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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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George Sand

sie konstatiert und sich gegenseitig versichert hatten, daß sie sozusagen die
Künstlerelite ausmachten, boten sie sich in dieser neuen Bundesform zur Rettung
der Ausstellung in Se. Louis an. Hier zeigt es sich wieder ganz klar, daß es
den Führern der Sezessionen nnr darauf ankommt, ihre persönlichen Sonder¬
interessen zu fördern, nicht aber etwa eine Lanze für die sezessionistische Kunst
zu brechen. Mit allen nur erdenklichen Mitteln haben sie die Genossen von
der ältern Kunstrichtung beiseite geschoben, unterdrückt, haben in der Presse
durch Selbstverherrlichung und durch schnöde Verulkung der "Überwundnen"
gewirkt, und gehn nun gar, wo es ihnen von persönlichem Nutzen erscheint,
gegen eine Reihe von eignen Parteigenossen mit offnem Visier vor. Der
Waldesboden deutscher Kunst ist gedüngt, ist übersättigt von Keimen der sich
immer selbst erneuernden Giftpilze, die mit ihren prachtvollen Farben die
Augen blenden. Immer neue Vereinigungen, neue Moden, neue Sezessionen
schießen über Nacht aus der Erde. Neu ist auch ein im "jüdischen Verlage"
zu Berlin erschienenes Werk: "Jüdische Künstler," das in einer ersten Serie
sechs jüdische Künstler, unter andern Liebermanu, verherrlicht, und das dazu
auffordert, ein bewußt jüdisches Publikum zu schaffen, das "seine" Künstler
kenne und bevorzuge. Nötig haben wir aber deutsche Kunst und deutsche
Künstler. Mit spezifisch englischen und französischen Kunstnachahmungen ist
der nationalen Kunst so wenig gedient, wie mit einer spezifisch jüdischen, wie
sie M. Büder, der Herausgeber der "jüdischen Künstler," erstrebt.

Vielleicht tragen diese Auseinandersetzungen dazu bei, daß die Herren Ver¬
treter im Reichstage nicht noch eine neue unbeabsichtigte Reklame für die Se-
zessionisten machen und sich lieber inzwischen die Dinge einmal genauer an¬
schauen, ehe sie künftighin wieder für deutsche Kunst eintreten müssen.

Daß die Kunstgenossenschaft bei Vertretung deutscher Kunst im Auslande
die geeignetste Einrichtung ist, ergibt sich aus ihrem langjährigen Bestehn und
aus ihren Zielen: die beste Vertretung der gesamten Künstlerschaft im Auslande
zu organisieren. Altdeutsch und unkünstlerisch ist die Sucht der Sezessionisten,
allerwege ihren Extratisch gedeckt finden zu wollen. Nur in einer gemeinsamen
Vorführung aller Kunstrichtungen liegt das Heil für die Vertretung deutschen
Friedrich w. Lckard Kunstschaffens.




George Sand
von in. I. Minckwitz (Schluß)

n den vierziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts reinigt das
revolutionäre Feuer des gewaltigen Staatsbrandes die Seele
George Sands von allerhand Schlacken. Allmählich bereitet sich
die ruhigere, sittlich gemäßigte Weltanschauung vor, die der viel-
TÄKSLZWW seitigen Entwicklung der kühnen Denkerin die Krone aufsetzt. In
dieser von sozialistischen Forderungen stark beeinflußten Übergangszeit hat sich
die wohlhabende, wenn nicht reiche Frau gelegentlich mit einem gewissen, /^IM^.'U/


George Sand

sie konstatiert und sich gegenseitig versichert hatten, daß sie sozusagen die
Künstlerelite ausmachten, boten sie sich in dieser neuen Bundesform zur Rettung
der Ausstellung in Se. Louis an. Hier zeigt es sich wieder ganz klar, daß es
den Führern der Sezessionen nnr darauf ankommt, ihre persönlichen Sonder¬
interessen zu fördern, nicht aber etwa eine Lanze für die sezessionistische Kunst
zu brechen. Mit allen nur erdenklichen Mitteln haben sie die Genossen von
der ältern Kunstrichtung beiseite geschoben, unterdrückt, haben in der Presse
durch Selbstverherrlichung und durch schnöde Verulkung der „Überwundnen"
gewirkt, und gehn nun gar, wo es ihnen von persönlichem Nutzen erscheint,
gegen eine Reihe von eignen Parteigenossen mit offnem Visier vor. Der
Waldesboden deutscher Kunst ist gedüngt, ist übersättigt von Keimen der sich
immer selbst erneuernden Giftpilze, die mit ihren prachtvollen Farben die
Augen blenden. Immer neue Vereinigungen, neue Moden, neue Sezessionen
schießen über Nacht aus der Erde. Neu ist auch ein im „jüdischen Verlage"
zu Berlin erschienenes Werk: „Jüdische Künstler," das in einer ersten Serie
sechs jüdische Künstler, unter andern Liebermanu, verherrlicht, und das dazu
auffordert, ein bewußt jüdisches Publikum zu schaffen, das „seine" Künstler
kenne und bevorzuge. Nötig haben wir aber deutsche Kunst und deutsche
Künstler. Mit spezifisch englischen und französischen Kunstnachahmungen ist
der nationalen Kunst so wenig gedient, wie mit einer spezifisch jüdischen, wie
sie M. Büder, der Herausgeber der „jüdischen Künstler," erstrebt.

