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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wo wir begonnen, die Armee zu vernachlässigen, oder wo wir darauf verzichten
wollten, sie auf der Höhe ihrer Aufgaben zu erhalten. Praktisch hat die oben
erwähnte Theorie allerdings ganz und gar keinen Sinn. Das gesamte Retchsheer
kostet für 1903 650 Millionen Mark, um diesen Preis haben wir 500000 Mann
mit 105000 Pferden auf den Beinen, einschließlich aller für die Mobilmachung
nötigen Vorbereitungen und Vorräte. Die Kosten eines modernen Linienschiffes
erster Klasse berechnen sich -- ohne Besatzung und Munition -- auf 25 Millionen
Mark, während sich die Durchschnittskosten für ein ganzes Armeekorps im Jahr
auf 27 Millionen Mark belaufen, wobei der Anteil an Festungen, Instituten usw.
schon mit eingerechnet ist. Nun wird es wohl niemand in Deutschland geben, der
-- auch der Staatssekretär der Marine nicht -- ein Armeekorps missen und
dafür ein vollausgerüstetes und vollbesetztes Linienschiff eintauschen möchte. Aller¬
dings kostet die Anschaffung des Linienschiffs nur einmal die 25 Millionen Mark,
des Armeekorps jährlich 27 Millionen, und das Linienschiff soll eine zwanzig¬
jährige Lebensdauer habe". Aber abgesehen davon, daß nach zwanzig Jahren die
Schiffe bei den heutigen Fortschritten der Technik längst veraltet sein werden und
inzwischen noch eine große Summe für Reparaturen, Umbauten, Neuarmierung usw.
gebraucht haben werden, kehren sich weder die Elemente noch die Seeschlacht an
solche Berechnungen. Der japanische Krieg lehrt uns die Notwendigkeit einer
starken Flotte von Linienschiffen, ebenso wie ihre schnelle Vergänglichkeit. Ohne
eine solche Flotte hätte Japan weder den Krieg beginnen noch mit dem bis¬
herigen Erfolge führen können, andrerseits wäre der Überfall bei Port Arthur
mit seinen für Rußland so mißlichen Folgen nicht möglich gewesen, hätte die
russische Flotte in Stärke und Schlagfertigkeit auf der Höhe ihrer Aufgaben ge¬
standen. Einige schlagfertige Linienschiffe erster Klasse und einen tüchtigen Admiral
mehr -- damit hätte sich Rußland viel ersparen können. Wachsen wir mit unserm
Menschenmaterial so weiter, in noch zwanzig Jahren bis auf achtzig Millionen,
so werden wir die allgemeine Wehrpflicht in der bisherigen Form kaum noch
durchführen können. Es wäre weder möglich, 800000 Mann unter Waffen zu
halten, noch weniger aber die Führerstellen zu besetzen, es würde an Offizieren
fehlen, oder das Material würde ziemlich schlecht werden. Was wir zu jener Zeit
tun werden, ist aber ours. xoswrior. Die Entscheidung über unsre Zukunft kann
durch Vernichtung unsrer Handelsflotte, durch eine schwere Niederlage einer
schwachen Kriegsflotte, sehr Wohl auf der See liegen, aber sie wird nie so tief
greifen, wenn wir dabei Metz und Straßburg zu halten vermögen.

Sind wir zu Lande stark, so wird die Tätigkeit feindlicher Flotten immer
an der Küste endigen, und ausgeschiffte Landungskorps würden höchstens zwei oder
drei Tagemarsche weit ins Innere kommen. Werden wir von den Franzosen zu
Lande geschlagen, sodaß wir zum Beispiel das linke Rheinufer aufgeben müßten,
so würde uns demgegenüber ein voller Seesieg nur dann von Nutzen sein können,
wenn die siegreiche Flotte imstande wäre, ein deutsches Heer an der französischen Küste
auszuschiffen. Also ein starkes, sehr starkes Landheer unter allen Umständen!
Das schließt aber eine allmähliche Verstärkung der Flotte keineswegs aus. Entweder
kommen wir wirtschaftlich vorwärts -- und dazu bedürfen wir der Flotte --, dann
können wir auch die Kosten aufbringen. Oder wir kommen wirtschaftlich dauernd
zurück, was bei dem Fleiße, der Umsicht, Energie und Intelligenz unsrer Bevölkerung
wohl nicht anzunehmen ist, dann würden weder Heer noch Flotte den Verfall des
Reichs aufhalten. In unsrer wirtschaftlichen Stärke wird auch unsre militärische
Stärke liegen, und die Armee erstattet die für sie gebrachten Opfer schon im Frieden
zurück, indem sie die junge Mannschaft des Landes zu tüchtigen brauchbaren Leute"
von Pflichtgefühl, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erzieht. Dieser Umstand wird
dereinst, wenn die Menschenzahl zu einer Herabsetzung des Aushebungsprozentsatzes
nötigen wird, sehr ernst zu erwägen sein. Die deutsche Flotte wird an Deutsch¬
lands Zukunft sicherlich einen wesentlich andern Anteil haben, als sie an seinen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

