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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Neichssviegel. Die Lipper Regentschaftstreitigkeiten haben wieder einmal
dargetan, wieviel wir Deutschen dreiunddreißig Jahre nach der Aufrichtung des
Reichs noch für den Sturm im Glase Wasser übrig haben. Für eine Nation, die
Weltpolitik treiben und mit den andern seit Jahrhunderten einheitlich geschlossenen
großen Nationen in Wettbewerb treten will, ist das nicht gerade rühmlich. Gewiß
ist die Regierungsfrage eines deutschen Reichsgliedes zunächst ein Jnternnm der
Landesgesetzgebung; wo diese nicht ausreicht, einen entstandnen Streit zu schlichten,
hat die Reichsverfassung in ihrem Artikel 76 in weiser Voraussicht dem Bundesrat
die Entscheidung zugesprochen. Im vorliegenden Fall ist es ein Streit zwischen
Lippe und Schaumburg-Lippe, der aber durch die Hineinziehung der Frage des
Hausvermögens neben dem politischen Charakter auch noch einen privatrechtlichen
erhält. Daß die Landesgesetzgebung allein nicht immer ausreicht, Successions-
streitigkeiten auszutragen, beweist die Lage in Vraunschweig. Aus diesem Grunde
hat der lippische Streit auch eine prinzipielle Seite, auf die das Reich besondern
Nachdruck legen muß. Noch wünschenswerter ist es freilich, Disharmonien
solcher Art von langer Hand her vorzubeugen, denn auf welche Seite immer
man sich in dem vorliegenden Streitfalle stellen mag, wird man zugeben müssen,
daß durch die sensationelle Behandlung, wie sie heutzutage nun einmal üblich zu
sein scheint, der monarchische Gedanke in bedauerlicher Weise leidet. Die Art, wie
der Streit im lippischen Lande selbst geführt wird, beweist, daß wir Deutschen
eigentlich trotz allem Wechsel der Zeiten und der Geschichte immer noch dieselben
geblieben sind, die wir vor drei- und vierhundert Jahren waren, nur mit dem Unter¬
schiede, daß damals ein solcher Streit in blutigen Fehden ausgetragen worden wäre,
an denen die Geschichte des deutschen Mittelalters so reich ist. Wenigstens den Vorzug
gewährt die heutige Zeit, daß ohne Ermächtigung durch das Reichsoberhaupt in
deutschen Landen kein Schwert aus der Scheide fliegt. Ob es notwendig war, das
Telegramm des Kaisers in der Weise, wie es geschehen ist, von der lippischen Re¬
gierung zum Kern einer Regierungsvorlage zu macheu, ohne zuvor mit dem Reichs¬
kanzler und preußischen Ministerpräsidenten in Benehmen getreten zu sein, dürfte Wohl
auch noch Gegenstand der Erörterung werden. Die Auskunft, die der Vizepräsident
des lippischen Landtags, Herr Hoffmann, vom Reichskanzler erbeten hatte, hätte vor
allem doch die lippische Regierung, und zwar vor der Eröffnung des Landtags
einholen sollen. Es wäre ihr dann erspart geblieben, solche Aufregung in die
öffentliche Debatte zu bringen, sie würde vielmehr eine sehr viel bessere Position
gehabt haben, wenn sie statt des Kaisertelegramms und des dagegen eingelegten
Protestes die amtliche, nach Form und Inhalt jedenfalls unantastbare Erklärung
des Reichskanzlers hätte mitteilen können. Was die Behauptung anlangt, daß sich
der Kaiser im lippischen Streit durch Familieninteressen leiten lasse, so wird vielleicht
die Haltlosigkeit einer solchen Behauptung am besten durch die Stellung des Kaisers
zu dem Augustenbnrgischen Protest in der Oldenburger Successionsfrage widerlegt,
wo er die Auffassung seines Schwagers, des Herzogs Günther, durchaus nicht teilt.

Von größerm Belang als der lippische Streit ist für Deutschland eine neuer¬
dings in der Presse cmfgetretne Erörterung, die darauf hinausläuft, die für eine
Verstärkung der Flotte nötigen Mittel durch Einschränkung der Heeres¬
ausgaben zu gewinnen, eine Idee, die eigentlich ihren Platz neben dem
Virchowschen Abrüstungsantrag von 1869 verdient. Die Argumentation, daß
Rußland uns auf ein Jahrzehnt und länger hinaus uicht gefährlich sein könne und
werde, Frankreich allein aber wenig Neigung haben dürfte, mit Deutschland anzu¬
binden, ist wenig stichhaltig. Es sind auch außerhalb des bisherigen Zweibundes
die verschiedensten Allianzkombinationen für Frankreich gegen Deutschland denkbar.
Jedenfalls würden wir allen offnen oder versteckten Feinden den Entschluß, den
Kampf mit uns aufzunehmen, ganz wesentlich erleichtern von dem Augenblick an,