Vielleicht tragen diese Auseinandersetzungen dazu bei, daß die Herren Ver¬
treter im Reichstage nicht noch eine neue unbeabsichtigte Reklame für die Se-
zessionisten machen und sich lieber inzwischen die Dinge einmal genauer an¬
schauen, ehe sie künftighin wieder für deutsche Kunst eintreten müssen.

Daß die Kunstgenossenschaft bei Vertretung deutscher Kunst im Auslande
die geeignetste Einrichtung ist, ergibt sich aus ihrem langjährigen Bestehn und
aus ihren Zielen: die beste Vertretung der gesamten Künstlerschaft im Auslande
zu organisieren. Altdeutsch und unkünstlerisch ist die Sucht der Sezessionisten,
allerwege ihren Extratisch gedeckt finden zu wollen. Nur in einer gemeinsamen
Vorführung aller Kunstrichtungen liegt das Heil für die Vertretung deutschen
Friedrich w. Lckard Kunstschaffens.




George Sand
von in. I. Minckwitz (Schluß)

n den vierziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts reinigt das
revolutionäre Feuer des gewaltigen Staatsbrandes die Seele
George Sands von allerhand Schlacken. Allmählich bereitet sich
die ruhigere, sittlich gemäßigte Weltanschauung vor, die der viel-
TÄKSLZWW seitigen Entwicklung der kühnen Denkerin die Krone aufsetzt. In
dieser von sozialistischen Forderungen stark beeinflußten Übergangszeit hat sich
die wohlhabende, wenn nicht reiche Frau gelegentlich mit einem gewissen, /^IM^.'U/


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[0534] George Sand sie konstatiert und sich gegenseitig versichert hatten, daß sie sozusagen die Künstlerelite ausmachten, boten sie sich in dieser neuen Bundesform zur Rettung der Ausstellung in Se. Louis an. Hier zeigt es sich wieder ganz klar, daß es den Führern der Sezessionen nnr darauf ankommt, ihre persönlichen Sonder¬ interessen zu fördern, nicht aber etwa eine Lanze für die sezessionistische Kunst zu brechen. Mit allen nur erdenklichen Mitteln haben sie die Genossen von der ältern Kunstrichtung beiseite geschoben, unterdrückt, haben in der Presse durch Selbstverherrlichung und durch schnöde Verulkung der „Überwundnen" gewirkt, und gehn nun gar, wo es ihnen von persönlichem Nutzen erscheint, gegen eine Reihe von eignen Parteigenossen mit offnem Visier vor. Der Waldesboden deutscher Kunst ist gedüngt, ist übersättigt von Keimen der sich immer selbst erneuernden Giftpilze, die mit ihren prachtvollen Farben die Augen blenden. Immer neue Vereinigungen, neue Moden, neue Sezessionen schießen über Nacht aus der Erde. Neu ist auch ein im „jüdischen Verlage" zu Berlin erschienenes Werk: „Jüdische Künstler," das in einer ersten Serie sechs jüdische Künstler, unter andern Liebermanu, verherrlicht, und das dazu auffordert, ein bewußt jüdisches Publikum zu schaffen, das „seine" Künstler kenne und bevorzuge. Nötig haben wir aber deutsche Kunst und deutsche Künstler. Mit spezifisch englischen und französischen Kunstnachahmungen ist der nationalen Kunst so wenig gedient, wie mit einer spezifisch jüdischen, wie sie M. Büder, der Herausgeber der „jüdischen Künstler," erstrebt. Vielleicht tragen diese Auseinandersetzungen dazu bei, daß die Herren Ver¬ treter im Reichstage nicht noch eine neue unbeabsichtigte Reklame für die Se- zessionisten machen und sich lieber inzwischen die Dinge einmal genauer an¬ schauen, ehe sie künftighin wieder für deutsche Kunst eintreten müssen. Daß die Kunstgenossenschaft bei Vertretung deutscher Kunst im Auslande die geeignetste Einrichtung ist, ergibt sich aus ihrem langjährigen Bestehn und aus ihren Zielen: die beste Vertretung der gesamten Künstlerschaft im Auslande zu organisieren. Altdeutsch und unkünstlerisch ist die Sucht der Sezessionisten, allerwege ihren Extratisch gedeckt finden zu wollen. Nur in einer gemeinsamen Vorführung aller Kunstrichtungen liegt das Heil für die Vertretung deutschen Friedrich w. Lckard Kunstschaffens. George Sand von in. I. Minckwitz (Schluß) n den vierziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts reinigt das revolutionäre Feuer des gewaltigen Staatsbrandes die Seele George Sands von allerhand Schlacken. Allmählich bereitet sich die ruhigere, sittlich gemäßigte Weltanschauung vor, die der viel- TÄKSLZWW seitigen Entwicklung der kühnen Denkerin die Krone aufsetzt. In dieser von sozialistischen Forderungen stark beeinflußten Übergangszeit hat sich die wohlhabende, wenn nicht reiche Frau gelegentlich mit einem gewissen, /^IM^.'U/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/534>, abgerufen am 06.05.2024.