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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Giordano Lruno

Ringen der höchsten Mächte auf der Erde ohne brutale Gewalteinmischung
das erhebende Schauspiel eines reinen Jdeenkampfes geben, der unsre eigne
Gedankenwelt mit neuen Eindrücken erweiterte und vertiefte.


Franz rvugk


Giordano Bruno

>ugcn Dühring hat Leibniz beschuldigt, daß er seiue Monadeu-
lehre dem unglücklichen Giordano Bruno, ohne diesen mit einer
Silbe zu erwähnen, entnommen, also gestohlen habe. Kuhlen-
beck") geht weiter. "Jahrhundertelang ist Bruno sozusagen ein
! heimlicher Kaiser gewesen, der nur mittelbar durch wenige
Wissende, die größtenteils, wie zum Beispiel Spinoza, Descartes, Leibniz und
andre, ihre Abhängigkeit von ihm verschwiegen, seinen Einfluß auf das deutsche
Geistesleben ausgeübt hat." Wunderbar erscheint es jedenfalls, daß bis auf
die allerneuste Zeit, etwa seit der Säkularfeier in Rom vor vier Jahren, dem
Publikum, auch dein gebildeten, außer dem Namen und der Tatsache seines
Märthrertodes so gut wie nichts von ihm bekannt gewesen ist. Daß Kopernikus
die Umdrehung der Erde um die Sonne gelehrt hat, erfährt jedes Schulkind;
wird aber heute -- und seit wie lange -- wenigstens den Gymnasiasten mit¬
geteilt, daß es Bruno ist, dem wir die doch nicht minder wichtige Erkenntnis
der Natur des Fixsternhimmels verdanken, von dem Kopernikus die naive
alte Vorstellung unangetastet hatte stehn lassen? Daß sich die katholischen
Lehrer nicht beeilt haben, die Verdienste des Ketzers zu preisen, versteht man,
aber für die protestantische Welt hätte doch gerade seine Verbrennung ein
Antrieb sein müssen, den Ruhm des standhaften Bekenners großer Wahrheiten
zu verbreiten. Allerdings hat er sich auch mit den Calvinisten und den
Lutheranern überworfen, und als nicht mehr die Konfession die Wissenschaft
beherrschte, mag er den Zunftgelehrten als vagabondierender Philosoph und
mMvs-is sujst unsympathisch gewesen sein. Sogar Renan noch spricht verächt¬
lich von ihm; im Gegensatz zu Galilei, der klug daran getan habe, vor dem
Inquisitionstribunal abzuschwören, bezeichnet er den Nolcmer, der sich für
seine "unbeweisbare" Philosophie habe verbrennen lassen, als einen unbe¬
sonnenen Schwärmer. Unter den angesehenen Professoren der Philosophie
ist Carriere der erste gewesen, und wie es scheint, bis jetzt der einzige geblieben,
der ihn rückhaltlos anerkannt und in seinem Werke: Die philosophische Welt¬
anschauung der Reformationszeit ausführlich gewürdigt hat. Die beiden hier
angezeigten Schriften hat der Übersetzer mit sorgfältigen Einleitungen und mit
Erläuterungen Versehen, die eine gründliche Kenntnis der Astronomie, der
Philosophie und der alten Klassiker bekunden. Diese Gelehrsamkeit setzt in



") Giordano Brunos Gesammelte Werke. Band 1: Das Aschermittwochs-
mahl. Band 2: Die Vertreibung der triumphierenden Bestie. Ins Deutsche über¬
tragen von Ludwig Kuhlenbeck. Leipzig, Eugen Diederichs, 1904.
Giordano Lruno

Ringen der höchsten Mächte auf der Erde ohne brutale Gewalteinmischung
das erhebende Schauspiel eines reinen Jdeenkampfes geben, der unsre eigne
Gedankenwelt mit neuen Eindrücken erweiterte und vertiefte.


