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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Lchamberlains britische Reichspolitik

Truppe ist der Weg einfach unmöglich. Wollen die Russen kommen, so
können sie nur von Ferghana aus über die Alaipässe, Kaschgar, Jarkand,
Chotan und über das Westende des Kner-Luen ins westliche Tibet ein¬
dringen; oder aber über die Pamirs durch Kaschmir nach dem obern Jndus-
tal, ebenfalls ins westliche Tibet. Das ist mit den außerordentlichsten Schwie¬
rigkeiten verbunden, und der Weg durch Kaschmir setzt schon den Kriegs¬
zustand mit England voraus. Mit andern Worten: Kommen die Russen nicht
in Friedenszeit gleichsam auf Einladung der Tibetaner, so können sie gar
nicht ins Land. Und eben dies haben die Engländer den Gegnern jetzt un¬
möglich gemacht. Denn sie werden wohl ihre neuen Klienten so zu bevor¬
munden und zu stärken wissen, daß sie entsprechende Zumutungen der Russen
abzuwehren wissen.

Wenn nicht alles trügt, so ist gegen das Vordringen Rußlands nach
Indien an dieser einen Stelle eine entscheidende Barriere errichtet. Die beiden
andern bleiben freilich noch ganz ungenügend verteidigt.




(Lhamberlains britische Reichspolitik
x. G. Brandt von in Düsseldorf
(Schluß)

MM-i an kann gegen die Darstellung der englischen Wirtschaftsverhältnisse
durch Chamberlain und seine Anhänger einwenden, daß sie die
Lichtseiten übersehen. Wenn der Daily Telegraph seine Leser
darauf aufmerksam macht, daß sich in England die geschützten
! Einkommen von 1891 bis 1901 um zehn Prozent, in Preußen
dagegen um vierzig Prozent vermehrt hätten, so muß man doch andrerseits nicht
vergessen, daß in England die Summe der Einkommen, die der Einkommen¬
steuer unterworfen sind, in den letzten fünfzig Jahren von 5400 Millionen auf
2,4 Milliarden Mark gestiegen ist. Die Einkommen aus dem Handel wuchsen
von 5080 Millionen Mark im Jahre 1896 auf 6440 Millionen Mark im
Jahre 1902. Das ist doch gewiß ein stattlicher Fortschritt. M. E. Thevy hat
in einer sehr lehrreichen Übersicht kürzlich den wirtschaftlichen Aufstieg Englands

schematisch wie folgt dargestellt:

^ ^ ^
Bevölkerung..... 100 121 160
Handel....... 10" 480 623
Schiffahrt...... 100 322 957
Bergbau...... 100 310 602
Textilindustrie..... 100 262 360
Landwirtschaft .... 100 120 10S
Eisen- und Kurzwaren . - 100 430 590
Öffentlicher Unterricht . . 100 162 261
Staatseinnahmen.... 100 140 186
Öffentlicher Wohlstand . - 100 203 287
1000 2640 4120

Lchamberlains britische Reichspolitik

Truppe ist der Weg einfach unmöglich. Wollen die Russen kommen, so
können sie nur von Ferghana aus über die Alaipässe, Kaschgar, Jarkand,
Chotan und über das Westende des Kner-Luen ins westliche Tibet ein¬
dringen; oder aber über die Pamirs durch Kaschmir nach dem obern Jndus-
tal, ebenfalls ins westliche Tibet. Das ist mit den außerordentlichsten Schwie¬
rigkeiten verbunden, und der Weg durch Kaschmir setzt schon den Kriegs¬
zustand mit England voraus. Mit andern Worten: Kommen die Russen nicht
in Friedenszeit gleichsam auf Einladung der Tibetaner, so können sie gar
nicht ins Land. Und eben dies haben die Engländer den Gegnern jetzt un¬
möglich gemacht. Denn sie werden wohl ihre neuen Klienten so zu bevor¬
munden und zu stärken wissen, daß sie entsprechende Zumutungen der Russen
abzuwehren wissen.

Wenn nicht alles trügt, so ist gegen das Vordringen Rußlands nach
Indien an dieser einen Stelle eine entscheidende Barriere errichtet. Die beiden
andern bleiben freilich noch ganz ungenügend verteidigt.




