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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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sah "Rotwelsch" des deutschen Gauners

unbekannten) Niederdeutschen, sogar in Sammlungen des Rotwelsch, die nicht in
Norddeutschland entstanden sind. Schon in dem sogenannten "Notatenbuch" (1350)
von Dietmar von Meckebach, der unter Karl demi Vierten Kanzler des Herzog¬
tums Breslau war, kommt zum Beispiel der Ausdruck "Strömer" (wenngleich in
viel engerer Bedeutung als heute) vor, bet dem jeder norddeutsche unwillkürlich
an Fritz Reuter und seine "Stromtied" denken wird. Ganz allgemein verbreitet
hat sich sodann auch der Name "Torfdrücker" für den Taschendieb, dessen
erster Bestandteil, wie wir schon gesehen haben, auf das Hebräische zurückgeht,
während der zweite nicht sowohl vom übt. "drücken" als vom niederd. trecken,
d. h. ziehen abzuleiten ist (vgl. auch: Zopper oder Jupper, d. h. Zupfer,
Zieher für denselben Begriff). Auch der süddeutsche Gauner kann Buxen oder
Boxen tragen, aus einer Schütte! oder Schöttel (Schüssel) dulden oder holten,
d. h. essen (vom niederd. diem, beißen), seinen Schnaps oder sein Plempel, d.h. Bier
(wohl vom niederd. plümpeln, pümpeln) aus einem Büttel (zunächst aus dem
französ. boutsills, vgl. herum.: Pulte) trinken und dazu Tabak Schmöker aus einer
Schmokfinken, Tobripipeu oder Lütke, vorausgesetzt, daß ihm der Bestand
seiner Padde, d. h. des Geldbeutels (eigentl.: Kröte), diesen Luxus erlaubt.
Während unsre Gemeinsprache in dem Ausdrucke "Spitzbube" dem süddeutschen
"Buben" (dial.: Bua, was in der Gaunersprache auch für einen seinen), Dietrich
vorkommt) statt des schriftdeutschen "Knaben" zu Ansehen verholfen hat, ist neuer¬
dings aus der Berliner Verbrechersprache der "schwere Junge" für den routinierten
Einbrecher (dann auch Wohl: "lesser Junge," "fauler Junge" u. a. in.) auch in
weitern Kreisen bekannt geworden.

Jedoch nicht bloß durch die landschaftlichen Sprachverschiedenheiten, auch durch
die besondre Ausdrucksweise in sich abgeschlossener Personengruppen, durch die so¬
genannten Standes- oder Berufssprachen hat sich das Rotwelsch noch bereichert.
Ein ausdrücklicher Hinweis auf den Einfluß der Sondersprachen der -- einst als
unehrlich geltenden -- Scharfrichter einerseits, der Prostituierten andrerseits erscheint
bei den allbekannten, überaus nahen Beziehungen dieser Kreise zu denen der
Berufsverbrecher fast als überflüssig. Gar manches ist ins Rotwelsche aber auch
hinübergeflossen aus der Soldatensprache, und zwar nicht nur in der Vergangen¬
heit, wo die sogenannte "Feldsprach" der Landsknechte gleichsam nur eine Abart
des Gaunerdeutsch war; auch noch in neuerer Zeit sind in dieses mehrfach
militärische oder doch auf das Militär hinweisende Ausdrücke eingedrungen, was
zum Beispiel Wörter wie "Colonel" für den Hauswirt, bei dem falsch gespielt
wird, "Stubenältester" für den die Ordnung in der Zelle führenden Sträfling,
"Besengarde" für die Straßenkehrer (wienerisch), "Seesoldat" oder "Seekadett"
für den Hering, "schwarzer Dragoner" für den Floh, die Wendung "Dalles
ist Rittmeister" für: "der Geldmangel ist sehr groß" u. a. in. beweisen. Daran
reihen sich weiter die Sondersprachen der Jäger (vgl. Langlöffel für Maulesel),
der Seeleute (vgl. Buxe, Hose, und das schon sehr alte Socken, laufen, gehn, wohl
von Font, die Focke, das Focksegel, also eigentlich die Focksegel aufspannen, "absegeln,"
abziehn) und -- last not le-M -- der Studenten. Schon oben ist der nahen Be¬
rührungspunkte des ältern Studententums mit den Gaunern kurz gedacht worden.