wo wir begonnen, die Armee zu vernachlässigen, oder wo wir darauf verzichten
wollten, sie auf der Höhe ihrer Aufgaben zu erhalten. Praktisch hat die oben
erwähnte Theorie allerdings ganz und gar keinen Sinn. Das gesamte Retchsheer
kostet für 1903 650 Millionen Mark, um diesen Preis haben wir 500000 Mann
mit 105000 Pferden auf den Beinen, einschließlich aller für die Mobilmachung
nötigen Vorbereitungen und Vorräte. Die Kosten eines modernen Linienschiffes
erster Klasse berechnen sich — ohne Besatzung und Munition — auf 25 Millionen
Mark, während sich die Durchschnittskosten für ein ganzes Armeekorps im Jahr
auf 27 Millionen Mark belaufen, wobei der Anteil an Festungen, Instituten usw.
schon mit eingerechnet ist. Nun wird es wohl niemand in Deutschland geben, der
— auch der Staatssekretär der Marine nicht — ein Armeekorps missen und
dafür ein vollausgerüstetes und vollbesetztes Linienschiff eintauschen möchte. Aller¬
dings kostet die Anschaffung des Linienschiffs nur einmal die 25 Millionen Mark,
des Armeekorps jährlich 27 Millionen, und das Linienschiff soll eine zwanzig¬
jährige Lebensdauer habe». Aber abgesehen davon, daß nach zwanzig Jahren die
Schiffe bei den heutigen Fortschritten der Technik längst veraltet sein werden und
inzwischen noch eine große Summe für Reparaturen, Umbauten, Neuarmierung usw.
gebraucht haben werden, kehren sich weder die Elemente noch die Seeschlacht an
solche Berechnungen. Der japanische Krieg lehrt uns die Notwendigkeit einer
starken Flotte von Linienschiffen, ebenso wie ihre schnelle Vergänglichkeit. Ohne
eine solche Flotte hätte Japan weder den Krieg beginnen noch mit dem bis¬
herigen Erfolge führen können, andrerseits wäre der Überfall bei Port Arthur
mit seinen für Rußland so mißlichen Folgen nicht möglich gewesen, hätte die
russische Flotte in Stärke und Schlagfertigkeit auf der Höhe ihrer Aufgaben ge¬
standen. Einige schlagfertige Linienschiffe erster Klasse und einen tüchtigen Admiral
mehr — damit hätte sich Rußland viel ersparen können. Wachsen wir mit unserm
Menschenmaterial so weiter, in noch zwanzig Jahren bis auf achtzig Millionen,
so werden wir die allgemeine Wehrpflicht in der bisherigen Form kaum noch
durchführen können. Es wäre weder möglich, 800000 Mann unter Waffen zu
halten, noch weniger aber die Führerstellen zu besetzen, es würde an Offizieren
fehlen, oder das Material würde ziemlich schlecht werden. Was wir zu jener Zeit
tun werden, ist aber ours. xoswrior. Die Entscheidung über unsre Zukunft kann
durch Vernichtung unsrer Handelsflotte, durch eine schwere Niederlage einer
schwachen Kriegsflotte, sehr Wohl auf der See liegen, aber sie wird nie so tief
greifen, wenn wir dabei Metz und Straßburg zu halten vermögen.

Sind wir zu Lande stark, so wird die Tätigkeit feindlicher Flotten immer
an der Küste endigen, und ausgeschiffte Landungskorps würden höchstens zwei oder
drei Tagemarsche weit ins Innere kommen. Werden wir von den Franzosen zu
Lande geschlagen, sodaß wir zum Beispiel das linke Rheinufer aufgeben müßten,
so würde uns demgegenüber ein voller Seesieg nur dann von Nutzen sein können,
wenn die siegreiche Flotte imstande wäre, ein deutsches Heer an der französischen Küste
auszuschiffen. Also ein starkes, sehr starkes Landheer unter allen Umständen!
Das schließt aber eine allmähliche Verstärkung der Flotte keineswegs aus. Entweder
kommen wir wirtschaftlich vorwärts — und dazu bedürfen wir der Flotte —, dann
können wir auch die Kosten aufbringen. Oder wir kommen wirtschaftlich dauernd
zurück, was bei dem Fleiße, der Umsicht, Energie und Intelligenz unsrer Bevölkerung
wohl nicht anzunehmen ist, dann würden weder Heer noch Flotte den Verfall des
Reichs aufhalten. In unsrer wirtschaftlichen Stärke wird auch unsre militärische
Stärke liegen, und die Armee erstattet die für sie gebrachten Opfer schon im Frieden
zurück, indem sie die junge Mannschaft des Landes zu tüchtigen brauchbaren Leute»
von Pflichtgefühl, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erzieht. Dieser Umstand wird
dereinst, wenn die Menschenzahl zu einer Herabsetzung des Aushebungsprozentsatzes
nötigen wird, sehr ernst zu erwägen sein. Die deutsche Flotte wird an Deutsch¬
lands Zukunft sicherlich einen wesentlich andern Anteil haben, als sie an seinen