Gcenzboten IV 1904 Ili
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Neichssviegel. Die Lipper Regentschaftstreitigkeiten haben wieder einmal
dargetan, wieviel wir Deutschen dreiunddreißig Jahre nach der Aufrichtung des
Reichs noch für den Sturm im Glase Wasser übrig haben. Für eine Nation, die
Weltpolitik treiben und mit den andern seit Jahrhunderten einheitlich geschlossenen
großen Nationen in Wettbewerb treten will, ist das nicht gerade rühmlich. Gewiß
ist die Regierungsfrage eines deutschen Reichsgliedes zunächst ein Jnternnm der
Landesgesetzgebung; wo diese nicht ausreicht, einen entstandnen Streit zu schlichten,
hat die Reichsverfassung in ihrem Artikel 76 in weiser Voraussicht dem Bundesrat
die Entscheidung zugesprochen. Im vorliegenden Fall ist es ein Streit zwischen
Lippe und Schaumburg-Lippe, der aber durch die Hineinziehung der Frage des
Hausvermögens neben dem politischen Charakter auch noch einen privatrechtlichen
erhält. Daß die Landesgesetzgebung allein nicht immer ausreicht, Successions-
streitigkeiten auszutragen, beweist die Lage in Vraunschweig. Aus diesem Grunde
hat der lippische Streit auch eine prinzipielle Seite, auf die das Reich besondern
Nachdruck legen muß. Noch wünschenswerter ist es freilich, Disharmonien
solcher Art von langer Hand her vorzubeugen, denn auf welche Seite immer
man sich in dem vorliegenden Streitfalle stellen mag, wird man zugeben müssen,
daß durch die sensationelle Behandlung, wie sie heutzutage nun einmal üblich zu
sein scheint, der monarchische Gedanke in bedauerlicher Weise leidet. Die Art, wie
der Streit im lippischen Lande selbst geführt wird, beweist, daß wir Deutschen
eigentlich trotz allem Wechsel der Zeiten und der Geschichte immer noch dieselben
geblieben sind, die wir vor drei- und vierhundert Jahren waren, nur mit dem Unter¬
schiede, daß damals ein solcher Streit in blutigen Fehden ausgetragen worden wäre,
an denen die Geschichte des deutschen Mittelalters so reich ist. Wenigstens den Vorzug
gewährt die heutige Zeit, daß ohne Ermächtigung durch das Reichsoberhaupt in
deutschen Landen kein Schwert aus der Scheide fliegt. Ob es notwendig war, das
Telegramm des Kaisers in der Weise, wie es geschehen ist, von der lippischen Re¬
gierung zum Kern einer Regierungsvorlage zu macheu, ohne zuvor mit dem Reichs¬
kanzler und preußischen Ministerpräsidenten in Benehmen getreten zu sein, dürfte Wohl
auch noch Gegenstand der Erörterung werden. Die Auskunft, die der Vizepräsident
des lippischen Landtags, Herr Hoffmann, vom Reichskanzler erbeten hatte, hätte vor
allem doch die lippische Regierung, und zwar vor der Eröffnung des Landtags
einholen sollen. Es wäre ihr dann erspart geblieben, solche Aufregung in die
öffentliche Debatte zu bringen, sie würde vielmehr eine sehr viel bessere Position
gehabt haben, wenn sie statt des Kaisertelegramms und des dagegen eingelegten
Protestes die amtliche, nach Form und Inhalt jedenfalls unantastbare Erklärung
des Reichskanzlers hätte mitteilen können. Was die Behauptung anlangt, daß sich
der Kaiser im lippischen Streit durch Familieninteressen leiten lasse, so wird vielleicht
die Haltlosigkeit einer solchen Behauptung am besten durch die Stellung des Kaisers
zu dem Augustenbnrgischen Protest in der Oldenburger Successionsfrage widerlegt,
wo er die Auffassung seines Schwagers, des Herzogs Günther, durchaus nicht teilt.

Von größerm Belang als der lippische Streit ist für Deutschland eine neuer¬
dings in der Presse cmfgetretne Erörterung, die darauf hinausläuft, die für eine
Verstärkung der Flotte nötigen Mittel durch Einschränkung der Heeres¬
ausgaben zu gewinnen, eine Idee, die eigentlich ihren Platz neben dem
Virchowschen Abrüstungsantrag von 1869 verdient. Die Argumentation, daß
Rußland uns auf ein Jahrzehnt und länger hinaus uicht gefährlich sein könne und
werde, Frankreich allein aber wenig Neigung haben dürfte, mit Deutschland anzu¬
binden, ist wenig stichhaltig. Es sind auch außerhalb des bisherigen Zweibundes
die verschiedensten Allianzkombinationen für Frankreich gegen Deutschland denkbar.
Jedenfalls würden wir allen offnen oder versteckten Feinden den Entschluß, den
Kampf mit uns aufzunehmen, ganz wesentlich erleichtern von dem Augenblick an,