Hier ist zur Ergänzung dazu noch hinzuzufügen, daß es auch unter den Mitgliedern
der großen Gauner- und Räuberbanden der neuern Zeiten fast niemals an gescheiterten
Studenten gefehlt hat. Kein Wunder also, daß -- wie Kluge in seiner "Deutschen
Studentensprache" näher nachgewiesen hat -- einmal eine Reihe von Gaunerwörtern,
wie zum Beispiel Kluft für Kleid (aus der rotw. Urform Claffot), Moos und
Kies für Geld, Putz für Polizei (auf lokalen Gebrauch beschränkt), wahrscheinlich
auch "Mohren haben" für sich fürchten (von jüdd. mimro, rotw. Moore, Furcht)
und sicher foppen für necken (eigentlich lügen, betrügen), pumpen für borgen,
blechen für bezahlen (zu Blech, Blendling ^ Kreuzer, Pfennig, Geld) in die
deutsche Studentensprache (und von da aus zum Teil in die Umgangssprache über-


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sah „Rotwelsch" des deutschen Gauners

unbekannten) Niederdeutschen, sogar in Sammlungen des Rotwelsch, die nicht in
Norddeutschland entstanden sind. Schon in dem sogenannten „Notatenbuch" (1350)
von Dietmar von Meckebach, der unter Karl demi Vierten Kanzler des Herzog¬
tums Breslau war, kommt zum Beispiel der Ausdruck „Strömer" (wenngleich in
viel engerer Bedeutung als heute) vor, bet dem jeder norddeutsche unwillkürlich
an Fritz Reuter und seine „Stromtied" denken wird. Ganz allgemein verbreitet
hat sich sodann auch der Name „Torfdrücker" für den Taschendieb, dessen
erster Bestandteil, wie wir schon gesehen haben, auf das Hebräische zurückgeht,
während der zweite nicht sowohl vom übt. „drücken" als vom niederd. trecken,
d. h. ziehen abzuleiten ist (vgl. auch: Zopper oder Jupper, d. h. Zupfer,
Zieher für denselben Begriff). Auch der süddeutsche Gauner kann Buxen oder
Boxen tragen, aus einer Schütte! oder Schöttel (Schüssel) dulden oder holten,
d. h. essen (vom niederd. diem, beißen), seinen Schnaps oder sein Plempel, d.h. Bier
(wohl vom niederd. plümpeln, pümpeln) aus einem Büttel (zunächst aus dem
französ. boutsills, vgl. herum.: Pulte) trinken und dazu Tabak Schmöker aus einer
Schmokfinken, Tobripipeu oder Lütke, vorausgesetzt, daß ihm der Bestand
seiner Padde, d. h. des Geldbeutels (eigentl.: Kröte), diesen Luxus erlaubt.
Während unsre Gemeinsprache in dem Ausdrucke „Spitzbube" dem süddeutschen
„Buben" (dial.: Bua, was in der Gaunersprache auch für einen seinen), Dietrich
vorkommt) statt des schriftdeutschen „Knaben" zu Ansehen verholfen hat, ist neuer¬
dings aus der Berliner Verbrechersprache der „schwere Junge" für den routinierten
Einbrecher (dann auch Wohl: „lesser Junge," „fauler Junge" u. a. in.) auch in
weitern Kreisen bekannt geworden.

Jedoch nicht bloß durch die landschaftlichen Sprachverschiedenheiten, auch durch
die besondre Ausdrucksweise in sich abgeschlossener Personengruppen, durch die so¬
genannten Standes- oder Berufssprachen hat sich das Rotwelsch noch bereichert.
