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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Zwei Seele"

gäugern und Nachfolgern verschonte er auch die Lutheraner, die sonst in dieser
Beziehung immer Stiefkinder der preußischen Toleranz gewesen sind, mit eigen¬
mächtigen Änderungen im Ritus; Friedrich Wilhelm der Erste hatte solche in
der Absicht, den Unterschied der beiden protestantischen Kirchen auszugleichen,
befohlen; unbedenklich erlaubte Friedrich den Lutheranern auf ihre Bitte wieder
die sogenannten "Mitteldinge" (z. B. das Singen am Altar in der Liturgie,
Lichter beim Abendmahl und ähnliches). Den Katholiken gegenüber hielt der
König peinlich genau die Bestimmungen des Breslauer Friedens, wonach der
katholischen Kirche in Schlesien der volle Besitzstand an Gebäuden und nutz¬
baren Rechten gewahrt blieb. Sie behielten die Kirchen, die sie ehedem den
Protestanten genommen hatten, sogar in Orten, wo Pfarrer und Sakristan die
einzigen Katholiken waren. In Berlin aber regte der König selbst den Bau einer
würdigen katholischen Kirche an; so entstand die Hedwigskirche, ein stattlicher
Kuppelbau, zu dem der König reichlich Geld beisteuerte. So hatten sich die
Dinge und Menschen in Deutschland gegenüber den Zeiten der Gegenreformation
geändert, wo der berüchtigte Satz: ouius rs^lo, vins rsti^in", galt.

(Schluß folgt)




Zwei Seelen

s wäre eine anziehende Aufgabe, psychologisch und historisch
wagend der Namcuwahl in Leben und Dichtung nachzugehn.
Warum nennen Eltern ein Kind so und nicht anders? Und
warum nennt der Dichter das Werk seiner Seele, die Gestalt
seiner Phantasie mit diesem Namen und nicht mit jenem? Warum
vollends kehren bestimmte Namen immer wieder und heften sich, Gluck, Unheil
oder Eigentümlichkeit geleitend, an die Sohlen immer neuer Träger? -- Wer
^ Buch einmal schreibt, wird vielleicht das längste Kapitel demi Namen
Heinrich widmen müssen. Da werden sie einherschreiten, die deutschen Könige,
dem, der am Vogelherd die hohe Berufung erhalten haben soll, bis zu
echtesten Verkörperer hohenstaufischer Sehnsucht. Heinrich von Navarra
^ud die lange Reihe der englischen Heinriche rücken an, jeder eine besondre
estait, viele eines Dichters wert, und unsterblich, die ihn wirklich fanden.
^ ^ Romantik lockt und webt um Heinrich den Seefahrer und um den Bruder
großen Preußenkönigs, den Prinzen, dessen Gestalt heute noch ein ebenso
k'gentümliches Helldunkel umgibt wie den großen Hochmeister Heinrich Reuß
Plauen. '

, Hat die Ungewöhnlichkeit, die Größe und die Seltsamkeit so vieler Namens-
>^ger die Dichter und vor ihnen die namenlosen Sänger der Sagen gereizt,
""ner wieder für die Gestalten den Namen Heinrich zu wählen, denen sie
eiondres einzugeheimnisscn gedachten? Oder warum sonst finden wir in
^rrn Hartmanns Gedicht so gut wie in der Tannhäusersage diesen Namen,


Zwei Seele»

gäugern und Nachfolgern verschonte er auch die Lutheraner, die sonst in dieser
Beziehung immer Stiefkinder der preußischen Toleranz gewesen sind, mit eigen¬
mächtigen Änderungen im Ritus; Friedrich Wilhelm der Erste hatte solche in
der Absicht, den Unterschied der beiden protestantischen Kirchen auszugleichen,
befohlen; unbedenklich erlaubte Friedrich den Lutheranern auf ihre Bitte wieder
die sogenannten „Mitteldinge" (z. B. das Singen am Altar in der Liturgie,
Lichter beim Abendmahl und ähnliches). Den Katholiken gegenüber hielt der
König peinlich genau die Bestimmungen des Breslauer Friedens, wonach der
katholischen Kirche in Schlesien der volle Besitzstand an Gebäuden und nutz¬
baren Rechten gewahrt blieb. Sie behielten die Kirchen, die sie ehedem den
Protestanten genommen hatten, sogar in Orten, wo Pfarrer und Sakristan die
einzigen Katholiken waren. In Berlin aber regte der König selbst den Bau einer
würdigen katholischen Kirche an; so entstand die Hedwigskirche, ein stattlicher
Kuppelbau, zu dem der König reichlich Geld beisteuerte. So hatten sich die
Dinge und Menschen in Deutschland gegenüber den Zeiten der Gegenreformation
geändert, wo der berüchtigte Satz: ouius rs^lo, vins rsti^in», galt.

