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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutsch en Rüste

rührt, noch peinlicher freilich der Ausgang des Grenzstreites in Alaska. Die
Hafenplätze, die den Zugang zu dem unwirtlichen Goldgebiete Kanadas, zu
Klondyke, vermitteln, liegen in der schmalen Außenzone der Vereinigten Staaten,
die sich von Alaska vor dem kanadischen Gebiete nach Süden langgestreckt
hinzieht. Lange schon bestand hier zwischen den beiden Ländern ein Grenz¬
streit, bei dem es Kanada natürlich darauf ankam, den Meereszugang zu
Klondyke freizubekommen. Es wurde ein Schiedsgericht eingesetzt, bestehend aus
zwei Amerikanern, zwei Kanadiern und einem Engländer. Dadurch, daß sich
der Engländer auf die Seite der Schiedsrichter der Vereinigten Staaten stellte,
kam ein Kanada ungünstiger Schiedsspruch heraus, der natürlich in Kanada
eine lebhafte Mißstimmung gegen das Mutterland England erregte und die
Amerikapartei Kanadas verstärkte.

Wenn auch im allgemeinen bisher Kanada seine Zugehörigkeit zu England
immer anerkannte und sogar bei der Kündigung des deutschen und des belgischen
Handelsvertrags in einer für das Mutterland gar nicht sehr angenehmen Weise
äußerte, so waren diese Vorgänge doch Wasser auf die Mühle der Partei, die
den Anschluß Kanadas an die Vereinigten Staaten vertritt oder doch mindestens
eine unbedingte Autonomie Kanadas herbeiwünscht. Und man braucht sich nur
einmal die breite Landgrenze anzusehen, mit der beide Länder aneinanderstoßen,
eine Landgrenze, die gar nicht verteidigt werden kann, man braucht nur an die
Interessengemeinschaft zu denken, die beide Völker an dem großen Seegebiete
haben, und man wird einsehen, daß diese Amerikanerpartei früher wie heute
ihre Beweisführung auf recht greifbaren und soliden Unterlagen aufgebaut hat.
Wenn auch die Gefahren für das englische Weltreich hier mehr unter der
Oberfläche schlummern und nicht unmittelbar zu Konflikten zu führen scheinen,
so genügt doch ihr Vorhandensein, die Engländer seit Jahren mit einer gewissen
B (Fortsetzung folgt) esorgnis zu erfüllen.




Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Kenner in München von

eher unsern Inseln ist es für die Mehrzahl der binnenländischen
Deutschen noch nicht lange Tag geworden. Kosegartens und
Arndts Schilderungen von der Insel Rügen, BiernatM Hallig.
Storms Halligfahrt und andre trotz ihrer Schönheit treue Bilder
von unsrer Küste vermochten die Nebelschicht nicht zu zerstreuen,
die dem Mitteldeutschen und dem Süddeutschen die Schwestern Thules ver¬
barg. Lange blieb die Phantasie die einzige sehende Kraft, womit wir Binnen¬
länder ein Bild des Meeressaumes unsrer Heimat gewannen. Der Phantasie
ist es jedoch eigen, daß sie die Formen und die Farben für ihre Bilder gern
beim Märchen und bei der Sage entlehnt.


Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutsch en Rüste

rührt, noch peinlicher freilich der Ausgang des Grenzstreites in Alaska. Die
Hafenplätze, die den Zugang zu dem unwirtlichen Goldgebiete Kanadas, zu
Klondyke, vermitteln, liegen in der schmalen Außenzone der Vereinigten Staaten,
die sich von Alaska vor dem kanadischen Gebiete nach Süden langgestreckt
hinzieht. Lange schon bestand hier zwischen den beiden Ländern ein Grenz¬
streit, bei dem es Kanada natürlich darauf ankam, den Meereszugang zu
Klondyke freizubekommen. Es wurde ein Schiedsgericht eingesetzt, bestehend aus
zwei Amerikanern, zwei Kanadiern und einem Engländer. Dadurch, daß sich
der Engländer auf die Seite der Schiedsrichter der Vereinigten Staaten stellte,
kam ein Kanada ungünstiger Schiedsspruch heraus, der natürlich in Kanada
eine lebhafte Mißstimmung gegen das Mutterland England erregte und die
Amerikapartei Kanadas verstärkte.

