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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Japan

SIM^l le Kommandierung zweier deutscher fürstlicher Herren zur russischen
und zur japanischen Armee, zumal im jetzigen Stadium des
Krieges, erregt einiges Aufsehen, Überraschend ist sie nur dem
großen Publikum gekommen. Die im Berliner Tageblatt ver¬
öffentlichten, auf Potsdamer Lakaienklatsch beruhenden Betrach¬
tungen über die unerwartete Störung, die das häusliche Behagen des Prinzen
Friedrich Leopold durch die plötzliche Entsendung in das russische Hauptquartier
erfahren habe, entsprechen der Wahrheit ungefähr so wie die Behauptung, daß
die Sonne das Gestirn der Nacht sei. Schon der Umstand, daß der Prinz im
deutschen Heere seit längerer Zeit keine aktive Dienststellung bekleidet, sollte
doch darauf hinweisen, daß die Entsendung in das russische Hauptquartier zum
mindesten nicht wider seinen Wunsch geschieht. Wenig wahrscheinlich ist, daß
er die Russen noch südlich von Mukden antreffen wird. Wie sich General
Kuropatkin, der angesichts der Kriegslage die Anwesenheit russischer Großfürsten
beim Heere nicht für wünschenswert zu halten scheint, mit der Anwesenheit
eines preußischen Prinzen abfinden wird, zumal eines solchen von hohem mili¬
tärischem Range, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird Prinz Friedrich Leopold
beim russischen Hauptquartier so wenig ans Rosen gebettet sein wie Kuropatkin
selbst. Den Krieg mit all seinen Schrecknissen und Anforderungen in nächster
Nähe zu studieren, fern von allen Bequemlichkeiten, die ein großes europäisches
Hauptquartier zu bieten vermag, dazu wird der Prinz freilich volle Gelegen¬
heit haben, er kann dereinst um manche Erfahrung, Kriegserfahrung, reicher
in die Heimat zurückkehren. Die naheliegende Frage, ob Rußland neben einem
preußischen Prinzen, der General der Kavallerie ist, nicht wenigstens mich
einen Großfürsten von demselben Range beim Heere haben sollte, berührt
nur den russischen Hof und das russische Armeekommando, nicht uns. Das
russische Heer ist an preußische Offiziere in seinen Kriegen gewöhnt. Bei
den Kämpfen auf dem Schipkapaß spielte der damalige preußische Major
und spätere kommandierende General von Lignitz eine hervorragende Rolle.
Die russischen Schützen nannten ihn, der sich bei den blutigsten Gefechten in
ihren vordersten Linien bewegte, "unsern preußischen Major." Kaiser Wilhelm


Grenzboten III 1904 65


Deutschland und Japan

SIM^l le Kommandierung zweier deutscher fürstlicher Herren zur russischen
und zur japanischen Armee, zumal im jetzigen Stadium des
Krieges, erregt einiges Aufsehen, Überraschend ist sie nur dem
großen Publikum gekommen. Die im Berliner Tageblatt ver¬
öffentlichten, auf Potsdamer Lakaienklatsch beruhenden Betrach¬
tungen über die unerwartete Störung, die das häusliche Behagen des Prinzen
Friedrich Leopold durch die plötzliche Entsendung in das russische Hauptquartier
erfahren habe, entsprechen der Wahrheit ungefähr so wie die Behauptung, daß
die Sonne das Gestirn der Nacht sei. Schon der Umstand, daß der Prinz im
deutschen Heere seit längerer Zeit keine aktive Dienststellung bekleidet, sollte
doch darauf hinweisen, daß die Entsendung in das russische Hauptquartier zum
mindesten nicht wider seinen Wunsch geschieht. Wenig wahrscheinlich ist, daß
er die Russen noch südlich von Mukden antreffen wird. Wie sich General
Kuropatkin, der angesichts der Kriegslage die Anwesenheit russischer Großfürsten
beim Heere nicht für wünschenswert zu halten scheint, mit der Anwesenheit
eines preußischen Prinzen abfinden wird, zumal eines solchen von hohem mili¬
tärischem Range, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird Prinz Friedrich Leopold
beim russischen Hauptquartier so wenig ans Rosen gebettet sein wie Kuropatkin
selbst. Den Krieg mit all seinen Schrecknissen und Anforderungen in nächster
Nähe zu studieren, fern von allen Bequemlichkeiten, die ein großes europäisches
Hauptquartier zu bieten vermag, dazu wird der Prinz freilich volle Gelegen¬
heit haben, er kann dereinst um manche Erfahrung, Kriegserfahrung, reicher
in die Heimat zurückkehren. Die naheliegende Frage, ob Rußland neben einem
preußischen Prinzen, der General der Kavallerie ist, nicht wenigstens mich
einen Großfürsten von demselben Range beim Heere haben sollte, berührt
nur den russischen Hof und das russische Armeekommando, nicht uns. Das
russische Heer ist an preußische Offiziere in seinen Kriegen gewöhnt. Bei
den Kämpfen auf dem Schipkapaß spielte der damalige preußische Major
und spätere kommandierende General von Lignitz eine hervorragende Rolle.
Die russischen Schützen nannten ihn, der sich bei den blutigsten Gefechten in
ihren vordersten Linien bewegte, „unsern preußischen Major." Kaiser Wilhelm


