herrn Eugen Richter die Zollpolitik
des Reichs; diese habe auch eine wesentliche Mitschuld am Ausfall der Reichstags¬
wahlen. Den jetzigen Reichskanzler will Herr Richter jedoch exkulpieren, der habe
nicht anders gekonnt. Der eigentlich Schuldige ist — Fürst Bismarck und die von
ihm im Jahre 1876 eingeleitete Wirtschaftspolitik, durch die er an die Stelle der
Selbsthilfe die Staatshilfe gesetzt habe. Von ihm sei der Glaube an die Allmacht
des Staats künstlich groß gezogen worden, er habe die Sonderinteressen aufgestachelt,
nach allen Richtungen Interessenvertretungen begünstigt. „Die besitzenden Klassen
wurden vom Fürsten Bismarck geradezu aufgereizt, Forderungen an den Staat zu
stellen, Liebesgaben in der Steuergesetzgebung zu verlangen, Schutzzölle selbst auf
die notwendigsten Lebensmittel zu heischen. Im Bunde der Landwirte wurde die
Agitation zur Erregung der Unzufriedenheit geradezu organisiert."

Wenn Herr Richter ab und zu den ersten Reichskanzler gepriesen und — freilich
erst um dem Toten — manch gutes Haar gefunden hat, so erachtet er es zur
Herstellung des Gleichgewichts oder der Übereinstimmung mit seiner frühern Hal¬
tung für notwendig, den Fürsten Bismarck vor der Mit- und Nachwelt gelegentlich
wieder schwarz anzustreichen. Er geht, wie wir im vorstehenden gesehen haben,
sogar so weit, dem Fürsten Bismarck den Bund der Landwirte auf das Konto zu
setzen, obwohl dieser nicht dem ersten, sondern dem zweiten Reichskanzler zu verdanken
ist, d. h. aus dem Jahre 1893. drei Jahre nach dem Rücktritt des Fürsten Bis¬
marck, datiert. Der Bund der Landwirte ist ausschließlich ein Produkt der
Caprivischen Handelspolitik, die sich ja der warmen Anerkennung und Unterstützung
des Abgeordneten Richter erfreute. Somit verdanken wir den Bund der Landwirte,
und was uns daran nicht gefällt, zum nicht geringen Teil — Herrn Richter, der
es ja auch heute noch liebt, sich auf Caprivische Aussprüche zu berufen. So zum
Beispiel erst jüngst wieder auf das Wort: „Je weniger Afrika, desto besser."
Nirgend hat dieses Diktum großem Beifall gefunden als in England, wo man
allerdings der Ansicht ist: „Je weniger Afrika Deutschland hat, desto besser — für
Großbritannien." Wollte Deutschland heute seine afrikanischen Besitzungen aufgeben,
England wäre mit Vergnügen bereit, sie ihm abzunehmen.

Den Umschwung in der Zoll- und Handelspolitik hat doch Fürst Bismarck
nicht allein machen können, er hat dazu des Reichstags bedurft, ebenso wie heute
Graf Bülow für Zolltarif und Handelsverträge der Reichstagsmehrheit bedarf.
In dieser Reichstagsmehrheit spielte in der Zeit von 1878 bis 1890 das Zentrum
uuter Windthorsts Führung schon eine recht große Rolle. Das Zentrum ist bet
verschiednen Anlässen: der Ablehnung des Tabakmonopols, der Ablehnung eines
dritten Direktors im Auswärtigen Amt, der Ablehnung des Septennats im
Januar 1888 („keinen Mann und keinen Groschenl") sehr gern mit Herrn Richter
gegangen, der zeitweise direkt als Führer des Zentrums augesehen werden konnte,
wie ja auch andrerseits vom seligen Windthorst in bezug auf die Wiederwahl des
Abgeordneten Richter in Hagen das historische Diktum vorliegt: „Wir dürfen die
Firma nicht erlöschen lassen." Also dieses Herrn Richter so befreundete Zentrum
hat alle Phasen der Bismarckischen Zoll- und Wirtschaftspolitik zustande bringen
helfen! Der leitende Staatsmann, und wäre er noch zehnmal bedeutender, als es
Fürst Bismarck zuweilen sogar nach Ansicht des Herrn Richter war, würde ohne
Mitwirkung des Bundesrath, d. h. der Gesamtheit der verbündeten Regierungen
einerseits, des Reichstags andrerseits, nichts haben zustande bringen können. Ist
die Sache also so verwerflich, so trägt der Reichstag, trägt die Herrn Richter so
befreundete und so wohlwollende Zentrumsfraktion einen wesentlichen Teil der
Schuld; dasselbe Zentrum, ohne das Graf Bülow die so tadelnswerte Zollpolitik
auch heute nicht fortsetzen könnte.