Ein ausdrücklicher Hinweis auf den Einfluß der Sondersprachen der — einst als
unehrlich geltenden — Scharfrichter einerseits, der Prostituierten andrerseits erscheint
bei den allbekannten, überaus nahen Beziehungen dieser Kreise zu denen der
Berufsverbrecher fast als überflüssig. Gar manches ist ins Rotwelsche aber auch
hinübergeflossen aus der Soldatensprache, und zwar nicht nur in der Vergangen¬
heit, wo die sogenannte „Feldsprach" der Landsknechte gleichsam nur eine Abart
des Gaunerdeutsch war; auch noch in neuerer Zeit sind in dieses mehrfach
militärische oder doch auf das Militär hinweisende Ausdrücke eingedrungen, was
zum Beispiel Wörter wie „Colonel" für den Hauswirt, bei dem falsch gespielt
wird, „Stubenältester" für den die Ordnung in der Zelle führenden Sträfling,
„Besengarde" für die Straßenkehrer (wienerisch), „Seesoldat" oder „Seekadett"
für den Hering, „schwarzer Dragoner" für den Floh, die Wendung „Dalles
ist Rittmeister" für: „der Geldmangel ist sehr groß" u. a. in. beweisen. Daran
reihen sich weiter die Sondersprachen der Jäger (vgl. Langlöffel für Maulesel),
der Seeleute (vgl. Buxe, Hose, und das schon sehr alte Socken, laufen, gehn, wohl
von Font, die Focke, das Focksegel, also eigentlich die Focksegel aufspannen, „absegeln,"
abziehn) und — last not le-M — der Studenten. Schon oben ist der nahen Be¬
rührungspunkte des ältern Studententums mit den Gaunern kurz gedacht worden.
Hier ist zur Ergänzung dazu noch hinzuzufügen, daß es auch unter den Mitgliedern
der großen Gauner- und Räuberbanden der neuern Zeiten fast niemals an gescheiterten
Studenten gefehlt hat. Kein Wunder also, daß — wie Kluge in seiner „Deutschen
Studentensprache" näher nachgewiesen hat — einmal eine Reihe von Gaunerwörtern,
wie zum Beispiel Kluft für Kleid (aus der rotw. Urform Claffot), Moos und
Kies für Geld, Putz für Polizei (auf lokalen Gebrauch beschränkt), wahrscheinlich
auch „Mohren haben" für sich fürchten (von jüdd. mimro, rotw. Moore, Furcht)
und sicher foppen für necken (eigentlich lügen, betrügen), pumpen für borgen,
blechen für bezahlen (zu Blech, Blendling ^ Kreuzer, Pfennig, Geld) in die
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[0352] sah „Rotwelsch" des deutschen Gauners unbekannten) Niederdeutschen, sogar in Sammlungen des Rotwelsch, die nicht in Norddeutschland entstanden sind. Schon in dem sogenannten „Notatenbuch" (1350) von Dietmar von Meckebach, der unter Karl demi Vierten Kanzler des Herzog¬ tums Breslau war, kommt zum Beispiel der Ausdruck „Strömer" (wenngleich in viel engerer Bedeutung als heute) vor, bet dem jeder norddeutsche unwillkürlich an Fritz Reuter und seine „Stromtied" denken wird. Ganz allgemein verbreitet hat sich sodann auch der Name „Torfdrücker" für den Taschendieb, dessen erster Bestandteil, wie wir schon gesehen haben, auf das Hebräische zurückgeht, während der zweite nicht sowohl vom übt. „drücken" als vom niederd. trecken, d. h. ziehen abzuleiten ist (vgl. auch: Zopper oder Jupper, d. h. Zupfer, Zieher für denselben Begriff). Auch der süddeutsche Gauner kann Buxen oder Boxen tragen, aus einer Schütte! oder Schöttel (Schüssel) dulden oder holten, d. h. essen (vom niederd. diem, beißen), seinen Schnaps oder sein Plempel, d.h. Bier (wohl vom