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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Unmasse von Erzeugnissen verkörperten und vergegenständlichten Geistes ist, was
die Einzelpersönlichkeit zu erdrücken droht und sie reizt, sich wenigstens durch Ab¬
sonderlichkeiten geltend zu machen.

Theodor Petermann verfolgt in seiner Abhandlung über "die geistige
Bedeutung der Großstädte" die geistige Entwicklung Deutschlands von der Kloster¬
zelle bis in die Großstadt und stellt namentlich das Verhältnis des Buchdrucks, der
Presse und der Universitäten zu den Großstädten dar; er zeigt u. a., warum in
früherer Zeit die Hochschulen auch in kleinen Städten gedeihen konnten, hente aber
der Großstadt bedürfen. Es ist jedoch "kein Gefühl ungemischter Freude, mit der
man schließlich auf die Ansammlung so vieler geistiger Potenzen und Impotenzen
in den Großstädten Hinblicken kann. ... Die Großstadt ist zumeist eher eine Feindin
als eine Freundin der großen Originale, die sich dem landläufigen Mittelmaße nicht
einfügen wollen. Hat freilich eine nicht tot zu machende Kraft diesen Widerstand
überwunden, dann bietet ihr die Großstadt einen ungeheuern Resonanzboden."

Professor Dr. Dietrich Schäfer behandelt "die politische und militärische
Bedeutung der Großstädte." Er weist u. a. uach, daß der Konstitutionalismus noch
mehr konzentriert als der Absolutismus. Und ihm kommen auch noch die heutigen
Verkehrsanstalten zu Hilfe. Für den Großstädter, der ja die Politik macht, ist das
Land gar nicht mehr vorhanden. "Wenn man in einer der schönen süddeutschen
Universitätsstädte einen Studierenden fragt, was er denn auf der Hin- und Her¬
reise uach seiner Berliner oder Hamburger Heimat Schönes und Interessantes ge¬
sehen habe, erhält man in neun unter zehn Fällen die Antwort: was es denn da
zu sehen gebe? Die Reise wird in der Regel bei Nacht gemacht." Wenn be¬
schrieben wird, wie im modernen Europa die Hauptstädte die Politik machen, und
dann bemerkt wird, nur in England nicht, so hätte doch auch der Grund dieser
Ausnahme angegeben werden müssen. England ist eine aristokratische Republik mit
monarchischer Fayade. Es sind also die Landlords, die Fabrikanten und die Gro߬
händler, die die Politik machen. Von diesen drei Bestandteilen des herrschenden
Körpers residiert nur ein Teil des dritten in London, denn London ist keine Fabrik¬
stadt. Und es ist darum auch nicht sozialdemokratisch, denn der größte Teil seiner
untern Mittelstandschicht besteht aus Leute", die vom Handel ihr Brot haben; das
Lumpenproletariat über kommt politisch nicht in Betracht. Von England im allge¬
meinen wird gesagt, daß dort "eine grundsätzlich umstürzlerische Richtung trotz freier
Verfassung und noch freierer politischer Gewohnheiten in den vertretenden politischen
Körperhaften bis jetzt kaum zu Worte gekommen ist." Wir würden nicht trotz
sondern wegen geschrieben haben; selbstverständlich ist die freie Verfassung nicht die
einzige Ursache. Daß in Frankreich der Sozialismus, trotz Block (Sozialisten, die
Minister oder ministeriell werden, erleiden eine ähnliche Verwandlung wie ein
liberaler Kardinal, der Papst wird), schwächer ist als in Deutschland, erklärt sich,
was Schäfer nicht gehörig hervorhebt, aus dem Umstände, daß Frankreich mit seiner
stationären Bevölkerung immer noch mehr Agrarstaat als Industriestaat ist.


Anthropogenie.

Unsre Ansicht über Haeckel haben wir so oft und fo gründlich
ausgesprochen, daß wir nicht nötig haben, an das Erscheinen der vorliegenden zwei
prachtvoll ausgestatteten Bände (Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des
Menschen. Von Ernst Haeckel. Fünfte Auflage. Leipzig, Wilh. Engelmann, 1903).
die bei der Popularität des Verfassers reißenden Absatz finden werden, lange Er¬
örterungen zu knüpfen. Obwohl Laien in der Zoologie, vermögen wir doch die
Verdienste zu würdigen, die sich der eifrige Forscher um die Anatomie, Morphologie
und Biologie erworben hat, und sind ihm dankbar für die Aufdeckung des Zusammen¬
hangs der Keimesgeschichte mit einer zwar hypothetischen aber wahrscheinlichen
Stammesgeschichte. Dagegen bleiben wir dabei, daß die Beschreibung des Verlaufs
der Entwicklung noch keine Erklärung, die Erhebung der Naturwissenschaft zur
Naturphilosophie zwar ein Verdienst, die Verachtung der sich bescheiden aus exakte


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Unmasse von Erzeugnissen verkörperten und vergegenständlichten Geistes ist, was
die Einzelpersönlichkeit zu erdrücken droht und sie reizt, sich wenigstens durch Ab¬
sonderlichkeiten geltend zu machen.

