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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Servis und WolMMgsgeldzuschuß

und aufnahmefähiger Absatzgebiete einschließen, und die von Völkern bewohnt
werden, die imstande sind, die Nrprodukte ihres Landes sowie die Vorteile
ihrer politischen Abrundung auszunutzen- Deutschland und Mitteleuropa werden
zwar für ihre Entwicklung im nächsten Jahrhundert mehr Aktionsfreiheit er¬
halten, da Rußland durch das erwachende Mongolentum nach Osten hin ab¬
gelenkt wird, und seine aggressiven Kräfte dort absorbiert werden. Die deutsche
Industrie wird aber nicht nur gegen die hohen russischen Zollschranken sondern
auch gegen die der andern mächtigen wirtschaftlichen und politischen Organi¬
sationen ankämpfen müssen. Wie wird sie diesen ihm an UrProdukten und
Absatzgebieten weit überlegnen Weltmächten gegenüber bestehn, wenn deren
teils hochentwickelte Industrie in ihrer Entwicklung so fortschreitet? Was kann
sie tun, wenn diese Staaten sich durch hohe Zollschranken abschließen?

Nur die friedliche wirtschaftliche Einigung mit den mitteleuropäischen Staaten
und deren Kolonien wird dem Deutschen Reich und seiner Industrie eine gewisse
Gleichstellung mit diesen gewaltigen Staaten der Zukunft geben und die hoch¬
entwickelte Kultur Mitteleuropas vor dem Niedergang schützen, wenn eine see¬
gewaltige Flotte diesem Wirtschaftsbund in der Welt und eine große Armee
in Europa Recht und Frieden verschaffen.




Servis und Wohnungsgeldzuschuß

ter dem Reichstage vorliegende Gesetzentwurf über den Servis-
tarif und die Klasseneinteilung der Orte ist in der ersten Lesung
im Plenum beraten und an die Budgetkommission überwiesen
worden. Wie zu erwarten war, zeigte sich der Reichstag nicht
I befriedigt, da die Resolution zu dem Gesetz vom 7. Juli 1902
in dem Entwurf nicht berücksichtigt worden ist. Alle maßgebenden Parteien
gaben ihrer Enttäuschung Ausdruck, hielten aber mit ihren Bedenken im
einzelnen zurück; nur daß die Geltungsdauer des Gesetzes von zehn auf fünf
Jahre verkürzt werden müsse, wurde allgemein im voraus erklärt. Welches
Schicksal die Vorlage in der Budgetkommission haben wird, läßt sich nicht
ohne weiteres voraussagen. Aus den Verhandlungen des frühern Reichstags
müßte man allerdings schließen, daß sie ebenso wie die Vorlage von 1902
in der vorgeschlagnen Fassung nicht angenommen werden wird, zumal da
die Mehrheit des neuen Reichstags der des alten "wie ein El dem andern"
gleicht. Nun verspricht der Entwurf jedoch manche Vorteile, einmal einer
ganzen Reihe von Offizieren und Beamten dnrch die Einreihung von 205 Orten
in eine höhere Servisklasse (gegen 168 im Jahre 1902), darunter von sieben
Orten in die ans elf Städten bestehende, seit 1873 unverändert gebliebne
Ausnahmeklasse Berlin, und sodann mich den Gemeinden der niedrigsten, der
vierten Servisklasse durch Erhöhung der Tarifsätze für den Naturalquintierservis


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und aufnahmefähiger Absatzgebiete einschließen, und die von Völkern bewohnt
werden, die imstande sind, die Nrprodukte ihres Landes sowie die Vorteile
ihrer politischen Abrundung auszunutzen- Deutschland und Mitteleuropa werden
zwar für ihre Entwicklung im nächsten Jahrhundert mehr Aktionsfreiheit er¬
halten, da Rußland durch das erwachende Mongolentum nach Osten hin ab¬
gelenkt wird, und seine aggressiven Kräfte dort absorbiert werden. Die deutsche
Industrie wird aber nicht nur gegen die hohen russischen Zollschranken sondern
auch gegen die der andern mächtigen wirtschaftlichen und politischen Organi¬
sationen ankämpfen müssen. Wie wird sie diesen ihm an UrProdukten und
Absatzgebieten weit überlegnen Weltmächten gegenüber bestehn, wenn deren
teils hochentwickelte Industrie in ihrer Entwicklung so fortschreitet? Was kann
sie tun, wenn diese Staaten sich durch hohe Zollschranken abschließen?

Nur die friedliche wirtschaftliche Einigung mit den mitteleuropäischen Staaten
und deren Kolonien wird dem Deutschen Reich und seiner Industrie eine gewisse
Gleichstellung mit diesen gewaltigen Staaten der Zukunft geben und die hoch¬
entwickelte Kultur Mitteleuropas vor dem Niedergang schützen, wenn eine see¬
gewaltige Flotte diesem Wirtschaftsbund in der Welt und eine große Armee
in Europa Recht und Frieden verschaffen.




Servis und Wohnungsgeldzuschuß

ter dem Reichstage vorliegende Gesetzentwurf über den Servis-
tarif und die Klasseneinteilung der Orte ist in der ersten Lesung
im Plenum beraten und an die Budgetkommission überwiesen
worden. Wie zu erwarten war, zeigte sich der Reichstag nicht
I befriedigt, da die Resolution zu dem Gesetz vom 7. Juli 1902
in dem Entwurf nicht berücksichtigt worden ist. Alle maßgebenden Parteien
gaben ihrer Enttäuschung Ausdruck, hielten aber mit ihren Bedenken im
einzelnen zurück; nur daß die Geltungsdauer des Gesetzes von zehn auf fünf
Jahre verkürzt werden müsse, wurde allgemein im voraus erklärt. Welches
Schicksal die Vorlage in der Budgetkommission haben wird, läßt sich nicht
ohne weiteres voraussagen. Aus den Verhandlungen des frühern Reichstags
müßte man allerdings schließen, daß sie ebenso wie die Vorlage von 1902
in der vorgeschlagnen Fassung nicht angenommen werden wird, zumal da
die Mehrheit des neuen Reichstags der des alten „wie ein El dem andern"
gleicht. Nun verspricht der Entwurf jedoch manche Vorteile, einmal einer
ganzen Reihe von Offizieren und Beamten dnrch die Einreihung von 205 Orten
in eine höhere Servisklasse (gegen 168 im Jahre 1902), darunter von sieben
Orten in die ans elf Städten bestehende, seit 1873 unverändert gebliebne
Ausnahmeklasse Berlin, und sodann mich den Gemeinden der niedrigsten, der
vierten Servisklasse durch Erhöhung der Tarifsätze für den Naturalquintierservis


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/334>, abgerufen am 06.05.2024.