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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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und seiner Seele, der der Verteidiger, der Anstifter, der Mitschuldige eines Mordes
ist. Jede Beschränkung der päpstlichen Autorität, die sie von diesem Vorwurf los¬
bringt, die ihre Solidarität mit Mördern zerreißt und die Blutschuld abwäscht,
muß auch die andern Probleme lösen. Es genügt ja doch für meinen jetzigen Zweck
zu sagen, daß dieser Fleck so groß und so schlimm ist, daß alles andre unter ihm
verschwindet. Ich will Ihnen an einem naheliegenden Beispiel zeigen, was der
Ultramontanismus aus einem guten Menschen machen kann. Der heilige Carlo
Borromeo, des Papstes Neffe und Minister, schrieb einen Brief, worin er den
Mord der Protestanten verlangte und sich beklagte, daß gar keine Köpfe von Ketzern
nach Rom gesandt würden trotz der darauf gesetzten Belohnung. Der Herausgeber
des Briefes billigt ihn ganz konsequent in einer Anmerkung. Und Kardinal Manning
empfiehlt nicht allein der ganzen Welt die Autorität zur Verehrung, die diesen
Mörder heilig sprach, sondern macht ihn zu seinem besondern Patron, wird Mitglied
der Kongregation der Oblaten Borromeos und gibt sich dem Studium seiner Taten
und der Propaganda für San Carlos Ruhm hiu. -- Und ich muß anglikanische
Geistliche hören, die von dem Kardinal als einem guten Menschen sprechen, die
bedauern, daß er sich von der Kirche, deren Zierde er war -- Manning war be¬
kanntlich anglikanischer Priester gewesen --, losgelöst hat und jetzt im Irrtum, doch
nicht in Sünde lebt. Aus solcher Sprache möchte ich schließe", daß, wer so als
Anglikaner spricht, dem charakteristischen Merkmal des Ultramontanismus ganz und
gar nicht abgeneigt ist, und daß er sich das Haupthindernis auf dem Weg nach
Rom fortgeräumt hat. -- Die Sache von Rosmint ist nicht so schreiend, aber
substantiell ganz dieselbe. Wenn man zu versteh" gibt, daß ein fähiger und in
alles eingeweihter italienischer Priester, der das Papsttum mit seinem ganzen Inventar
systematischen Verbrechens annimmt, keine Schuld trägt, daß ein solcher Priester
ein unschuldiger, tugendhafter, erbaulicher Christ ist, so scheint mir solche Sprache
eine" schweren Verdacht zu erregen. Gebraucht jemand, von dem ich sonst nichts
weiß, diese anerkennende Sprache, so würde ich sofort Schlimmes von ihm denken.
Wenn ich ihn als fähigen und in mancher Beziehung bewundernswerter Mann
kenne, würde ich in Verwirrung darob geraten, und wenn ich aus der besten Quelle
höre, daß er volles Vertrauen verdient, würde ich mir einzureden versuchen, daß
es wahr ist, und mein Unbehagen zu beruhigen suchen. So habe ich es mit
Liddou gemacht, der das moralische Hindernis nicht kennt. -- Ich hätte mich nicht
entschließen können, mit einer andern Person als mit Ihnen mich darüber so aus¬
führlich auszusprechen, und ich setze das Vertrauen in Sie, daß Sie die exakte und
eingeschränkte Meinung meines Briefes nicht mißverstehn. Es liegt mir daran, als
ein Bewundrer, nicht als ein Ankläger Canon Liddons verstanden zu werdeu. Meine
Erklärung ist wertlos, wenn es ihr nicht gelingt, mich hier zu rechtfertigen."