Theodor Petermann verfolgt in seiner Abhandlung über „die geistige
Bedeutung der Großstädte" die geistige Entwicklung Deutschlands von der Kloster¬
zelle bis in die Großstadt und stellt namentlich das Verhältnis des Buchdrucks, der
Presse und der Universitäten zu den Großstädten dar; er zeigt u. a., warum in
früherer Zeit die Hochschulen auch in kleinen Städten gedeihen konnten, hente aber
der Großstadt bedürfen. Es ist jedoch „kein Gefühl ungemischter Freude, mit der
man schließlich auf die Ansammlung so vieler geistiger Potenzen und Impotenzen
in den Großstädten Hinblicken kann. ... Die Großstadt ist zumeist eher eine Feindin
als eine Freundin der großen Originale, die sich dem landläufigen Mittelmaße nicht
einfügen wollen. Hat freilich eine nicht tot zu machende Kraft diesen Widerstand
überwunden, dann bietet ihr die Großstadt einen ungeheuern Resonanzboden."

Professor Dr. Dietrich Schäfer behandelt „die politische und militärische
Bedeutung der Großstädte." Er weist u. a. uach, daß der Konstitutionalismus noch
mehr konzentriert als der Absolutismus. Und ihm kommen auch noch die heutigen
Verkehrsanstalten zu Hilfe. Für den Großstädter, der ja die Politik macht, ist das
Land gar nicht mehr vorhanden. „Wenn man in einer der schönen süddeutschen
Universitätsstädte einen Studierenden fragt, was er denn auf der Hin- und Her¬
reise uach seiner Berliner oder Hamburger Heimat Schönes und Interessantes ge¬
sehen habe, erhält man in neun unter zehn Fällen die Antwort: was es denn da
zu sehen gebe? Die Reise wird in der Regel bei Nacht gemacht." Wenn be¬
schrieben wird, wie im modernen Europa die Hauptstädte die Politik machen, und
dann bemerkt wird, nur in England nicht, so hätte doch auch der Grund dieser
Ausnahme angegeben werden müssen. England ist eine aristokratische Republik mit
monarchischer Fayade. Es sind also die Landlords, die Fabrikanten und die Gro߬
händler, die die Politik machen. Von diesen drei Bestandteilen des herrschenden
Körpers residiert nur ein Teil des dritten in London, denn London ist keine Fabrik¬
stadt. Und es ist darum auch nicht sozialdemokratisch, denn der größte Teil seiner
untern Mittelstandschicht besteht aus Leute», die vom Handel ihr Brot haben; das
Lumpenproletariat über kommt politisch nicht in Betracht. Von England im allge¬
meinen wird gesagt, daß dort „eine grundsätzlich umstürzlerische Richtung trotz freier
Verfassung und noch freierer politischer Gewohnheiten in den vertretenden politischen
Körperhaften bis jetzt kaum zu Worte gekommen ist." Wir würden nicht trotz
sondern wegen geschrieben haben; selbstverständlich ist die freie Verfassung nicht die
einzige Ursache. Daß in Frankreich der Sozialismus, trotz Block (Sozialisten, die
Minister oder ministeriell werden, erleiden eine ähnliche Verwandlung wie ein
liberaler Kardinal, der Papst wird), schwächer ist als in Deutschland, erklärt sich,
was Schäfer nicht gehörig hervorhebt, aus dem Umstände, daß Frankreich mit seiner
stationären Bevölkerung immer noch mehr Agrarstaat als Industriestaat ist.


Anthropogenie.

Unsre Ansicht über Haeckel haben wir so oft und fo gründlich
ausgesprochen, daß wir nicht nötig haben, an das Erscheinen der vorliegenden zwei
prachtvoll ausgestatteten Bände (Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des
Menschen. Von Ernst Haeckel. Fünfte Auflage. Leipzig, Wilh. Engelmann, 1903).
die bei der Popularität des Verfassers reißenden Absatz finden werden, lange Er¬
örterungen zu knüpfen. Obwohl Laien in der Zoologie, vermögen wir doch die
Verdienste zu würdigen, die sich der eifrige Forscher um die Anatomie, Morphologie
und Biologie erworben hat, und sind ihm dankbar für die Aufdeckung des Zusammen¬
hangs der Keimesgeschichte mit einer zwar hypothetischen aber wahrscheinlichen
Stammesgeschichte. Dagegen bleiben wir dabei, daß die Beschreibung des Verlaufs
der Entwicklung noch keine Erklärung, die Erhebung der Naturwissenschaft zur
Naturphilosophie zwar ein Verdienst, die Verachtung der sich bescheiden aus exakte