Franz rvugk


Giordano Bruno

>ugcn Dühring hat Leibniz beschuldigt, daß er seiue Monadeu-
lehre dem unglücklichen Giordano Bruno, ohne diesen mit einer
Silbe zu erwähnen, entnommen, also gestohlen habe. Kuhlen-
beck") geht weiter. „Jahrhundertelang ist Bruno sozusagen ein
! heimlicher Kaiser gewesen, der nur mittelbar durch wenige
Wissende, die größtenteils, wie zum Beispiel Spinoza, Descartes, Leibniz und
andre, ihre Abhängigkeit von ihm verschwiegen, seinen Einfluß auf das deutsche
Geistesleben ausgeübt hat." Wunderbar erscheint es jedenfalls, daß bis auf
die allerneuste Zeit, etwa seit der Säkularfeier in Rom vor vier Jahren, dem
Publikum, auch dein gebildeten, außer dem Namen und der Tatsache seines
Märthrertodes so gut wie nichts von ihm bekannt gewesen ist. Daß Kopernikus
die Umdrehung der Erde um die Sonne gelehrt hat, erfährt jedes Schulkind;
wird aber heute — und seit wie lange — wenigstens den Gymnasiasten mit¬
geteilt, daß es Bruno ist, dem wir die doch nicht minder wichtige Erkenntnis
der Natur des Fixsternhimmels verdanken, von dem Kopernikus die naive
alte Vorstellung unangetastet hatte stehn lassen? Daß sich die katholischen
Lehrer nicht beeilt haben, die Verdienste des Ketzers zu preisen, versteht man,
aber für die protestantische Welt hätte doch gerade seine Verbrennung ein
Antrieb sein müssen, den Ruhm des standhaften Bekenners großer Wahrheiten
zu verbreiten. Allerdings hat er sich auch mit den Calvinisten und den
Lutheranern überworfen, und als nicht mehr die Konfession die Wissenschaft
beherrschte, mag er den Zunftgelehrten als vagabondierender Philosoph und
mMvs-is sujst unsympathisch gewesen sein. Sogar Renan noch spricht verächt¬
lich von ihm; im Gegensatz zu Galilei, der klug daran getan habe, vor dem
Inquisitionstribunal abzuschwören, bezeichnet er den Nolcmer, der sich für
seine „unbeweisbare" Philosophie habe verbrennen lassen, als einen unbe¬
sonnenen Schwärmer. Unter den angesehenen Professoren der Philosophie
ist Carriere der erste gewesen, und wie es scheint, bis jetzt der einzige geblieben,
der ihn rückhaltlos anerkannt und in seinem Werke: Die philosophische Welt¬
anschauung der Reformationszeit ausführlich gewürdigt hat. Die beiden hier
angezeigten Schriften hat der Übersetzer mit sorgfältigen Einleitungen und mit
Erläuterungen Versehen, die eine gründliche Kenntnis der Astronomie, der
Philosophie und der alten Klassiker bekunden. Diese Gelehrsamkeit setzt in



") Giordano Brunos Gesammelte Werke. Band 1: Das Aschermittwochs-
mahl. Band 2: Die Vertreibung der triumphierenden Bestie. Ins Deutsche über¬
tragen von Ludwig Kuhlenbeck. Leipzig, Eugen Diederichs, 1904.
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[0756] Giordano Lruno Ringen der höchsten Mächte auf der Erde ohne brutale Gewalteinmischung das erhebende Schauspiel eines reinen Jdeenkampfes geben, der unsre eigne Gedankenwelt mit neuen Eindrücken erweiterte und vertiefte. Franz rvugk Giordano Bruno >ugcn Dühring hat Leibniz beschuldigt, daß er seiue Monadeu- lehre dem unglücklichen Giordano Bruno, ohne diesen mit einer Silbe zu erwähnen, entnommen, also gestohlen habe. Kuhlen- beck") geht weiter. „Jahrhundertelang ist Bruno sozusagen ein ! heimlicher Kaiser gewesen, der nur mittelbar durch wenige Wissende, die größtenteils, wie zum Beispiel Spinoza, Descartes, Leibniz und andre, ihre Abhängigkeit von ihm verschwiegen, seinen Einfluß auf das deutsche Geistesleben ausgeübt hat." Wunderbar erscheint es jedenfalls, daß bis auf die allerneuste Zeit, etwa seit der Säkularfeier in Rom vor vier Jahren, dem Publikum, auch dein gebildeten, außer dem Namen und der Tatsache seines Märthrertodes so gut wie nichts von ihm bekannt gewesen ist. Daß Kopernikus die Umdrehung der Erde um die Sonne gelehrt hat, erfährt jedes Schulkind; wird aber heute — und seit wie lange — wenigstens den Gymnasiasten mit¬ geteilt, daß es Bruno ist, dem wir die doch nicht minder wichtige Erkenntnis der Natur des Fixsternhimmels verdanken, von dem Kopernikus die naive alte Vorstellung unangetastet hatte stehn lassen? Daß sich die katholischen Lehrer nicht beeilt haben, die Verdienste des Ketzers zu preisen, versteht man, aber für die protestantische Welt hätte doch gerade seine Verbrennung ein Antrieb sein müssen, den Ruhm des standhaften Bekenners großer Wahrheiten zu verbreiten. Allerdings hat er sich auch mit den Calvinisten und den Lutheranern überworfen, und als nicht mehr die Konfession die Wissenschaft beherrschte, mag er den Zunftgelehrten als vagabondierender Philosoph und mMvs-is sujst unsympathisch gewesen sein. Sogar Renan noch spricht verächt¬ lich von ihm; im Gegensatz zu Galilei, der klug daran getan habe, vor dem Inquisitionstribunal abzuschwören, bezeichnet er den Nolcmer, der sich für seine „unbeweisbare" Philosophie habe verbrennen lassen, als einen unbe¬ sonnenen Schwärmer. Unter den angesehenen Professoren der Philosophie ist Carriere der erste gewesen, und wie es scheint, bis jetzt der einzige geblieben, der ihn rückhaltlos anerkannt und in seinem Werke: Die philosophische Welt¬ anschauung der Reformationszeit ausführlich gewürdigt hat. Die beiden hier angezeigten Schriften hat der Übersetzer mit sorgfältigen Einleitungen und mit Erläuterungen Versehen, die eine gründliche Kenntnis der Astronomie, der Philosophie und der alten Klassiker bekunden. Diese Gelehrsamkeit setzt in ") Giordano Brunos Gesammelte Werke. Band 1: Das Aschermittwochs- mahl. Band 2: Die Vertreibung der triumphierenden Bestie. Ins Deutsche über¬ tragen von Ludwig Kuhlenbeck. Leipzig, Eugen Diederichs, 1904.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/756>, abgerufen am 27.04.2024.