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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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N?ar Vctavio Oiccolomini der Verräter Wallensteins?

teilung für Domänen und Steuern unter zwei Ministerien, und beide haben
neben der Regierung in Generalkommissionen und Provinzialsteuerdirektioncn
einen zweiten losgelösten provinzialen Behördenapparat unter sich. Unter dem
Handelsminister stehn die Oberbergämter, unter dem Minister der öffentlichen
Arbeiten die Eisenbahndirektionen, aber sie alle und mit ihnen der Kultus¬
minister, dessen Hauptressort die Regierungsabteilungen für Schulwesen, die
Provinzialschulkollegien und die Konsistorien der neuen Landesteile ausmachen,
sie alle haben doch ein so ausgedehntes Feld der Wirksamkeit auch bis in die
Prüsidialsachen der Regierungen, die frühere Abteilung des Innern, hinein, daß
diese in der Hauptsache keineswegs mehr den Anblick eines Organs des
Ministeriums des Innern bietet. Sogar an das Kriegs-, das Justiz- und das
Ministerium des Auswärtigen hat mancher Dezernent in Präsidialsachen einen
Bericht zu entwerfen mitunter Gelegenheit.

(Fortsetzung folgt)




War Gctavio piccolomini der Verräter Wallensteins?
Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs
zu Nachod V. Elster, vrinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von(Schluß)

an darf sich bei der Beurteilung historischer Vorgänge nicht durch
sentimentale Sympathien oder Antipathien beeinflussen lassen. Ge¬
wiß muß man das Schicksal Wallensteins tragisch nennen, gewiß
kann man in deutschnationalem Sinne beklagen, daß es ihm
nicht gelungen ist, Deutschland den Frieden in politischer und in
religiöser Beziehung zurückzugeben, gewiß ist aber auch, daß er sich mit seinen
Plänen in Gegensatz zu der am kaiserlichen Hofe geltenden Politik stellte und
dadurch sein tragisches Geschick heraufbeschwor, dessen Grausamkeit unsers Tr¬
achtens weder vom Kaiser noch von den an der Spitze des antiwallensteinischen
Teiles des Heeres stehenden Generalen -- namentlich Gallas und Piccolomini --
gewollt wurde. Man wollte sich nur Wallensteins bemächtigen und ihn in
sichern Gewahrsam bringen, damit man ihm dann den Prozeß machen könnte.GüXM

Und damit kommen wir auf die Frage, ob von den antiwallensteinischen
Generalen -- namentlich von Piccolomini -- die richtigen Mittel zur Erreichung
ihres Zwecks angewandt wurden.

Richtig und der kaiserlichen Würde angemessen wäre es gewesen, offen und
ehrlich die Absetzung Wallensteins und dessen Verhaftung dem Heere zu ver¬
künden und die Durchführung dieser Maßregel dem Nachfolger Wallensteins im
Kommando -- dem Grafen Gallas vielleicht -- aufzutragen. So würde man
heute ohne Zweifel mit einem frondierenden General verfahren. Aber man denke
auch an die Episode des Generals von Steinmetz im deutsch-französischen Kriege,


N?ar Vctavio Oiccolomini der Verräter Wallensteins?

teilung für Domänen und Steuern unter zwei Ministerien, und beide haben
neben der Regierung in Generalkommissionen und Provinzialsteuerdirektioncn
einen zweiten losgelösten provinzialen Behördenapparat unter sich. Unter dem
Handelsminister stehn die Oberbergämter, unter dem Minister der öffentlichen
Arbeiten die Eisenbahndirektionen, aber sie alle und mit ihnen der Kultus¬
minister, dessen Hauptressort die Regierungsabteilungen für Schulwesen, die
Provinzialschulkollegien und die Konsistorien der neuen Landesteile ausmachen,
sie alle haben doch ein so ausgedehntes Feld der Wirksamkeit auch bis in die
Prüsidialsachen der Regierungen, die frühere Abteilung des Innern, hinein, daß
diese in der Hauptsache keineswegs mehr den Anblick eines Organs des
Ministeriums des Innern bietet. Sogar an das Kriegs-, das Justiz- und das
Ministerium des Auswärtigen hat mancher Dezernent in Präsidialsachen einen
Bericht zu entwerfen mitunter Gelegenheit.

