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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Haxonica
von einem sächsischen Konservativen
1

chon seit einer Reihe von Jahren sind die sächsischen Verhältnisse
ein Lieblingsthema der Presse. Wir denken hierbei weniger an
gewisse wesentlichere Vorgänge, die den Stoss dazu hergeben
mußten. wie etwa die Ministerkrisis im Landtage 1901/02, bei
der infolge des Tadelsvotums der zweiten Kammer in einer
Finanzfrage das ganze Kabinett, sämtliche fünf Minister, ihre Entlassung ein¬
reichten, oder an die ungünstigere Gestaltung der sächsischen Finanzen in den
letzten Jahren oder an den Leipziger Bankkrach. Solche Ereignisse würden
auch, wenn sie in andern Ländern vorgekommen wären, die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich gezogen haben. Wir haben dabei vielmehr den Umstand
im Auge, daß auch sonst aus jedem nur halbwegs geeigneten Anlaß Sachsen
und seine Verhältnisse in einem gewissen Teil der Presse, dem Teil der Organe
von größerer Bedeutung bis hinab zu solchen vom Schlage des Simplicissimus
umfaßt, immer und immer wieder herhalten müssen. Wir sagen absichtlich:
herhalten müssen, denn die Art und Weise, wie man sich hierbei über sächsische
Verhältnisse anslüßt, ist für die Regierung und die Bewohner dieses Landes
meist nichts weniger als schmeichelhaft. Im Gegenteil das Bild, das dem
Leser hierbei von den Zuständen in Sachsen geboten wird, ist häufig nicht
bloß grau in grau, sondern nicht selten auch in den lebhaftesten Farben der
Rückständigkeits- und Verkommenheitsschilderei gemalt mit der ziemlich un¬
verkennbaren Absicht, jedes vornehmer angelegte Gemüt, jeden Besserdenkenden
gegen dieses Land und seine Bewohner nicht mir einzunehmen, sondern
möglichst mit Abneigung und Widerwillen zu erfüllen.

Unter den Malern bei diesem Tendenzgemälde und deren Inspiratoren
muß man verschiedne Gruppen unterscheiden. Obenan stehn hierbei die sozial-
demokratischen Preßorgane. Bei ihrem edeln Unternehmen lebhaft unterstützt
von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage, liefern sie zu dem
Gemälde vor allem die düstern und abschreckenden Farben der grimmigen
Feindschaft gegen die sächsische Regierung und die Stände wegen ihres an¬
geblichen Mangels an Fortschritt, wegen der gewaltsamen Unterdrückung jeder


Grenzboten IV 1904 Il5


Haxonica
von einem sächsischen Konservativen
1

chon seit einer Reihe von Jahren sind die sächsischen Verhältnisse
ein Lieblingsthema der Presse. Wir denken hierbei weniger an
gewisse wesentlichere Vorgänge, die den Stoss dazu hergeben
mußten. wie etwa die Ministerkrisis im Landtage 1901/02, bei
der infolge des Tadelsvotums der zweiten Kammer in einer
Finanzfrage das ganze Kabinett, sämtliche fünf Minister, ihre Entlassung ein¬
reichten, oder an die ungünstigere Gestaltung der sächsischen Finanzen in den
letzten Jahren oder an den Leipziger Bankkrach. Solche Ereignisse würden
auch, wenn sie in andern Ländern vorgekommen wären, die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich gezogen haben. Wir haben dabei vielmehr den Umstand
im Auge, daß auch sonst aus jedem nur halbwegs geeigneten Anlaß Sachsen
und seine Verhältnisse in einem gewissen Teil der Presse, dem Teil der Organe
von größerer Bedeutung bis hinab zu solchen vom Schlage des Simplicissimus
umfaßt, immer und immer wieder herhalten müssen. Wir sagen absichtlich:
herhalten müssen, denn die Art und Weise, wie man sich hierbei über sächsische
Verhältnisse anslüßt, ist für die Regierung und die Bewohner dieses Landes
meist nichts weniger als schmeichelhaft. Im Gegenteil das Bild, das dem
Leser hierbei von den Zuständen in Sachsen geboten wird, ist häufig nicht
bloß grau in grau, sondern nicht selten auch in den lebhaftesten Farben der
Rückständigkeits- und Verkommenheitsschilderei gemalt mit der ziemlich un¬
verkennbaren Absicht, jedes vornehmer angelegte Gemüt, jeden Besserdenkenden
gegen dieses Land und seine Bewohner nicht mir einzunehmen, sondern
möglichst mit Abneigung und Widerwillen zu erfüllen.

