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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Damen auf Markby
Mathilde Matura von
1

>is Erik Bricmt an einem schönen Septemberabend vom Kondor heim¬
kam, saß im Wohnzimmer eine junge Dame. Sie war noch im
Reiseanzug und anscheinend in eine illustrierte Zeitung vertieft, die
sie steif in der Hand hielt, und Erik hatte das deutliche Gefühl, daß
er ein wenig verwundert aussah, als er sich verbeugte.
! Ja, es ist schrecklich unangenehm, begann das junge Mädchen
sogleich. Sie stand schnell auf und war einen Augenblick so verwirrt, daß sie nicht
merkte, wie das Blatt ihren Händen entglitt. Ich hatte geschrieben und war fest
überzeugt, daß Tante Ada zuhause sein würde.

Sie sind also -- er suchte nach dem Vornamen, konnte sich aber durchaus
nicht darauf besinnen -- Fräulein Berkel?

Ja, antwortete sie mit etwas mehr Sicherheit, indem sie seinen Gruß etwas
kurz erwiderte. Ich bin Elu Berkel.

Meine Mutter ist leider nicht zuhause. Sie ist vor ein paar Tagen mit
meiner Schwester nach Upsala gereist. Es war allerdings ihre Absicht, heute wieder
zurück zu sein.

Ja, das sagt die Haushälterin auch. Es ist mir sehr unangenehm, fügte sie
hinzu und sah ihn an.

Ach, sagte er unbestimmt und höflich. Aber ini stillen dachte er: Ums Himmels
willen, was soll ich nur mit dem Mndel anfangen!
"

Es schien, als ob das "Mädel seine Gedanken erriete. Sie sah ihn an,
halb schelmisch kokett und halb unglücklich, und auf einmal brachen sie beide in ein
herzliches Lachen aus. Nun war das Eis gebrochen; das Fräulein schüttelte plötzlich
ganz ungeniert und natürlich den Kopf.

Es ist aber wirklich furchtbar widerwärtig! Meinen Sie, ich müsse wieder
heimreisen?

Nein, sagte er langgezogen, das meine ich nicht. Vater ist ja daheim.

Gott sei Dank! rief sie erleichtert. Da ich nur Sie sah, hatte ich geglaubt,
daß die Jungfer Sie mit dem "Herrn" gemeint habe.
"

Er lachte. Der "Herr, das ist der Vater; die alte Stine nennt immer Vater
den "Herrn." Mich nennt sie nur "den Fabrikanten."

Ich glaubte, das sei der Onkel.

Ja, gewissermaßen. Aber er wird meist "Konsul" genannt. Nur vou
Stine nicht.

Das ist auch ein hübscher Titel für einen Kaufmann, sagte das junge Mädchen
höflich. Aber das Gehör des jungen Herrn war fein genug, sogleich die zwar
ganz unbewußte, aber nichtsdestoweniger herablassende Betonung des "Kaufmanns"
zu bemerken, und er lächelte.

Nun also, wenn Onkel Bricmt daheim ist, dann . . . begann sie aufs neue da,
wo sie vorher abgebrochen hatte.

Gerade heraus gesagt -- ich meine wirklich nicht, daß Sie viel Grund dazu
hätten, Hals über Kopf wieder nach Smaalcmd zurückzureisen! sagte er, und er
sah sie ermutigend an.




Die Damen auf Markby
Mathilde Matura von
1

>is Erik Bricmt an einem schönen Septemberabend vom Kondor heim¬
kam, saß im Wohnzimmer eine junge Dame. Sie war noch im
Reiseanzug und anscheinend in eine illustrierte Zeitung vertieft, die
sie steif in der Hand hielt, und Erik hatte das deutliche Gefühl, daß
er ein wenig verwundert aussah, als er sich verbeugte.
! Ja, es ist schrecklich unangenehm, begann das junge Mädchen
sogleich. Sie stand schnell auf und war einen Augenblick so verwirrt, daß sie nicht
merkte, wie das Blatt ihren Händen entglitt. Ich hatte geschrieben und war fest
überzeugt, daß Tante Ada zuhause sein würde.

Sie sind also — er suchte nach dem Vornamen, konnte sich aber durchaus
nicht darauf besinnen — Fräulein Berkel?

Ja, antwortete sie mit etwas mehr Sicherheit, indem sie seinen Gruß etwas
kurz erwiderte. Ich bin Elu Berkel.

Meine Mutter ist leider nicht zuhause. Sie ist vor ein paar Tagen mit
meiner Schwester nach Upsala gereist. Es war allerdings ihre Absicht, heute wieder
zurück zu sein.

Ja, das sagt die Haushälterin auch. Es ist mir sehr unangenehm, fügte sie
hinzu und sah ihn an.