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[0625] Maßgebliches und Unmaßgebliches Unmasse von Erzeugnissen verkörperten und vergegenständlichten Geistes ist, was die Einzelpersönlichkeit zu erdrücken droht und sie reizt, sich wenigstens durch Ab¬ sonderlichkeiten geltend zu machen. Theodor Petermann verfolgt in seiner Abhandlung über „die geistige Bedeutung der Großstädte" die geistige Entwicklung Deutschlands von der Kloster¬ zelle bis in die Großstadt und stellt namentlich das Verhältnis des Buchdrucks, der Presse und der Universitäten zu den Großstädten dar; er zeigt u. a., warum in früherer Zeit die Hochschulen auch in kleinen Städten gedeihen konnten, hente aber der Großstadt bedürfen. Es ist jedoch „kein Gefühl ungemischter Freude, mit der man schließlich auf die Ansammlung so vieler geistiger Potenzen und Impotenzen in den Großstädten Hinblicken kann. ... Die Großstadt ist zumeist eher eine Feindin als eine Freundin der großen Originale, die sich dem landläufigen Mittelmaße nicht einfügen wollen. Hat freilich eine nicht tot zu machende Kraft diesen Widerstand überwunden, dann bietet ihr die Großstadt einen ungeheuern Resonanzboden." Professor Dr. Dietrich Schäfer behandelt „die politische und militärische Bedeutung der Großstädte." Er weist u. a. uach, daß der Konstitutionalismus noch mehr konzentriert als der Absolutismus. Und ihm kommen auch noch die heutigen Verkehrsanstalten zu Hilfe. Für den Großstädter, der ja die Politik macht, ist das Land gar nicht mehr vorhanden. „Wenn man in einer der schönen süddeutschen Universitätsstädte einen Studierenden fragt, was er denn auf der Hin- und Her¬ reise uach seiner Berliner oder Hamburger Heimat Schönes und Interessantes ge¬ sehen habe, erhält man in neun unter zehn Fällen die Antwort: was es denn da zu sehen gebe? Die Reise wird in der Regel bei Nacht gemacht." Wenn be¬ schrieben wird, wie im modernen Europa die Hauptstädte die Politik machen, und dann bemerkt wird, nur in England nicht, so hätte doch auch der Grund dieser Ausnahme angegeben werden müssen. England ist eine aristokratische Republik mit monarchischer Fayade. Es sind also die Landlords, die Fabrikanten und die Gro߬ händler, die die Politik machen. Von diesen drei Bestandteilen des herrschenden Körpers residiert nur ein Teil des dritten in London, denn London ist keine Fabrik¬ stadt. Und es ist darum auch nicht sozialdemokratisch, denn der größte Teil seiner untern Mittelstandschicht besteht aus Leute», die vom Handel ihr Brot haben; das Lumpenproletariat über kommt politisch nicht in Betracht. Von England im allge¬ meinen wird gesagt, daß dort „eine grundsätzlich umstürzlerische Richtung trotz freier Verfassung und noch freierer politischer Gewohnheiten in den vertretenden politischen Körperhaften bis jetzt kaum zu Worte gekommen ist." Wir würden nicht trotz sondern wegen geschrieben haben; selbstverständlich ist die freie Verfassung nicht die einzige Ursache. Daß in Frankreich der Sozialismus, trotz Block (Sozialisten, die Minister oder ministeriell werden, erleiden eine ähnliche Verwandlung wie ein liberaler Kardinal, der Papst wird), schwächer ist als in Deutschland, erklärt sich, was Schäfer nicht gehörig hervorhebt, aus dem Umstände, daß Frankreich mit seiner stationären Bevölkerung immer noch mehr Agrarstaat als Industriestaat ist. Anthropogenie. Unsre Ansicht über Haeckel haben wir so oft und fo gründlich ausgesprochen, daß wir nicht nötig haben, an das Erscheinen der vorliegenden zwei prachtvoll ausgestatteten Bände (Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen. Von Ernst Haeckel. Fünfte Auflage. Leipzig, Wilh. Engelmann, 1903). die bei der Popularität des Verfassers reißenden Absatz finden werden, lange Er¬ örterungen zu knüpfen. Obwohl Laien in der Zoologie, vermögen wir doch die Verdienste zu würdigen, die sich der eifrige Forscher um die Anatomie, Morphologie und Biologie erworben hat, und sind ihm dankbar für die Aufdeckung des Zusammen¬ hangs der Keimesgeschichte mit einer zwar hypothetischen aber wahrscheinlichen Stammesgeschichte. Dagegen bleiben wir dabei, daß die Beschreibung des Verlaufs der Entwicklung noch keine Erklärung, die Erhebung der Naturwissenschaft zur Naturphilosophie zwar ein Verdienst, die Verachtung der sich bescheiden aus exakte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/625>, abgerufen am 06.05.2024.