(Schluß folgt)




Zwei Seelen

s wäre eine anziehende Aufgabe, psychologisch und historisch
wagend der Namcuwahl in Leben und Dichtung nachzugehn.
Warum nennen Eltern ein Kind so und nicht anders? Und
warum nennt der Dichter das Werk seiner Seele, die Gestalt
seiner Phantasie mit diesem Namen und nicht mit jenem? Warum
vollends kehren bestimmte Namen immer wieder und heften sich, Gluck, Unheil
oder Eigentümlichkeit geleitend, an die Sohlen immer neuer Träger? — Wer
^ Buch einmal schreibt, wird vielleicht das längste Kapitel demi Namen
Heinrich widmen müssen. Da werden sie einherschreiten, die deutschen Könige,
dem, der am Vogelherd die hohe Berufung erhalten haben soll, bis zu
echtesten Verkörperer hohenstaufischer Sehnsucht. Heinrich von Navarra
^ud die lange Reihe der englischen Heinriche rücken an, jeder eine besondre
estait, viele eines Dichters wert, und unsterblich, die ihn wirklich fanden.
^ ^ Romantik lockt und webt um Heinrich den Seefahrer und um den Bruder
großen Preußenkönigs, den Prinzen, dessen Gestalt heute noch ein ebenso
k'gentümliches Helldunkel umgibt wie den großen Hochmeister Heinrich Reuß
Plauen. '

, Hat die Ungewöhnlichkeit, die Größe und die Seltsamkeit so vieler Namens-
>^ger die Dichter und vor ihnen die namenlosen Sänger der Sagen gereizt,
""ner wieder für die Gestalten den Namen Heinrich zu wählen, denen sie
eiondres einzugeheimnisscn gedachten? Oder warum sonst finden wir in
^rrn Hartmanns Gedicht so gut wie in der Tannhäusersage diesen Namen,


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[0343] Zwei Seele» gäugern und Nachfolgern verschonte er auch die Lutheraner, die sonst in dieser Beziehung immer Stiefkinder der preußischen Toleranz gewesen sind, mit eigen¬ mächtigen Änderungen im Ritus; Friedrich Wilhelm der Erste hatte solche in der Absicht, den Unterschied der beiden protestantischen Kirchen auszugleichen, befohlen; unbedenklich erlaubte Friedrich den Lutheranern auf ihre Bitte wieder die sogenannten „Mitteldinge" (z. B. das Singen am Altar in der Liturgie, Lichter beim Abendmahl und ähnliches). Den Katholiken gegenüber hielt der König peinlich genau die Bestimmungen des Breslauer Friedens, wonach der katholischen Kirche in Schlesien der volle Besitzstand an Gebäuden und nutz¬ baren Rechten gewahrt blieb. Sie behielten die Kirchen, die sie ehedem den Protestanten genommen hatten, sogar in Orten, wo Pfarrer und Sakristan die einzigen Katholiken waren. In Berlin aber regte der König selbst den Bau einer würdigen katholischen Kirche an; so entstand die Hedwigskirche, ein stattlicher Kuppelbau, zu dem der König reichlich Geld beisteuerte. So hatten sich die Dinge und Menschen in Deutschland gegenüber den Zeiten der Gegenreformation geändert, wo der berüchtigte Satz: ouius rs^lo, vins rsti^in», galt. (Schluß folgt) Zwei Seelen s wäre eine anziehende Aufgabe, psychologisch und historisch wagend der Namcuwahl in Leben und Dichtung nachzugehn. Warum nennen Eltern ein Kind so und nicht anders? Und warum nennt der Dichter das Werk seiner Seele, die Gestalt seiner Phantasie mit diesem Namen und nicht mit jenem? Warum vollends kehren bestimmte Namen immer wieder und heften sich, Gluck, Unheil oder Eigentümlichkeit geleitend, an die Sohlen immer neuer Träger? — Wer ^ Buch einmal schreibt, wird vielleicht das längste Kapitel demi Namen Heinrich widmen müssen. Da werden sie einherschreiten, die deutschen Könige, dem, der am Vogelherd die hohe Berufung erhalten haben soll, bis zu echtesten Verkörperer hohenstaufischer Sehnsucht. Heinrich von Navarra ^ud die lange Reihe der englischen Heinriche rücken an, jeder eine besondre estait, viele eines Dichters wert, und unsterblich, die ihn wirklich fanden. ^ ^ Romantik lockt und webt um Heinrich den Seefahrer und um den Bruder großen Preußenkönigs, den Prinzen, dessen Gestalt heute noch ein ebenso k'gentümliches Helldunkel umgibt wie den großen Hochmeister Heinrich Reuß Plauen. ' , Hat die Ungewöhnlichkeit, die Größe und die Seltsamkeit so vieler Namens- >^ger die Dichter und vor ihnen die namenlosen Sänger der Sagen gereizt, ""ner wieder für die Gestalten den Namen Heinrich zu wählen, denen sie eiondres einzugeheimnisscn gedachten? Oder warum sonst finden wir in ^rrn Hartmanns Gedicht so gut wie in der Tannhäusersage diesen Namen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/343>, abgerufen am 03.05.2024.