Ach, sagte er unbestimmt und höflich. Aber ini stillen dachte er: Ums Himmels
willen, was soll ich nur mit dem Mndel anfangen!
"

Es schien, als ob das „Mädel seine Gedanken erriete. Sie sah ihn an,
halb schelmisch kokett und halb unglücklich, und auf einmal brachen sie beide in ein
herzliches Lachen aus. Nun war das Eis gebrochen; das Fräulein schüttelte plötzlich
ganz ungeniert und natürlich den Kopf.

Es ist aber wirklich furchtbar widerwärtig! Meinen Sie, ich müsse wieder
heimreisen?

Nein, sagte er langgezogen, das meine ich nicht. Vater ist ja daheim.

Gott sei Dank! rief sie erleichtert. Da ich nur Sie sah, hatte ich geglaubt,
daß die Jungfer Sie mit dem „Herrn" gemeint habe.
"

Er lachte. Der „Herr, das ist der Vater; die alte Stine nennt immer Vater
den „Herrn." Mich nennt sie nur „den Fabrikanten."

Ich glaubte, das sei der Onkel.

Ja, gewissermaßen. Aber er wird meist „Konsul" genannt. Nur vou
Stine nicht.

Das ist auch ein hübscher Titel für einen Kaufmann, sagte das junge Mädchen
höflich. Aber das Gehör des jungen Herrn war fein genug, sogleich die zwar
ganz unbewußte, aber nichtsdestoweniger herablassende Betonung des „Kaufmanns"
zu bemerken, und er lächelte.

Nun also, wenn Onkel Bricmt daheim ist, dann . . . begann sie aufs neue da,
wo sie vorher abgebrochen hatte.

Gerade heraus gesagt — ich meine wirklich nicht, daß Sie viel Grund dazu
hätten, Hals über Kopf wieder nach Smaalcmd zurückzureisen! sagte er, und er
sah sie ermutigend an.


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[0050] [Abbildung] Die Damen auf Markby Mathilde Matura von 1 >is Erik Bricmt an einem schönen Septemberabend vom Kondor heim¬ kam, saß im Wohnzimmer eine junge Dame. Sie war noch im Reiseanzug und anscheinend in eine illustrierte Zeitung vertieft, die sie steif in der Hand hielt, und Erik hatte das deutliche Gefühl, daß er ein wenig verwundert aussah, als er sich verbeugte. ! Ja, es ist schrecklich unangenehm, begann das junge Mädchen sogleich. Sie stand schnell auf und war einen Augenblick so verwirrt, daß sie nicht merkte, wie das Blatt ihren Händen entglitt. Ich hatte geschrieben und war fest überzeugt, daß Tante Ada zuhause sein würde. Sie sind also — er suchte nach dem Vornamen, konnte sich aber durchaus nicht darauf besinnen — Fräulein Berkel? Ja, antwortete sie mit etwas mehr Sicherheit, indem sie seinen Gruß etwas kurz erwiderte. Ich bin Elu Berkel. Meine Mutter ist leider nicht zuhause. Sie ist vor ein paar Tagen mit meiner Schwester nach Upsala gereist. Es war allerdings ihre Absicht, heute wieder zurück zu sein. Ja, das sagt die Haushälterin auch. Es ist mir sehr unangenehm, fügte sie hinzu und sah ihn an. Ach, sagte er unbestimmt und höflich. Aber ini stillen dachte er: Ums Himmels willen, was soll ich nur mit dem Mndel anfangen! " Es schien, als ob das „Mädel seine Gedanken erriete. Sie sah ihn an, halb schelmisch kokett und halb unglücklich, und auf einmal brachen sie beide in ein herzliches Lachen aus. Nun war das Eis gebrochen; das Fräulein schüttelte plötzlich ganz ungeniert und natürlich den Kopf. Es ist aber wirklich furchtbar widerwärtig! Meinen Sie, ich müsse wieder heimreisen? Nein, sagte er langgezogen, das meine ich nicht. Vater ist ja daheim. Gott sei Dank! rief sie erleichtert. Da ich nur Sie sah, hatte ich geglaubt, daß die Jungfer Sie mit dem „Herrn" gemeint habe. " Er lachte. Der „Herr, das ist der Vater; die alte Stine nennt immer Vater den „Herrn." Mich nennt sie nur „den Fabrikanten." Ich glaubte, das sei der Onkel. Ja, gewissermaßen. Aber er wird meist „Konsul" genannt. Nur vou Stine nicht. Das ist auch ein hübscher Titel für einen Kaufmann, sagte das junge Mädchen höflich. Aber das Gehör des jungen Herrn war fein genug, sogleich die zwar ganz unbewußte, aber nichtsdestoweniger herablassende Betonung des „Kaufmanns" zu bemerken, und er lächelte. Nun also, wenn Onkel Bricmt daheim ist, dann . . . begann sie aufs neue da, wo sie vorher abgebrochen hatte. Gerade heraus gesagt — ich meine wirklich nicht, daß Sie viel Grund dazu hätten, Hals über Kopf wieder nach Smaalcmd zurückzureisen! sagte er, und er sah sie ermutigend an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/50>, abgerufen am 03.05.2024.