(Fortsetzung folgt)




War Gctavio piccolomini der Verräter Wallensteins?
Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs
zu Nachod V. Elster, vrinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von(Schluß)

an darf sich bei der Beurteilung historischer Vorgänge nicht durch
sentimentale Sympathien oder Antipathien beeinflussen lassen. Ge¬
wiß muß man das Schicksal Wallensteins tragisch nennen, gewiß
kann man in deutschnationalem Sinne beklagen, daß es ihm
nicht gelungen ist, Deutschland den Frieden in politischer und in
religiöser Beziehung zurückzugeben, gewiß ist aber auch, daß er sich mit seinen
Plänen in Gegensatz zu der am kaiserlichen Hofe geltenden Politik stellte und
dadurch sein tragisches Geschick heraufbeschwor, dessen Grausamkeit unsers Tr¬
achtens weder vom Kaiser noch von den an der Spitze des antiwallensteinischen
Teiles des Heeres stehenden Generalen — namentlich Gallas und Piccolomini —
gewollt wurde. Man wollte sich nur Wallensteins bemächtigen und ihn in
sichern Gewahrsam bringen, damit man ihm dann den Prozeß machen könnte.GüXM

Und damit kommen wir auf die Frage, ob von den antiwallensteinischen
Generalen — namentlich von Piccolomini — die richtigen Mittel zur Erreichung
ihres Zwecks angewandt wurden.

Richtig und der kaiserlichen Würde angemessen wäre es gewesen, offen und
ehrlich die Absetzung Wallensteins und dessen Verhaftung dem Heere zu ver¬
künden und die Durchführung dieser Maßregel dem Nachfolger Wallensteins im
Kommando — dem Grafen Gallas vielleicht — aufzutragen. So würde man
heute ohne Zweifel mit einem frondierenden General verfahren. Aber man denke
auch an die Episode des Generals von Steinmetz im deutsch-französischen Kriege,


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[0519] N?ar Vctavio Oiccolomini der Verräter Wallensteins? teilung für Domänen und Steuern unter zwei Ministerien, und beide haben neben der Regierung in Generalkommissionen und Provinzialsteuerdirektioncn einen zweiten losgelösten provinzialen Behördenapparat unter sich. Unter dem Handelsminister stehn die Oberbergämter, unter dem Minister der öffentlichen Arbeiten die Eisenbahndirektionen, aber sie alle und mit ihnen der Kultus¬ minister, dessen Hauptressort die Regierungsabteilungen für Schulwesen, die Provinzialschulkollegien und die Konsistorien der neuen Landesteile ausmachen, sie alle haben doch ein so ausgedehntes Feld der Wirksamkeit auch bis in die Prüsidialsachen der Regierungen, die frühere Abteilung des Innern, hinein, daß diese in der Hauptsache keineswegs mehr den Anblick eines Organs des Ministeriums des Innern bietet. Sogar an das Kriegs-, das Justiz- und das Ministerium des Auswärtigen hat mancher Dezernent in Präsidialsachen einen Bericht zu entwerfen mitunter Gelegenheit. (Fortsetzung folgt) War Gctavio piccolomini der Verräter Wallensteins? Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs zu Nachod V. Elster, vrinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von(Schluß) an darf sich bei der Beurteilung historischer Vorgänge nicht durch sentimentale Sympathien oder Antipathien beeinflussen lassen. Ge¬ wiß muß man das Schicksal Wallensteins tragisch nennen, gewiß kann man in deutschnationalem Sinne beklagen, daß es ihm nicht gelungen ist, Deutschland den Frieden in politischer und in religiöser Beziehung zurückzugeben, gewiß ist aber auch, daß er sich mit seinen Plänen in Gegensatz zu der am kaiserlichen Hofe geltenden Politik stellte und dadurch sein tragisches Geschick heraufbeschwor, dessen Grausamkeit unsers Tr¬ achtens weder vom Kaiser noch von den an der Spitze des antiwallensteinischen Teiles des Heeres stehenden Generalen — namentlich Gallas und Piccolomini — gewollt wurde. Man wollte sich nur Wallensteins bemächtigen und ihn in sichern Gewahrsam bringen, damit man ihm dann den Prozeß machen könnte.GüXM Und damit kommen wir auf die Frage, ob von den antiwallensteinischen Generalen — namentlich von Piccolomini — die richtigen Mittel zur Erreichung ihres Zwecks angewandt wurden. Richtig und der kaiserlichen Würde angemessen wäre es gewesen, offen und ehrlich die Absetzung Wallensteins und dessen Verhaftung dem Heere zu ver¬ künden und die Durchführung dieser Maßregel dem Nachfolger Wallensteins im Kommando — dem Grafen Gallas vielleicht — aufzutragen. So würde man heute ohne Zweifel mit einem frondierenden General verfahren. Aber man denke auch an die Episode des Generals von Steinmetz im deutsch-französischen Kriege,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/519>, abgerufen am 03.05.2024.