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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Klalmnkerstraße

Melitta dachte an Betty Eberstein, die sie haßte, und daran, daß sie Asta Wolffen-
radts Freundschaft vielleicht noch gebrauchen könne. Und in Astas Seele glühte
nur noch ein Wunsch: doch noch zum Ziele zu kommen!


14

War es möglich, sich vom Dovenhof weg nach der Klabunkerstraße und der
Paulinenterrasse, nach der freundlichen Frau Heinemann und nach der geräuschlosen
Arbeit der Lehrerin und Vorleserin zu sehnen?

Elisabeth schalt auf sich und ans ihre schwache Gesundheit, die sie reizbar
und verstimmt machte und ihr das Leben schal erscheinen ließ. Sie hatte es ja
gut auf dem Dovenhofe mit seinem stillen, ernsten Haus, mit dem Garten, mit
den weiten Feldern, auf denen fleißige Menschen schafften, mit ihren Kindern, die
sich so fröhlich entwickelten. Rüdeger streckte die Arme aus, wenn er seine Mutter
sah; Jrmgcird begann ohne Fehler zu sprechen, und Jetta wurde sich schon der
Stellung als älteste Tochter bewußt und erkundigte sich bei der Köchin, was ge¬
gessen werden sollte.

Elisabeth aber konnte ihres Lebens nicht froh werden. Ihr fiel Asta mit
ihrer kühlen Umständlichkeit auf die Nerven, und sie vermied es nach Möglichkeit,
sie zu sehen. Ähnlich ging es ihr mit Melitta. Sie hatte nichts gegen das junge
Mädchen; aber sie freute sich, wenn sie ihre Stimme nur in der Ferne hörte.
Sie bewunderte ihre Schönheit und ihre Gewandtheit, aber sie hatte nicht das
Bedürfnis, sie näher kennen zu lernen. Melitta mußte es nicht viel anders ergehn.
Auch sie suchte niemals freiwillig die Gesellschaft der Gutsherrin auf; und es
war immer Elsie, die mit Vorliebe bei der Tante saß.

Über die Verlobung des jungen Mädchens mit dem Maler begann sich
Elisabeth zu ärgern. Er erschien ihr zu gut für sie. Aber das Unheil war ge¬
schehen, und wenn Elisabeth Rosalie in gerührter Glückseligkeit einherwandern sah,
dann hielt sie sich selbst für schlecht und bemühte sich, ein freundliches Wort an
die Braut zu richten. Das war alles, wozu sie sich entschließen konnte; als Alois
ihr einmal von selner Liebe, seinem Glück und seinen Zukunftsplänen vorschwärmte,
unterbrach sie ihn ungeduldig und fragte nach den Bildern, an denen er noch
immer arbeite. Betroffen sah er sie an; er beantwortete ihre Frage und entfernte
sich dann schweigend. Von dieser Zeit an ging er ihr leise aus dem Wege und
konnte es um so eher, als Elisabeth sich zurückzog und selten in sein Atelier kam.

Der Sommer schritt weiter. Von den Wiesen, die waldumsäumt in der
Nähe des Hoff lagen, war das Heu eingefahren; nun begann die Roggenernte,
und der alte Verwalter fragte jeden Tag, ob der Herr Baron denn immer noch
nicht wiederkehre? Er hatte zwar seine Verhaltungsmaßregeln, aber es wäre ihm
lieber gewesen, nicht allein die Verantwortung zu tragen.

Heute sind es schon vier Wochen, daß Herr Baron verreist ist, und er
wollte nur acht Tage wegbleiben, sagte er mit leisem Vorwurf zu Elisabeth, der
er jeden Morgen Bericht erstattete.

Sie tröstete ihn mit freundlichen Worten. Gestern hatte Wolf gerade ge¬
schrieben, daß er sich nach der Heimkehr sehne, daß aber allerlei dringende Ge¬
schäfte ihn zurückhielten.

Er hatte eine Musterwirtschaft besucht, sich neumodische Milchkeller angesehen
und inzwischen Einkäufe gemacht. Elisabeth verstand es, gütig mit den Unter¬
gebnen zu verhandeln; als sich Herr Schröder zurückzog, war er entzückt von
seiner Herrin und über den Verbleib seines Herrn beruhigt. Als die junge Frau
aber wieder allein war, trat ein Zug ernste" Nachdenkens in ihr Gesicht. Sie konnte
es selbst nicht begreifen, daß ihr Mann so lange wegblieb, und wieder stieg etwas
in ihr auf, das sie mit leisem Groll erfüllte.

