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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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burger, Aachen-Münchner, Leipziger, Thuringia, Preußische National, Elberfelder,
Colonia, Rhein und Mosel, Bayrische Hypothekenbank, Schlesische, Berlinische,
Hamburg-Bremer usw. sind alle hierher zu rechnen -- hütet sich, es auf einen
Prozeß ankommen zu lassen, wenn sie es irgend vermeiden können; denn sie
wissen ganz genau, daß die Zeitungsberichte und das Gerede über solche Pro¬
zesse keine Reklameartikel für sie sind. Es ist völlig haltlos, wenn Justizrat
Stranz in der Deutschen Juristenzeitung vom 15. April 1904 sich bei Be¬
sprechung des neuen Gesetzentwurfs über den Versicherungsvertrag zu der
Phrase versteigt: "Deshalb ist es eine anerkennenswerte Aufgabe des Ent¬
wurfs, die Beschützung der Versicherten, die Versicherung der Versicherten gegen
den Verhinderer zu gewährleisten. Tausende von Prozessen, die eine gewissen¬
lose Ausbeutung der Versicherten enthüllen, drängen diesen Schutz in den
Vordergrund." Eine solche Behauptung in dieser Allgemeinheit aufzustellen
grenzt an gewissenlose Ausbeutung des Vertrauens der Leser. Das Reichs¬
aufsichtsamt, dem über jeden Schadenprozeß von den Gesellschaften Bericht er¬
stattet werden muß, würde am besten in der Lage sein, nachzuweisen, wie gering
die Zahl der Schadenprozesse überhaupt ist, und wie selten, wenn überhaupt,
dabei von Ausbeutung der Versicherten die Rede sein kann. Wenn ich nach
den mir über einige große Gesellschaften bekannten Zahlen auf die Verhältnisse
der andern schließen darf, so stellt sich die Zahl sämtlicher bei den deutschen
Feuerversicherungsaktiengesellschaften jährlich schwebenden Schadeuprozesse auf
sechzig bis siebzig, und wenn unter diesen welche sein sollten, bei denen das
Wort von der gewissenlosen Ausbeutung angebracht ist, so neige ich auf Grund
meiner praktischen Erfahrung stark zu der Vermutung, daß der Versuch der
Ausbeutung nicht von der Versicherungsgesellschaft ausgeht; denn nur allzu
oft sind es die Versicherten, die bestrebt sind, das Versicherlingsverhültnis zu
ihren Gunsten gegen den Verhinderer auszubeuten. Das ist ein heikles Thema,
das jedoch gerade solchen leichtfertigen Anschuldigungen gegenüber und gerade
jetzt, wo der Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag, auf den wir alsbald
noch zurückkommen werden, zur allgemeinen Erörterung steht, nicht unbesprochen
Schluß folgt) bleiben darf.




Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft
(Schluß)

lie weltgeschichtliche Bedeutung der deutschen Mystik ist allen Kun¬
digen klar: Eckhart, Tauler, Suso, die Gottesfreunde, die Brüder
des gemeinsamen Lebens haben die Deutschen von dem römischen
Zeremonienwesen abgezogen, die Religion aus der Veräußerlichung
!ins Innere des Gemüts zurückgeführt und die Überzeugung ver¬
breitet, daß man sich ohne priesterliche Vermittlung mit Gott vereinigen und
selig werden könne. Den negativen Teil der Aufgabe haben ja die Kurie mit


burger, Aachen-Münchner, Leipziger, Thuringia, Preußische National, Elberfelder,
Colonia, Rhein und Mosel, Bayrische Hypothekenbank, Schlesische, Berlinische,
Hamburg-Bremer usw. sind alle hierher zu rechnen — hütet sich, es auf einen
Prozeß ankommen zu lassen, wenn sie es irgend vermeiden können; denn sie
wissen ganz genau, daß die Zeitungsberichte und das Gerede über solche Pro¬
zesse keine Reklameartikel für sie sind. Es ist völlig haltlos, wenn Justizrat
Stranz in der Deutschen Juristenzeitung vom 15. April 1904 sich bei Be¬
sprechung des neuen Gesetzentwurfs über den Versicherungsvertrag zu der
Phrase versteigt: „Deshalb ist es eine anerkennenswerte Aufgabe des Ent¬
wurfs, die Beschützung der Versicherten, die Versicherung der Versicherten gegen
den Verhinderer zu gewährleisten. Tausende von Prozessen, die eine gewissen¬
lose Ausbeutung der Versicherten enthüllen, drängen diesen Schutz in den
Vordergrund." Eine solche Behauptung in dieser Allgemeinheit aufzustellen
grenzt an gewissenlose Ausbeutung des Vertrauens der Leser. Das Reichs¬
aufsichtsamt, dem über jeden Schadenprozeß von den Gesellschaften Bericht er¬
stattet werden muß, würde am besten in der Lage sein, nachzuweisen, wie gering
die Zahl der Schadenprozesse überhaupt ist, und wie selten, wenn überhaupt,
dabei von Ausbeutung der Versicherten die Rede sein kann. Wenn ich nach
den mir über einige große Gesellschaften bekannten Zahlen auf die Verhältnisse
der andern schließen darf, so stellt sich die Zahl sämtlicher bei den deutschen
Feuerversicherungsaktiengesellschaften jährlich schwebenden Schadeuprozesse auf
sechzig bis siebzig, und wenn unter diesen welche sein sollten, bei denen das
Wort von der gewissenlosen Ausbeutung angebracht ist, so neige ich auf Grund
meiner praktischen Erfahrung stark zu der Vermutung, daß der Versuch der
Ausbeutung nicht von der Versicherungsgesellschaft ausgeht; denn nur allzu
oft sind es die Versicherten, die bestrebt sind, das Versicherlingsverhültnis zu
ihren Gunsten gegen den Verhinderer auszubeuten. Das ist ein heikles Thema,
das jedoch gerade solchen leichtfertigen Anschuldigungen gegenüber und gerade
jetzt, wo der Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag, auf den wir alsbald
noch zurückkommen werden, zur allgemeinen Erörterung steht, nicht unbesprochen
Schluß folgt) bleiben darf.




Die christliche Mystik und die Religion der Zukunft
(Schluß)

lie weltgeschichtliche Bedeutung der deutschen Mystik ist allen Kun¬
digen klar: Eckhart, Tauler, Suso, die Gottesfreunde, die Brüder
des gemeinsamen Lebens haben die Deutschen von dem römischen
Zeremonienwesen abgezogen, die Religion aus der Veräußerlichung
!ins Innere des Gemüts zurückgeführt und die Überzeugung ver¬
breitet, daß man sich ohne priesterliche Vermittlung mit Gott vereinigen und
selig werden könne. Den negativen Teil der Aufgabe haben ja die Kurie mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/636>, abgerufen am 28.04.2024.