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[0126] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel „Auf abschüssigem Wege" bewegt sich nach Herrn Eugen Richter die Zollpolitik des Reichs; diese habe auch eine wesentliche Mitschuld am Ausfall der Reichstags¬ wahlen. Den jetzigen Reichskanzler will Herr Richter jedoch exkulpieren, der habe nicht anders gekonnt. Der eigentlich Schuldige ist — Fürst Bismarck und die von ihm im Jahre 1876 eingeleitete Wirtschaftspolitik, durch die er an die Stelle der Selbsthilfe die Staatshilfe gesetzt habe. Von ihm sei der Glaube an die Allmacht des Staats künstlich groß gezogen worden, er habe die Sonderinteressen aufgestachelt, nach allen Richtungen Interessenvertretungen begünstigt. „Die besitzenden Klassen wurden vom Fürsten Bismarck geradezu aufgereizt, Forderungen an den Staat zu stellen, Liebesgaben in der Steuergesetzgebung zu verlangen, Schutzzölle selbst auf die notwendigsten Lebensmittel zu heischen. Im Bunde der Landwirte wurde die Agitation zur Erregung der Unzufriedenheit geradezu organisiert." Wenn Herr Richter ab und zu den ersten Reichskanzler gepriesen und — freilich erst um dem Toten — manch gutes Haar gefunden hat, so erachtet er es zur Herstellung des Gleichgewichts oder der Übereinstimmung mit seiner frühern Hal¬ tung für notwendig, den Fürsten Bismarck vor der Mit- und Nachwelt gelegentlich wieder schwarz anzustreichen. Er geht, wie wir im vorstehenden gesehen haben, sogar so weit, dem Fürsten Bismarck den Bund der Landwirte auf das Konto zu setzen, obwohl dieser nicht dem ersten, sondern dem zweiten Reichskanzler zu verdanken ist, d. h. aus dem Jahre 1893. drei Jahre nach dem Rücktritt des Fürsten Bis¬ marck, datiert. Der Bund der Landwirte ist ausschließlich ein Produkt der Caprivischen Handelspolitik, die sich ja der warmen Anerkennung und Unterstützung des Abgeordneten Richter erfreute. Somit verdanken wir den Bund der Landwirte, und was uns daran nicht gefällt, zum nicht geringen Teil — Herrn Richter, der es ja auch heute noch liebt, sich auf Caprivische Aussprüche zu berufen. So zum Beispiel erst jüngst wieder auf das Wort: „Je weniger Afrika, desto besser." Nirgend hat dieses Diktum großem Beifall gefunden als in England, wo man allerdings der Ansicht ist: „Je weniger Afrika Deutschland hat, desto besser — für Großbritannien." Wollte Deutschland heute seine afrikanischen Besitzungen aufgeben, England wäre mit Vergnügen bereit, sie ihm abzunehmen. Den Umschwung in der Zoll- und Handelspolitik hat doch Fürst Bismarck nicht allein machen können, er hat dazu des Reichstags bedurft, ebenso wie heute Graf Bülow für Zolltarif und Handelsverträge der Reichstagsmehrheit bedarf. In dieser Reichstagsmehrheit spielte in der Zeit von 1878 bis 1890 das Zentrum uuter Windthorsts Führung schon eine recht große Rolle. Das Zentrum ist bet verschiednen Anlässen: der Ablehnung des Tabakmonopols, der Ablehnung eines dritten Direktors im Auswärtigen Amt, der Ablehnung des Septennats im Januar 1888 („keinen Mann und keinen Groschenl") sehr gern mit Herrn Richter gegangen, der zeitweise direkt als Führer des Zentrums augesehen werden konnte, wie ja auch andrerseits vom seligen Windthorst in bezug auf die Wiederwahl des Abgeordneten Richter in Hagen das historische Diktum vorliegt: „Wir dürfen die Firma nicht erlöschen lassen." Also dieses Herrn Richter so befreundete Zentrum hat alle Phasen der Bismarckischen Zoll- und Wirtschaftspolitik zustande bringen helfen! Der leitende Staatsmann, und wäre er noch zehnmal bedeutender, als es Fürst Bismarck zuweilen sogar nach Ansicht des Herrn Richter war, würde ohne Mitwirkung des Bundesrath, d. h. der Gesamtheit der verbündeten Regierungen einerseits, des Reichstags andrerseits, nichts haben zustande bringen können. Ist die Sache also so verwerflich, so trägt der Reichstag, trägt die Herrn Richter so befreundete und so wohlwollende Zentrumsfraktion einen wesentlichen Teil der Schuld; dasselbe Zentrum, ohne das Graf Bülow die so tadelnswerte Zollpolitik auch heute nicht fortsetzen könnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/126>, abgerufen am 06.05.2024.