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[0124] Maßgebliches und Unmaßgebliches wo wir begonnen, die Armee zu vernachlässigen, oder wo wir darauf verzichten wollten, sie auf der Höhe ihrer Aufgaben zu erhalten. Praktisch hat die oben erwähnte Theorie allerdings ganz und gar keinen Sinn. Das gesamte Retchsheer kostet für 1903 650 Millionen Mark, um diesen Preis haben wir 500000 Mann mit 105000 Pferden auf den Beinen, einschließlich aller für die Mobilmachung nötigen Vorbereitungen und Vorräte. Die Kosten eines modernen Linienschiffes erster Klasse berechnen sich — ohne Besatzung und Munition — auf 25 Millionen Mark, während sich die Durchschnittskosten für ein ganzes Armeekorps im Jahr auf 27 Millionen Mark belaufen, wobei der Anteil an Festungen, Instituten usw. schon mit eingerechnet ist. Nun wird es wohl niemand in Deutschland geben, der — auch der Staatssekretär der Marine nicht — ein Armeekorps missen und dafür ein vollausgerüstetes und vollbesetztes Linienschiff eintauschen möchte. Aller¬ dings kostet die Anschaffung des Linienschiffs nur einmal die 25 Millionen Mark, des Armeekorps jährlich 27 Millionen, und das Linienschiff soll eine zwanzig¬ jährige Lebensdauer habe». Aber abgesehen davon, daß nach zwanzig Jahren die Schiffe bei den heutigen Fortschritten der Technik längst veraltet sein werden und inzwischen noch eine große Summe für Reparaturen, Umbauten, Neuarmierung usw. gebraucht haben werden, kehren sich weder die Elemente noch die Seeschlacht an solche Berechnungen. Der japanische Krieg lehrt uns die Notwendigkeit einer starken Flotte von Linienschiffen, ebenso wie ihre schnelle Vergänglichkeit. Ohne eine solche Flotte hätte Japan weder den Krieg beginnen noch mit dem bis¬ herigen Erfolge führen können, andrerseits wäre der Überfall bei Port Arthur mit seinen für Rußland so mißlichen Folgen nicht möglich gewesen, hätte die russische Flotte in Stärke und Schlagfertigkeit auf der Höhe ihrer Aufgaben ge¬ standen. Einige schlagfertige Linienschiffe erster Klasse und einen tüchtigen Admiral mehr — damit hätte sich Rußland viel ersparen können. Wachsen wir mit unserm Menschenmaterial so weiter, in noch zwanzig Jahren bis auf achtzig Millionen, so werden wir die allgemeine Wehrpflicht in der bisherigen Form kaum noch durchführen können. Es wäre weder möglich, 800000 Mann unter Waffen zu halten, noch weniger aber die Führerstellen zu besetzen, es würde an Offizieren fehlen, oder das Material würde ziemlich schlecht werden. Was wir zu jener Zeit tun werden, ist aber ours. xoswrior. Die Entscheidung über unsre Zukunft kann durch Vernichtung unsrer Handelsflotte, durch eine schwere Niederlage einer schwachen Kriegsflotte, sehr Wohl auf der See liegen, aber sie wird nie so tief greifen, wenn wir dabei Metz und Straßburg zu halten vermögen. Sind wir zu Lande stark, so wird die Tätigkeit feindlicher Flotten immer an der Küste endigen, und ausgeschiffte Landungskorps würden höchstens zwei oder drei Tagemarsche weit ins Innere kommen. Werden wir von den Franzosen zu Lande geschlagen, sodaß wir zum Beispiel das linke Rheinufer aufgeben müßten, so würde uns demgegenüber ein voller Seesieg nur dann von Nutzen sein können, wenn die siegreiche Flotte imstande wäre, ein deutsches Heer an der französischen Küste auszuschiffen. Also ein starkes, sehr starkes Landheer unter allen Umständen! Das schließt aber eine allmähliche Verstärkung der Flotte keineswegs aus. Entweder kommen wir wirtschaftlich vorwärts — und dazu bedürfen wir der Flotte —, dann können wir auch die Kosten aufbringen. Oder wir kommen wirtschaftlich dauernd zurück, was bei dem Fleiße, der Umsicht, Energie und Intelligenz unsrer Bevölkerung wohl nicht anzunehmen ist, dann würden weder Heer noch Flotte den Verfall des Reichs aufhalten. In unsrer wirtschaftlichen Stärke wird auch unsre militärische Stärke liegen, und die Armee erstattet die für sie gebrachten Opfer schon im Frieden zurück, indem sie die junge Mannschaft des Landes zu tüchtigen brauchbaren Leute» von Pflichtgefühl, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erzieht. Dieser Umstand wird dereinst, wenn die Menschenzahl zu einer Herabsetzung des Aushebungsprozentsatzes nötigen wird, sehr ernst zu erwägen sein. Die deutsche Flotte wird an Deutsch¬ lands Zukunft sicherlich einen wesentlich andern Anteil haben, als sie an seinen

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/124>, abgerufen am 20.05.2024.