An diesem Abend stand Wolf unerwartet vor ihr. Er hatte sich auf der
Bahnstation einen Wagen genommen und schien sich zu freuen, wieder daheim zu
sein. Elisabeth brachte gerade ihren Jüngsten zur Ruhe, und der Baron nahm


Die Klalmnkerstraße

Melitta dachte an Betty Eberstein, die sie haßte, und daran, daß sie Asta Wolffen-
radts Freundschaft vielleicht noch gebrauchen könne. Und in Astas Seele glühte
nur noch ein Wunsch: doch noch zum Ziele zu kommen!


14

War es möglich, sich vom Dovenhof weg nach der Klabunkerstraße und der
Paulinenterrasse, nach der freundlichen Frau Heinemann und nach der geräuschlosen
Arbeit der Lehrerin und Vorleserin zu sehnen?

Elisabeth schalt auf sich und ans ihre schwache Gesundheit, die sie reizbar
und verstimmt machte und ihr das Leben schal erscheinen ließ. Sie hatte es ja
gut auf dem Dovenhofe mit seinem stillen, ernsten Haus, mit dem Garten, mit
den weiten Feldern, auf denen fleißige Menschen schafften, mit ihren Kindern, die
sich so fröhlich entwickelten. Rüdeger streckte die Arme aus, wenn er seine Mutter
sah; Jrmgcird begann ohne Fehler zu sprechen, und Jetta wurde sich schon der
Stellung als älteste Tochter bewußt und erkundigte sich bei der Köchin, was ge¬
gessen werden sollte.

Elisabeth aber konnte ihres Lebens nicht froh werden. Ihr fiel Asta mit
ihrer kühlen Umständlichkeit auf die Nerven, und sie vermied es nach Möglichkeit,
sie zu sehen. Ähnlich ging es ihr mit Melitta. Sie hatte nichts gegen das junge
Mädchen; aber sie freute sich, wenn sie ihre Stimme nur in der Ferne hörte.
Sie bewunderte ihre Schönheit und ihre Gewandtheit, aber sie hatte nicht das
Bedürfnis, sie näher kennen zu lernen. Melitta mußte es nicht viel anders ergehn.
Auch sie suchte niemals freiwillig die Gesellschaft der Gutsherrin auf; und es
war immer Elsie, die mit Vorliebe bei der Tante saß.

Über die Verlobung des jungen Mädchens mit dem Maler begann sich
Elisabeth zu ärgern. Er erschien ihr zu gut für sie. Aber das Unheil war ge¬
schehen, und wenn Elisabeth Rosalie in gerührter Glückseligkeit einherwandern sah,
dann hielt sie sich selbst für schlecht und bemühte sich, ein freundliches Wort an
die Braut zu richten. Das war alles, wozu sie sich entschließen konnte; als Alois
ihr einmal von selner Liebe, seinem Glück und seinen Zukunftsplänen vorschwärmte,
unterbrach sie ihn ungeduldig und fragte nach den Bildern, an denen er noch
immer arbeite. Betroffen sah er sie an; er beantwortete ihre Frage und entfernte
sich dann schweigend. Von dieser Zeit an ging er ihr leise aus dem Wege und
konnte es um so eher, als Elisabeth sich zurückzog und selten in sein Atelier kam.

Der Sommer schritt weiter. Von den Wiesen, die waldumsäumt in der
Nähe des Hoff lagen, war das Heu eingefahren; nun begann die Roggenernte,
und der alte Verwalter fragte jeden Tag, ob der Herr Baron denn immer noch
nicht wiederkehre? Er hatte zwar seine Verhaltungsmaßregeln, aber es wäre ihm
lieber gewesen, nicht allein die Verantwortung zu tragen.

Heute sind es schon vier Wochen, daß Herr Baron verreist ist, und er
wollte nur acht Tage wegbleiben, sagte er mit leisem Vorwurf zu Elisabeth, der
er jeden Morgen Bericht erstattete.

Sie tröstete ihn mit freundlichen Worten. Gestern hatte Wolf gerade ge¬
schrieben, daß er sich nach der Heimkehr sehne, daß aber allerlei dringende Ge¬
schäfte ihn zurückhielten.

Er hatte eine Musterwirtschaft besucht, sich neumodische Milchkeller angesehen
und inzwischen Einkäufe gemacht. Elisabeth verstand es, gütig mit den Unter¬
gebnen zu verhandeln; als sich Herr Schröder zurückzog, war er entzückt von
seiner Herrin und über den Verbleib seines Herrn beruhigt. Als die junge Frau
aber wieder allein war, trat ein Zug ernste» Nachdenkens in ihr Gesicht. Sie konnte
es selbst nicht begreifen, daß ihr Mann so lange wegblieb, und wieder stieg etwas
in ihr auf, das sie mit leisem Groll erfüllte.