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Oolcl




und seiner Seele, der der Verteidiger, der Anstifter, der Mitschuldige eines Mordes
ist. Jede Beschränkung der päpstlichen Autorität, die sie von diesem Vorwurf los¬
bringt, die ihre Solidarität mit Mördern zerreißt und die Blutschuld abwäscht,
muß auch die andern Probleme lösen. Es genügt ja doch für meinen jetzigen Zweck
zu sagen, daß dieser Fleck so groß und so schlimm ist, daß alles andre unter ihm
verschwindet. Ich will Ihnen an einem naheliegenden Beispiel zeigen, was der
Ultramontanismus aus einem guten Menschen machen kann. Der heilige Carlo
Borromeo, des Papstes Neffe und Minister, schrieb einen Brief, worin er den
Mord der Protestanten verlangte und sich beklagte, daß gar keine Köpfe von Ketzern
nach Rom gesandt würden trotz der darauf gesetzten Belohnung. Der Herausgeber
des Briefes billigt ihn ganz konsequent in einer Anmerkung. Und Kardinal Manning
empfiehlt nicht allein der ganzen Welt die Autorität zur Verehrung, die diesen
Mörder heilig sprach, sondern macht ihn zu seinem besondern Patron, wird Mitglied
der Kongregation der Oblaten Borromeos und gibt sich dem Studium seiner Taten
und der Propaganda für San Carlos Ruhm hiu. — Und ich muß anglikanische
Geistliche hören, die von dem Kardinal als einem guten Menschen sprechen, die
bedauern, daß er sich von der Kirche, deren Zierde er war — Manning war be¬
kanntlich anglikanischer Priester gewesen —, losgelöst hat und jetzt im Irrtum, doch
nicht in Sünde lebt. Aus solcher Sprache möchte ich schließe», daß, wer so als
Anglikaner spricht, dem charakteristischen Merkmal des Ultramontanismus ganz und
gar nicht abgeneigt ist, und daß er sich das Haupthindernis auf dem Weg nach
Rom fortgeräumt hat. — Die Sache von Rosmint ist nicht so schreiend, aber
substantiell ganz dieselbe. Wenn man zu versteh» gibt, daß ein fähiger und in
alles eingeweihter italienischer Priester, der das Papsttum mit seinem ganzen Inventar
systematischen Verbrechens annimmt, keine Schuld trägt, daß ein solcher Priester
ein unschuldiger, tugendhafter, erbaulicher Christ ist, so scheint mir solche Sprache
eine» schweren Verdacht zu erregen. Gebraucht jemand, von dem ich sonst nichts
weiß, diese anerkennende Sprache, so würde ich sofort Schlimmes von ihm denken.
Wenn ich ihn als fähigen und in mancher Beziehung bewundernswerter Mann
kenne, würde ich in Verwirrung darob geraten, und wenn ich aus der besten Quelle
höre, daß er volles Vertrauen verdient, würde ich mir einzureden versuchen, daß
es wahr ist, und mein Unbehagen zu beruhigen suchen. So habe ich es mit
Liddou gemacht, der das moralische Hindernis nicht kennt. — Ich hätte mich nicht
entschließen können, mit einer andern Person als mit Ihnen mich darüber so aus¬
führlich auszusprechen, und ich setze das Vertrauen in Sie, daß Sie die exakte und
eingeschränkte Meinung meines Briefes nicht mißverstehn. Es liegt mir daran, als
ein Bewundrer, nicht als ein Ankläger Canon Liddons verstanden zu werdeu. Meine
Erklärung ist wertlos, wenn es ihr nicht gelingt, mich hier zu rechtfertigen."




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


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[0676] und seiner Seele, der der Verteidiger, der Anstifter, der Mitschuldige eines Mordes ist. Jede Beschränkung der päpstlichen Autorität, die sie von diesem Vorwurf los¬ bringt, die ihre Solidarität mit Mördern zerreißt und die Blutschuld abwäscht, muß auch die andern Probleme lösen. Es genügt ja doch für meinen jetzigen Zweck zu sagen, daß dieser Fleck so groß und so schlimm ist, daß alles andre unter ihm verschwindet. Ich will Ihnen an einem naheliegenden Beispiel zeigen, was der Ultramontanismus aus einem guten Menschen machen kann. Der heilige Carlo Borromeo, des Papstes Neffe und Minister, schrieb einen Brief, worin er den Mord der Protestanten verlangte und sich beklagte, daß gar keine Köpfe von Ketzern nach Rom gesandt würden trotz der darauf gesetzten Belohnung. Der Herausgeber des Briefes billigt ihn ganz konsequent in einer Anmerkung. Und Kardinal Manning empfiehlt nicht allein der ganzen Welt die Autorität zur Verehrung, die diesen Mörder heilig sprach, sondern macht ihn zu seinem besondern Patron, wird Mitglied der Kongregation der Oblaten Borromeos und gibt sich dem Studium seiner Taten und der Propaganda für San Carlos Ruhm hiu. — Und ich muß anglikanische Geistliche hören, die von dem Kardinal als einem guten Menschen sprechen, die bedauern, daß er sich von der Kirche, deren Zierde er war — Manning war be¬ kanntlich anglikanischer Priester gewesen —, losgelöst hat und jetzt im Irrtum, doch nicht in Sünde lebt. Aus solcher Sprache möchte ich schließe», daß, wer so als Anglikaner spricht, dem charakteristischen Merkmal des Ultramontanismus ganz und gar nicht abgeneigt ist, und daß er sich das Haupthindernis auf dem Weg nach Rom fortgeräumt hat. — Die Sache von Rosmint ist nicht so schreiend, aber substantiell ganz dieselbe. Wenn man zu versteh» gibt, daß ein fähiger und in alles eingeweihter italienischer Priester, der das Papsttum mit seinem ganzen Inventar systematischen Verbrechens annimmt, keine Schuld trägt, daß ein solcher Priester ein unschuldiger, tugendhafter, erbaulicher Christ ist, so scheint mir solche Sprache eine» schweren Verdacht zu erregen. Gebraucht jemand, von dem ich sonst nichts weiß, diese anerkennende Sprache, so würde ich sofort Schlimmes von ihm denken. Wenn ich ihn als fähigen und in mancher Beziehung bewundernswerter Mann kenne, würde ich in Verwirrung darob geraten, und wenn ich aus der besten Quelle höre, daß er volles Vertrauen verdient, würde ich mir einzureden versuchen, daß es wahr ist, und mein Unbehagen zu beruhigen suchen. So habe ich es mit Liddou gemacht, der das moralische Hindernis nicht kennt. — Ich hätte mich nicht entschließen können, mit einer andern Person als mit Ihnen mich darüber so aus¬ führlich auszusprechen, und ich setze das Vertrauen in Sie, daß Sie die exakte und eingeschränkte Meinung meines Briefes nicht mißverstehn. Es liegt mir daran, als ein Bewundrer, nicht als ein Ankläger Canon Liddons verstanden zu werdeu. Meine Erklärung ist wertlos, wenn es ihr nicht gelingt, mich hier zu rechtfertigen." Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig Oolcl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/676>, abgerufen am 28.04.2024.