niederd. plümpeln, pümpeln) aus einem Büttel (zunächst aus dem französ. boutsills, vgl. herum.: Pulte) trinken und dazu Tabak Schmöker aus einer Schmokfinken, Tobripipeu oder Lütke, vorausgesetzt, daß ihm der Bestand seiner Padde, d. h. des Geldbeutels (eigentl.: Kröte), diesen Luxus erlaubt. Während unsre Gemeinsprache in dem Ausdrucke „Spitzbube" dem süddeutschen „Buben" (dial.: Bua, was in der Gaunersprache auch für einen seinen), Dietrich vorkommt) statt des schriftdeutschen „Knaben" zu Ansehen verholfen hat, ist neuer¬ dings aus der Berliner Verbrechersprache der „schwere Junge" für den routinierten Einbrecher (dann auch Wohl: „lesser Junge," „fauler Junge" u. a. in.) auch in weitern Kreisen bekannt geworden. Jedoch nicht bloß durch die landschaftlichen Sprachverschiedenheiten, auch durch die besondre Ausdrucksweise in sich abgeschlossener Personengruppen, durch die so¬ genannten Standes- oder Berufssprachen hat sich das Rotwelsch noch bereichert. Ein ausdrücklicher Hinweis auf den Einfluß der Sondersprachen der — einst als unehrlich geltenden — Scharfrichter einerseits, der Prostituierten andrerseits erscheint bei den allbekannten, überaus nahen Beziehungen dieser Kreise zu denen der Berufsverbrecher fast als überflüssig. Gar manches ist ins Rotwelsche aber auch hinübergeflossen aus der Soldatensprache, und zwar nicht nur in der Vergangen¬ heit, wo die sogenannte „Feldsprach" der Landsknechte gleichsam nur eine Abart des Gaunerdeutsch war; auch noch in neuerer Zeit sind in dieses mehrfach militärische oder doch auf das Militär hinweisende Ausdrücke eingedrungen, was zum Beispiel Wörter wie „Colonel" für den Hauswirt, bei dem falsch gespielt wird, „Stubenältester" für den die Ordnung in der Zelle führenden Sträfling, „Besengarde" für die Straßenkehrer (wienerisch), „Seesoldat" oder „Seekadett" für den Hering, „schwarzer Dragoner" für den Floh, die Wendung „Dalles ist Rittmeister" für: „der Geldmangel ist sehr groß" u. a. in. beweisen. Daran reihen sich weiter die Sondersprachen der Jäger (vgl. Langlöffel für Maulesel), der Seeleute (vgl. Buxe, Hose, und das schon sehr alte Socken, laufen, gehn, wohl von Font, die Focke, das Focksegel, also eigentlich die Focksegel aufspannen, „absegeln," abziehn) und — last not le-M — der Studenten. Schon oben ist der nahen Be¬ rührungspunkte des ältern Studententums mit den Gaunern kurz gedacht worden. Hier ist zur Ergänzung dazu noch hinzuzufügen, daß es auch unter den Mitgliedern der großen Gauner- und Räuberbanden der neuern Zeiten fast niemals an gescheiterten Studenten gefehlt hat. Kein Wunder also, daß — wie Kluge in seiner „Deutschen Studentensprache" näher nachgewiesen hat — einmal eine Reihe von Gaunerwörtern, wie zum Beispiel Kluft für Kleid (aus der rotw. Urform Claffot), Moos und Kies für Geld, Putz für Polizei (auf lokalen Gebrauch beschränkt), wahrscheinlich auch „Mohren haben" für sich fürchten (von jüdd. mimro, rotw. Moore, Furcht) und sicher foppen für necken (eigentlich lügen, betrügen), pumpen für borgen, blechen für bezahlen (zu Blech, Blendling ^ Kreuzer, Pfennig, Geld) in die deutsche Studentensprache (und von da aus zum Teil in die Umgangssprache über- Ä

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/352>, abgerufen am 28.04.2024.