An diesem Abend stand Wolf unerwartet vor ihr. Er hatte sich auf der
Bahnstation einen Wagen genommen und schien sich zu freuen, wieder daheim zu
sein. Elisabeth brachte gerade ihren Jüngsten zur Ruhe, und der Baron nahm


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[0494] Die Klalmnkerstraße Melitta dachte an Betty Eberstein, die sie haßte, und daran, daß sie Asta Wolffen- radts Freundschaft vielleicht noch gebrauchen könne. Und in Astas Seele glühte nur noch ein Wunsch: doch noch zum Ziele zu kommen! 14 War es möglich, sich vom Dovenhof weg nach der Klabunkerstraße und der Paulinenterrasse, nach der freundlichen Frau Heinemann und nach der geräuschlosen Arbeit der Lehrerin und Vorleserin zu sehnen? Elisabeth schalt auf sich und ans ihre schwache Gesundheit, die sie reizbar und verstimmt machte und ihr das Leben schal erscheinen ließ. Sie hatte es ja gut auf dem Dovenhofe mit seinem stillen, ernsten Haus, mit dem Garten, mit den weiten Feldern, auf denen fleißige Menschen schafften, mit ihren Kindern, die sich so fröhlich entwickelten. Rüdeger streckte die Arme aus, wenn er seine Mutter sah; Jrmgcird begann ohne Fehler zu sprechen, und Jetta wurde sich schon der Stellung als älteste Tochter bewußt und erkundigte sich bei der Köchin, was ge¬ gessen werden sollte. Elisabeth aber konnte ihres Lebens nicht froh werden. Ihr fiel Asta mit ihrer kühlen Umständlichkeit auf die Nerven, und sie vermied es nach Möglichkeit, sie zu sehen. Ähnlich ging es ihr mit Melitta. Sie hatte nichts gegen das junge Mädchen; aber sie freute sich, wenn sie ihre Stimme nur in der Ferne hörte. Sie bewunderte ihre Schönheit und ihre Gewandtheit, aber sie hatte nicht das Bedürfnis, sie näher kennen zu lernen. Melitta mußte es nicht viel anders ergehn. Auch sie suchte niemals freiwillig die Gesellschaft der Gutsherrin auf; und es war immer Elsie, die mit Vorliebe bei der Tante saß. Über die Verlobung des jungen Mädchens mit dem Maler begann sich Elisabeth zu ärgern. Er erschien ihr zu gut für sie. Aber das Unheil war ge¬ schehen, und wenn Elisabeth Rosalie in gerührter Glückseligkeit einherwandern sah, dann hielt sie sich selbst für schlecht und bemühte sich, ein freundliches Wort an die Braut zu richten. Das war alles, wozu sie sich entschließen konnte; als Alois ihr einmal von selner Liebe, seinem Glück und seinen Zukunftsplänen vorschwärmte, unterbrach sie ihn ungeduldig und fragte nach den Bildern, an denen er noch immer arbeite. Betroffen sah er sie an; er beantwortete ihre Frage und entfernte sich dann schweigend. Von dieser Zeit an ging er ihr leise aus dem Wege und konnte es um so eher, als Elisabeth sich zurückzog und selten in sein Atelier kam. Der Sommer schritt weiter. Von den Wiesen, die waldumsäumt in der Nähe des Hoff lagen, war das Heu eingefahren; nun begann die Roggenernte, und der alte Verwalter fragte jeden Tag, ob der Herr Baron denn immer noch nicht wiederkehre? Er hatte zwar seine Verhaltungsmaßregeln, aber es wäre ihm lieber gewesen, nicht allein die Verantwortung zu tragen. Heute sind es schon vier Wochen, daß Herr Baron verreist ist, und er wollte nur acht Tage wegbleiben, sagte er mit leisem Vorwurf zu Elisabeth, der er jeden Morgen Bericht erstattete. Sie tröstete ihn mit freundlichen Worten. Gestern hatte Wolf gerade ge¬ schrieben, daß er sich nach der Heimkehr sehne, daß aber allerlei dringende Ge¬ schäfte ihn zurückhielten. Er hatte eine Musterwirtschaft besucht, sich neumodische Milchkeller angesehen und inzwischen Einkäufe gemacht. Elisabeth verstand es, gütig mit den Unter¬ gebnen zu verhandeln; als sich Herr Schröder zurückzog, war er entzückt von seiner Herrin und über den Verbleib seines Herrn beruhigt. Als die junge Frau aber wieder allein war, trat ein Zug ernste» Nachdenkens in ihr Gesicht. Sie konnte es selbst nicht begreifen, daß ihr Mann so lange wegblieb, und wieder stieg etwas in ihr auf, das sie mit leisem Groll erfüllte. An diesem Abend stand Wolf unerwartet vor ihr. Er hatte sich auf der Bahnstation einen Wagen genommen und schien sich zu freuen, wieder daheim zu sein. Elisabeth brachte gerade ihren Jüngsten zur Ruhe, und der Baron nahm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/494>, abgerufen am 05.05.2024.