Wenn auch im allgemeinen bisher Kanada seine Zugehörigkeit zu England
immer anerkannte und sogar bei der Kündigung des deutschen und des belgischen
Handelsvertrags in einer für das Mutterland gar nicht sehr angenehmen Weise
äußerte, so waren diese Vorgänge doch Wasser auf die Mühle der Partei, die
den Anschluß Kanadas an die Vereinigten Staaten vertritt oder doch mindestens
eine unbedingte Autonomie Kanadas herbeiwünscht. Und man braucht sich nur
einmal die breite Landgrenze anzusehen, mit der beide Länder aneinanderstoßen,
eine Landgrenze, die gar nicht verteidigt werden kann, man braucht nur an die
Interessengemeinschaft zu denken, die beide Völker an dem großen Seegebiete
haben, und man wird einsehen, daß diese Amerikanerpartei früher wie heute
ihre Beweisführung auf recht greifbaren und soliden Unterlagen aufgebaut hat.
Wenn auch die Gefahren für das englische Weltreich hier mehr unter der
Oberfläche schlummern und nicht unmittelbar zu Konflikten zu führen scheinen,
so genügt doch ihr Vorhandensein, die Engländer seit Jahren mit einer gewissen
B (Fortsetzung folgt) esorgnis zu erfüllen.




Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Kenner in München von

eher unsern Inseln ist es für die Mehrzahl der binnenländischen
Deutschen noch nicht lange Tag geworden. Kosegartens und
Arndts Schilderungen von der Insel Rügen, BiernatM Hallig.
Storms Halligfahrt und andre trotz ihrer Schönheit treue Bilder
von unsrer Küste vermochten die Nebelschicht nicht zu zerstreuen,
die dem Mitteldeutschen und dem Süddeutschen die Schwestern Thules ver¬
barg. Lange blieb die Phantasie die einzige sehende Kraft, womit wir Binnen¬
länder ein Bild des Meeressaumes unsrer Heimat gewannen. Der Phantasie
ist es jedoch eigen, daß sie die Formen und die Farben für ihre Bilder gern
beim Märchen und bei der Sage entlehnt.


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[0259] Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutsch en Rüste rührt, noch peinlicher freilich der Ausgang des Grenzstreites in Alaska. Die Hafenplätze, die den Zugang zu dem unwirtlichen Goldgebiete Kanadas, zu Klondyke, vermitteln, liegen in der schmalen Außenzone der Vereinigten Staaten, die sich von Alaska vor dem kanadischen Gebiete nach Süden langgestreckt hinzieht. Lange schon bestand hier zwischen den beiden Ländern ein Grenz¬ streit, bei dem es Kanada natürlich darauf ankam, den Meereszugang zu Klondyke freizubekommen. Es wurde ein Schiedsgericht eingesetzt, bestehend aus zwei Amerikanern, zwei Kanadiern und einem Engländer. Dadurch, daß sich der Engländer auf die Seite der Schiedsrichter der Vereinigten Staaten stellte, kam ein Kanada ungünstiger Schiedsspruch heraus, der natürlich in Kanada eine lebhafte Mißstimmung gegen das Mutterland England erregte und die Amerikapartei Kanadas verstärkte. Wenn auch im allgemeinen bisher Kanada seine Zugehörigkeit zu England immer anerkannte und sogar bei der Kündigung des deutschen und des belgischen Handelsvertrags in einer für das Mutterland gar nicht sehr angenehmen Weise äußerte, so waren diese Vorgänge doch Wasser auf die Mühle der Partei, die den Anschluß Kanadas an die Vereinigten Staaten vertritt oder doch mindestens eine unbedingte Autonomie Kanadas herbeiwünscht. Und man braucht sich nur einmal die breite Landgrenze anzusehen, mit der beide Länder aneinanderstoßen, eine Landgrenze, die gar nicht verteidigt werden kann, man braucht nur an die Interessengemeinschaft zu denken, die beide Völker an dem großen Seegebiete haben, und man wird einsehen, daß diese Amerikanerpartei früher wie heute ihre Beweisführung auf recht greifbaren und soliden Unterlagen aufgebaut hat. Wenn auch die Gefahren für das englische Weltreich hier mehr unter der Oberfläche schlummern und nicht unmittelbar zu Konflikten zu führen scheinen, so genügt doch ihr Vorhandensein, die Engländer seit Jahren mit einer gewissen B (Fortsetzung folgt) esorgnis zu erfüllen. Die Hage vom Htrandsegen und das Htrandrecht an der deutschen Küste Ludwig Kenner in München von eher unsern Inseln ist es für die Mehrzahl der binnenländischen Deutschen noch nicht lange Tag geworden. Kosegartens und Arndts Schilderungen von der Insel Rügen, BiernatM Hallig. Storms Halligfahrt und andre trotz ihrer Schönheit treue Bilder von unsrer Küste vermochten die Nebelschicht nicht zu zerstreuen, die dem Mitteldeutschen und dem Süddeutschen die Schwestern Thules ver¬ barg. Lange blieb die Phantasie die einzige sehende Kraft, womit wir Binnen¬ länder ein Bild des Meeressaumes unsrer Heimat gewannen. Der Phantasie ist es jedoch eigen, daß sie die Formen und die Farben für ihre Bilder gern beim Märchen und bei der Sage entlehnt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/259>, abgerufen am 28.04.2024.