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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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vom Kampfe gegen den Alkohol

als Robert Blum eine schwere Beschuldigung gegen die preußische Negierung
erhoben hatte. Es ist kaum denkbar, daß er deshalb der Volksrache zum
Opfer gefallen ist. Wahrscheinlich ist, daß er, den Mördern selbst unbekannt,
ermordet wurde, weil er in der Gesellschaft des verhaßten Fürsten Lichnowsky
war. Anders lagen die Verhältnisse bei diesem. Niemand in der Pauls¬
kirche und außerhalb dieser haßte die radikale Partei so sehr wie Fürst Lich¬
nowsky. Keiner unter allen Abgeordneten der Paulskirche trat den vor¬
kommenden Übertreibungen, Torheiten und Ungerechtigkeiten so energisch entgegen
wie er. Die Unerschrocken!)eit und der Mut, womit er dies tat, waren wahr¬
haft bewundernswcrt. Wenn das Publikum der Galerie bei seinen Ausführungen
oftmals in stürmische Mißfallsbezeugnngen ausbrnch, dann trat er auf der
Rednerbühne so weit als möglich zurück, haranguierte erhobnen Hauptes die
Schreier oben und apostrophierte sie in der herausforderndsten Weise mit bittrer
Satire und verletzender Schroffheit. Hieraus erklärt sich der tödliche Haß, womit
die Radikalen ihn mehr als jeden andern ihrer politischen Gegner verfolgten.
Moritz Hartmann und Fürst Lichnowsky waren die schönsten Männer des Frank¬
furter Parlaments. Fürst Lichnowsky war etwas über mittelgroß und von
schlanker Gestalt, er hatte prächtiges, schwarzes, etwas ins bläuliche schim¬
merndes volles Haupthaar; Schnurr- und Knebelbart waren immer wohl ge¬
pflegt; die Kleidung meist dunkel, einfach, aber immer sehr elegant. Seine
schönen Augen erschienen etwas verschleiert, blickten aber im Umgang ungemein
angenehm und freundlich. Sein Organ war hell mit einem Anflug von Heiser¬
keit; er gehörte zu den schlagfertigsten und temperamentvollsten Rednern der
Paulskirche.

Mit diesem 18. September schloß der erste und hoffnungsvollste Abschnitt
in der Geschichte der ersten deutschen Volksvertretung. Es befestigte sich von
da an auch immer mehr die Auffassung, daß die Wahl des Erzherzogs Johann
von Österreich, so edel und gut anfänglich die Beweggründe dazu gewesen
waren, ein großer politischer Fehler war.




Vom Kampfe gegen den Alkohol
(Schluß)

>s gehört zu den Schattenseiten der Kulturentwicklung, daß die
Zahl der Schneider stetig wächst und die der Schmiede entsprechend
abnimmt. Die im Freien beschäftigten und die Muskelarbeiter
machen einen immer kleinern, die Kopf-, Schreibstuben- und
! Werkstattarbeiter, diese oft mehr Arbeitmaschinenbediener als
Arbeiter, einen immer größern Prozentsatz ans. Infolgedessen wirken der
Alkoholgenuß und die Vertilgung großer Getrünkemengen immer schädlicher,
und das erklärt allein schon die Bewegung gegen den Alkohol und verleiht
ihr Berechtigung. Eine andre Schattenseite besteht darin, daß unsre ver-


vom Kampfe gegen den Alkohol

als Robert Blum eine schwere Beschuldigung gegen die preußische Negierung
erhoben hatte. Es ist kaum denkbar, daß er deshalb der Volksrache zum
Opfer gefallen ist. Wahrscheinlich ist, daß er, den Mördern selbst unbekannt,
ermordet wurde, weil er in der Gesellschaft des verhaßten Fürsten Lichnowsky
war. Anders lagen die Verhältnisse bei diesem. Niemand in der Pauls¬
kirche und außerhalb dieser haßte die radikale Partei so sehr wie Fürst Lich¬
nowsky. Keiner unter allen Abgeordneten der Paulskirche trat den vor¬
kommenden Übertreibungen, Torheiten und Ungerechtigkeiten so energisch entgegen
wie er. Die Unerschrocken!)eit und der Mut, womit er dies tat, waren wahr¬
haft bewundernswcrt. Wenn das Publikum der Galerie bei seinen Ausführungen
oftmals in stürmische Mißfallsbezeugnngen ausbrnch, dann trat er auf der
Rednerbühne so weit als möglich zurück, haranguierte erhobnen Hauptes die
Schreier oben und apostrophierte sie in der herausforderndsten Weise mit bittrer
Satire und verletzender Schroffheit. Hieraus erklärt sich der tödliche Haß, womit
die Radikalen ihn mehr als jeden andern ihrer politischen Gegner verfolgten.
Moritz Hartmann und Fürst Lichnowsky waren die schönsten Männer des Frank¬
furter Parlaments. Fürst Lichnowsky war etwas über mittelgroß und von
schlanker Gestalt, er hatte prächtiges, schwarzes, etwas ins bläuliche schim¬
merndes volles Haupthaar; Schnurr- und Knebelbart waren immer wohl ge¬
pflegt; die Kleidung meist dunkel, einfach, aber immer sehr elegant. Seine
schönen Augen erschienen etwas verschleiert, blickten aber im Umgang ungemein
angenehm und freundlich. Sein Organ war hell mit einem Anflug von Heiser¬
keit; er gehörte zu den schlagfertigsten und temperamentvollsten Rednern der
Paulskirche.

Mit diesem 18. September schloß der erste und hoffnungsvollste Abschnitt
in der Geschichte der ersten deutschen Volksvertretung. Es befestigte sich von
da an auch immer mehr die Auffassung, daß die Wahl des Erzherzogs Johann
von Österreich, so edel und gut anfänglich die Beweggründe dazu gewesen
waren, ein großer politischer Fehler war.




Vom Kampfe gegen den Alkohol
(Schluß)

>s gehört zu den Schattenseiten der Kulturentwicklung, daß die
Zahl der Schneider stetig wächst und die der Schmiede entsprechend
abnimmt. Die im Freien beschäftigten und die Muskelarbeiter
machen einen immer kleinern, die Kopf-, Schreibstuben- und
! Werkstattarbeiter, diese oft mehr Arbeitmaschinenbediener als
Arbeiter, einen immer größern Prozentsatz ans. Infolgedessen wirken der
Alkoholgenuß und die Vertilgung großer Getrünkemengen immer schädlicher,
und das erklärt allein schon die Bewegung gegen den Alkohol und verleiht
ihr Berechtigung. Eine andre Schattenseite besteht darin, daß unsre ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/91>, abgerufen am 28.04.2024.