Gcenzboten IV 1904 Ili
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[0123] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Neichssviegel. Die Lipper Regentschaftstreitigkeiten haben wieder einmal dargetan, wieviel wir Deutschen dreiunddreißig Jahre nach der Aufrichtung des Reichs noch für den Sturm im Glase Wasser übrig haben. Für eine Nation, die Weltpolitik treiben und mit den andern seit Jahrhunderten einheitlich geschlossenen großen Nationen in Wettbewerb treten will, ist das nicht gerade rühmlich. Gewiß ist die Regierungsfrage eines deutschen Reichsgliedes zunächst ein Jnternnm der Landesgesetzgebung; wo diese nicht ausreicht, einen entstandnen Streit zu schlichten, hat die Reichsverfassung in ihrem Artikel 76 in weiser Voraussicht dem Bundesrat die Entscheidung zugesprochen. Im vorliegenden Fall ist es ein Streit zwischen Lippe und Schaumburg-Lippe, der aber durch die Hineinziehung der Frage des Hausvermögens neben dem politischen Charakter auch noch einen privatrechtlichen erhält. Daß die Landesgesetzgebung allein nicht immer ausreicht, Successions- streitigkeiten auszutragen, beweist die Lage in Vraunschweig. Aus diesem Grunde hat der lippische Streit auch eine prinzipielle Seite, auf die das Reich besondern Nachdruck legen muß. Noch wünschenswerter ist es freilich, Disharmonien solcher Art von langer Hand her vorzubeugen, denn auf welche Seite immer man sich in dem vorliegenden Streitfalle stellen mag, wird man zugeben müssen, daß durch die sensationelle Behandlung, wie sie heutzutage nun einmal üblich zu sein scheint, der monarchische Gedanke in bedauerlicher Weise leidet. Die Art, wie der Streit im lippischen Lande selbst geführt wird, beweist, daß wir Deutschen eigentlich trotz allem Wechsel der Zeiten und der Geschichte immer noch dieselben geblieben sind, die wir vor drei- und vierhundert Jahren waren, nur mit dem Unter¬ schiede, daß damals ein solcher Streit in blutigen Fehden ausgetragen worden wäre, an denen die Geschichte des deutschen Mittelalters so reich ist. Wenigstens den Vorzug gewährt die heutige Zeit, daß ohne Ermächtigung durch das Reichsoberhaupt in deutschen Landen kein Schwert aus der Scheide fliegt. Ob es notwendig war, das Telegramm des Kaisers in der Weise, wie es geschehen ist, von der lippischen Re¬ gierung zum Kern einer Regierungsvorlage zu macheu, ohne zuvor mit dem Reichs¬ kanzler und preußischen Ministerpräsidenten in Benehmen getreten zu sein, dürfte Wohl auch noch Gegenstand der Erörterung werden. Die Auskunft, die der Vizepräsident des lippischen Landtags, Herr Hoffmann, vom Reichskanzler erbeten hatte, hätte vor allem doch die lippische Regierung, und zwar vor der Eröffnung des Landtags einholen sollen. Es wäre ihr dann erspart geblieben, solche Aufregung in die öffentliche Debatte zu bringen, sie würde vielmehr eine sehr viel bessere Position gehabt haben, wenn sie statt des Kaisertelegramms und des dagegen eingelegten Protestes die amtliche, nach Form und Inhalt jedenfalls unantastbare Erklärung des Reichskanzlers hätte mitteilen können. Was die Behauptung anlangt, daß sich der Kaiser im lippischen Streit durch Familieninteressen leiten lasse, so wird vielleicht die Haltlosigkeit einer solchen Behauptung am besten durch die Stellung des Kaisers zu dem Augustenbnrgischen Protest in der Oldenburger Successionsfrage widerlegt, wo er die Auffassung seines Schwagers, des Herzogs Günther, durchaus nicht teilt. Von größerm Belang als der lippische Streit ist für Deutschland eine neuer¬ dings in der Presse cmfgetretne Erörterung, die darauf hinausläuft, die für eine Verstärkung der Flotte nötigen Mittel durch Einschränkung der Heeres¬ ausgaben zu gewinnen, eine Idee, die eigentlich ihren Platz neben dem Virchowschen Abrüstungsantrag von 1869 verdient. Die Argumentation, daß Rußland uns auf ein Jahrzehnt und länger hinaus uicht gefährlich sein könne und werde, Frankreich allein aber wenig Neigung haben dürfte, mit Deutschland anzu¬ binden, ist wenig stichhaltig. Es sind auch außerhalb des bisherigen Zweibundes die verschiedensten Allianzkombinationen für Frankreich gegen Deutschland denkbar. Jedenfalls würden wir allen offnen oder versteckten Feinden den Entschluß, den Kampf mit uns aufzunehmen, ganz wesentlich erleichtern von dem Augenblick an, Gcenzboten IV 1904 Ili

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/123>, abgerufen am 03.05.2024.