(Lhamberlains britische Reichspolitik
x. G. Brandt von in Düsseldorf
(Schluß)

MM-i an kann gegen die Darstellung der englischen Wirtschaftsverhältnisse
durch Chamberlain und seine Anhänger einwenden, daß sie die
Lichtseiten übersehen. Wenn der Daily Telegraph seine Leser
darauf aufmerksam macht, daß sich in England die geschützten
! Einkommen von 1891 bis 1901 um zehn Prozent, in Preußen
dagegen um vierzig Prozent vermehrt hätten, so muß man doch andrerseits nicht
vergessen, daß in England die Summe der Einkommen, die der Einkommen¬
steuer unterworfen sind, in den letzten fünfzig Jahren von 5400 Millionen auf
2,4 Milliarden Mark gestiegen ist. Die Einkommen aus dem Handel wuchsen
von 5080 Millionen Mark im Jahre 1896 auf 6440 Millionen Mark im
Jahre 1902. Das ist doch gewiß ein stattlicher Fortschritt. M. E. Thevy hat
in einer sehr lehrreichen Übersicht kürzlich den wirtschaftlichen Aufstieg Englands

schematisch wie folgt dargestellt:

^ ^ ^
Bevölkerung..... 100 121 160
Handel....... 10» 480 623
Schiffahrt...... 100 322 957
Bergbau...... 100 310 602
Textilindustrie..... 100 262 360
Landwirtschaft .... 100 120 10S
Eisen- und Kurzwaren . - 100 430 590
Öffentlicher Unterricht . . 100 162 261
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[0377] Lchamberlains britische Reichspolitik Truppe ist der Weg einfach unmöglich. Wollen die Russen kommen, so können sie nur von Ferghana aus über die Alaipässe, Kaschgar, Jarkand, Chotan und über das Westende des Kner-Luen ins westliche Tibet ein¬ dringen; oder aber über die Pamirs durch Kaschmir nach dem obern Jndus- tal, ebenfalls ins westliche Tibet. Das ist mit den außerordentlichsten Schwie¬ rigkeiten verbunden, und der Weg durch Kaschmir setzt schon den Kriegs¬ zustand mit England voraus. Mit andern Worten: Kommen die Russen nicht in Friedenszeit gleichsam auf Einladung der Tibetaner, so können sie gar nicht ins Land. Und eben dies haben die Engländer den Gegnern jetzt un¬ möglich gemacht. Denn sie werden wohl ihre neuen Klienten so zu bevor¬ munden und zu stärken wissen, daß sie entsprechende Zumutungen der Russen abzuwehren wissen. Wenn nicht alles trügt, so ist gegen das Vordringen Rußlands nach Indien an dieser einen Stelle eine entscheidende Barriere errichtet. Die beiden andern bleiben freilich noch ganz ungenügend verteidigt. (Lhamberlains britische Reichspolitik x. G. Brandt von in Düsseldorf (Schluß) MM-i an kann gegen die Darstellung der englischen Wirtschaftsverhältnisse durch Chamberlain und seine Anhänger einwenden, daß sie die Lichtseiten übersehen. Wenn der Daily Telegraph seine Leser darauf aufmerksam macht, daß sich in England die geschützten ! Einkommen von 1891 bis 1901 um zehn Prozent, in Preußen dagegen um vierzig Prozent vermehrt hätten, so muß man doch andrerseits nicht vergessen, daß in England die Summe der Einkommen, die der Einkommen¬ steuer unterworfen sind, in den letzten fünfzig Jahren von 5400 Millionen auf 2,4 Milliarden Mark gestiegen ist. Die Einkommen aus dem Handel wuchsen von 5080 Millionen Mark im Jahre 1896 auf 6440 Millionen Mark im Jahre 1902. Das ist doch gewiß ein stattlicher Fortschritt. M. E. Thevy hat in einer sehr lehrreichen Übersicht kürzlich den wirtschaftlichen Aufstieg Englands schematisch wie folgt dargestellt: ^ ^ ^ Bevölkerung..... 100 121 160 Handel....... 10» 480 623 Schiffahrt...... 100 322 957 Bergbau...... 100 310 602 Textilindustrie..... 100 262 360 Landwirtschaft .... 100 120 10S Eisen- und Kurzwaren . - 100 430 590 Öffentlicher Unterricht . . 100 162 261 Staatseinnahmen.... 100 140 186 Öffentlicher Wohlstand . - 100 203 287 1000 2640 4120

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/377>, abgerufen am 28.04.2024.