Unter den Malern bei diesem Tendenzgemälde und deren Inspiratoren
muß man verschiedne Gruppen unterscheiden. Obenan stehn hierbei die sozial-
demokratischen Preßorgane. Bei ihrem edeln Unternehmen lebhaft unterstützt
von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage, liefern sie zu dem
Gemälde vor allem die düstern und abschreckenden Farben der grimmigen
Feindschaft gegen die sächsische Regierung und die Stände wegen ihres an¬
geblichen Mangels an Fortschritt, wegen der gewaltsamen Unterdrückung jeder


Grenzboten IV 1904 Il5
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[0481] [Abbildung] Haxonica von einem sächsischen Konservativen 1 chon seit einer Reihe von Jahren sind die sächsischen Verhältnisse ein Lieblingsthema der Presse. Wir denken hierbei weniger an gewisse wesentlichere Vorgänge, die den Stoss dazu hergeben mußten. wie etwa die Ministerkrisis im Landtage 1901/02, bei der infolge des Tadelsvotums der zweiten Kammer in einer Finanzfrage das ganze Kabinett, sämtliche fünf Minister, ihre Entlassung ein¬ reichten, oder an die ungünstigere Gestaltung der sächsischen Finanzen in den letzten Jahren oder an den Leipziger Bankkrach. Solche Ereignisse würden auch, wenn sie in andern Ländern vorgekommen wären, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich gezogen haben. Wir haben dabei vielmehr den Umstand im Auge, daß auch sonst aus jedem nur halbwegs geeigneten Anlaß Sachsen und seine Verhältnisse in einem gewissen Teil der Presse, dem Teil der Organe von größerer Bedeutung bis hinab zu solchen vom Schlage des Simplicissimus umfaßt, immer und immer wieder herhalten müssen. Wir sagen absichtlich: herhalten müssen, denn die Art und Weise, wie man sich hierbei über sächsische Verhältnisse anslüßt, ist für die Regierung und die Bewohner dieses Landes meist nichts weniger als schmeichelhaft. Im Gegenteil das Bild, das dem Leser hierbei von den Zuständen in Sachsen geboten wird, ist häufig nicht bloß grau in grau, sondern nicht selten auch in den lebhaftesten Farben der Rückständigkeits- und Verkommenheitsschilderei gemalt mit der ziemlich un¬ verkennbaren Absicht, jedes vornehmer angelegte Gemüt, jeden Besserdenkenden gegen dieses Land und seine Bewohner nicht mir einzunehmen, sondern möglichst mit Abneigung und Widerwillen zu erfüllen. Unter den Malern bei diesem Tendenzgemälde und deren Inspiratoren muß man verschiedne Gruppen unterscheiden. Obenan stehn hierbei die sozial- demokratischen Preßorgane. Bei ihrem edeln Unternehmen lebhaft unterstützt von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage, liefern sie zu dem Gemälde vor allem die düstern und abschreckenden Farben der grimmigen Feindschaft gegen die sächsische Regierung und die Stände wegen ihres an¬ geblichen Mangels an Fortschritt, wegen der gewaltsamen Unterdrückung jeder Grenzboten IV 1904 Il5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/481>, abgerufen am 03.05.2024.