Grenzboten III 1904 65
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[0497] [Abbildung] Deutschland und Japan SIM^l le Kommandierung zweier deutscher fürstlicher Herren zur russischen und zur japanischen Armee, zumal im jetzigen Stadium des Krieges, erregt einiges Aufsehen, Überraschend ist sie nur dem großen Publikum gekommen. Die im Berliner Tageblatt ver¬ öffentlichten, auf Potsdamer Lakaienklatsch beruhenden Betrach¬ tungen über die unerwartete Störung, die das häusliche Behagen des Prinzen Friedrich Leopold durch die plötzliche Entsendung in das russische Hauptquartier erfahren habe, entsprechen der Wahrheit ungefähr so wie die Behauptung, daß die Sonne das Gestirn der Nacht sei. Schon der Umstand, daß der Prinz im deutschen Heere seit längerer Zeit keine aktive Dienststellung bekleidet, sollte doch darauf hinweisen, daß die Entsendung in das russische Hauptquartier zum mindesten nicht wider seinen Wunsch geschieht. Wenig wahrscheinlich ist, daß er die Russen noch südlich von Mukden antreffen wird. Wie sich General Kuropatkin, der angesichts der Kriegslage die Anwesenheit russischer Großfürsten beim Heere nicht für wünschenswert zu halten scheint, mit der Anwesenheit eines preußischen Prinzen abfinden wird, zumal eines solchen von hohem mili¬ tärischem Range, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird Prinz Friedrich Leopold beim russischen Hauptquartier so wenig ans Rosen gebettet sein wie Kuropatkin selbst. Den Krieg mit all seinen Schrecknissen und Anforderungen in nächster Nähe zu studieren, fern von allen Bequemlichkeiten, die ein großes europäisches Hauptquartier zu bieten vermag, dazu wird der Prinz freilich volle Gelegen¬ heit haben, er kann dereinst um manche Erfahrung, Kriegserfahrung, reicher in die Heimat zurückkehren. Die naheliegende Frage, ob Rußland neben einem preußischen Prinzen, der General der Kavallerie ist, nicht wenigstens mich einen Großfürsten von demselben Range beim Heere haben sollte, berührt nur den russischen Hof und das russische Armeekommando, nicht uns. Das russische Heer ist an preußische Offiziere in seinen Kriegen gewöhnt. Bei den Kämpfen auf dem Schipkapaß spielte der damalige preußische Major und spätere kommandierende General von Lignitz eine hervorragende Rolle. Die russischen Schützen nannten ihn, der sich bei den blutigsten Gefechten in ihren vordersten Linien bewegte, „unsern preußischen Major." Kaiser Wilhelm Grenzboten III 1904 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/497>, abgerufen am 28.04.2024.