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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Iunisomic

Wohin?

Vorläufig wohl nach Kjerteminde -- aber das soll ein sehr tiefes Geheim¬
nis sein.

Ist das des Steines wegen?

Ja, natürlich -- lies selber!

Pardo reichte Hessel eine Zeitung, und er las:

Vandalismus

Im Gegensatz zu der Pietät, die heutzutage allen Altertumsdenkmälern er¬
wiesen wird, mag als betrübendes Kuriosum angeführt werden, daß in den fünf¬
ziger Jahren ans der bekannten Stubberuper Kirche auf Hundsholm, die damals
restauriert wurde, mehrere alte Grabsteine aus dem frühen Mittelalter verkauft
wurden, und das; diese, wie sich jetzt herausgestellt hat, nach Kopenhagen geschafft
worden sind, wo sie Verwendung als -- Pflastersteine und Steinplatten ge¬
funden haben!

Das ist doch ein sonderbares Zusammentreffen! rief Hessel.

Meinst du? Nun, ganz so wunderbar, wie sie erscheint, ist die Sache doch
nicht. Siehst du, nachdem ich durch den Gipsabdrnck die Möglichkeit des mittel¬
alterlichen Ursprungs des Kreuzes festgestellt hatte, war ich mir ja sofort klar
darüber, daß ich vor alleil Dingen den Stein umwenden müsse.

Umwenden?

Ja, natürlich. Ist die Platte ein Stück von einem alten Grabstein, so ist sie
aller Wahrscheinlichkeit nach unten flach; zeigt es sich dagegen -- was ich anzu¬
nehmen geneigt bin --, daß sie ans der Unterseite nur roh beHauen ist, so ist das
Kreuz nur ein Steinhauerzeichen, und dann müssen wir uns an die Steinmetzen
und Pflasterarbeiter halten.

Das ist gewiß sehr sinnreich, sagte Hessel, aber was hat das im Grunde mit
Blom und mit der Zeitungsnotiz zu schaffen?

Gar nicht so ganz wenig! Um den Stein wenden zu können, muß ich die
Erlaubnis der Obrigkeit haben, und Leute brauche ich auch dazu. Zu alledem ist
Zeit nötig, und ich will doch nicht, daß Blom darüber kommt und sich meine
Untersuchungen zunutze macht. Deshalb muß ich ihn aus der Stadt hinaus¬
expedieren.

Ja aber wie --

Mein Gott, die schöne Notiz über den Wandalismus stammt doch natürlich
von mir; ich habe sie in die Zeitung gebracht, die, wie ich weiß, unser beider¬
seitiger Freund bei seinem Morgenkaffee liest -- ich wußte ja, daß sie wirken
würde.

Das ist aber nicht tair p1a>, Pardo!

Ach, Unsinn! Es ist nur ein Scherz, und wir spielen ja nicht um Geld!
Übrigens kann ich dich damit trösten, daß das Gewissen des guten Blom durchaus
nicht zarter behaltet ist als das meine: dies erhielt ich heute Nachmittag von ihm --
bitte schön!

Pardo reichte Hessel einen Brief, und darin stand nur:

Ich muß morgen infolge eines Auftrags vom Nationalmuseum nach Vording-
borg fahren, um einen kürzlich dort in der Gegend gefundnen Burgwall zu unter¬
suchen. Grüße Hessel!

Aber so reist er doch nicht nach --

Freilich tut er das! Aber ich soll natürlich nicht wissen, daß er nach Kjerte¬
minde fährt!

Hessel lachte.

Ihr verdient beide nicht, auf die Spur zu kommen -- keiner von euch
beiden --, und ihr werdets auch nicht!

Nicht?


Iunisomic

Wohin?

Vorläufig wohl nach Kjerteminde — aber das soll ein sehr tiefes Geheim¬
nis sein.

Ist das des Steines wegen?

Ja, natürlich — lies selber!

Pardo reichte Hessel eine Zeitung, und er las:

Vandalismus

Im Gegensatz zu der Pietät, die heutzutage allen Altertumsdenkmälern er¬
wiesen wird, mag als betrübendes Kuriosum angeführt werden, daß in den fünf¬
ziger Jahren ans der bekannten Stubberuper Kirche auf Hundsholm, die damals
restauriert wurde, mehrere alte Grabsteine aus dem frühen Mittelalter verkauft
wurden, und das; diese, wie sich jetzt herausgestellt hat, nach Kopenhagen geschafft
worden sind, wo sie Verwendung als — Pflastersteine und Steinplatten ge¬
funden haben!

Das ist doch ein sonderbares Zusammentreffen! rief Hessel.

Meinst du? Nun, ganz so wunderbar, wie sie erscheint, ist die Sache doch
nicht. Siehst du, nachdem ich durch den Gipsabdrnck die Möglichkeit des mittel¬
alterlichen Ursprungs des Kreuzes festgestellt hatte, war ich mir ja sofort klar
darüber, daß ich vor alleil Dingen den Stein umwenden müsse.

Umwenden?

Ja, natürlich. Ist die Platte ein Stück von einem alten Grabstein, so ist sie
aller Wahrscheinlichkeit nach unten flach; zeigt es sich dagegen — was ich anzu¬
nehmen geneigt bin —, daß sie ans der Unterseite nur roh beHauen ist, so ist das
Kreuz nur ein Steinhauerzeichen, und dann müssen wir uns an die Steinmetzen
und Pflasterarbeiter halten.

Das ist gewiß sehr sinnreich, sagte Hessel, aber was hat das im Grunde mit
Blom und mit der Zeitungsnotiz zu schaffen?

Gar nicht so ganz wenig! Um den Stein wenden zu können, muß ich die
Erlaubnis der Obrigkeit haben, und Leute brauche ich auch dazu. Zu alledem ist
Zeit nötig, und ich will doch nicht, daß Blom darüber kommt und sich meine
Untersuchungen zunutze macht. Deshalb muß ich ihn aus der Stadt hinaus¬
expedieren.

Ja aber wie —

Mein Gott, die schöne Notiz über den Wandalismus stammt doch natürlich
von mir; ich habe sie in die Zeitung gebracht, die, wie ich weiß, unser beider¬
seitiger Freund bei seinem Morgenkaffee liest — ich wußte ja, daß sie wirken
würde.

Das ist aber nicht tair p1a>, Pardo!

Ach, Unsinn! Es ist nur ein Scherz, und wir spielen ja nicht um Geld!
Übrigens kann ich dich damit trösten, daß das Gewissen des guten Blom durchaus
nicht zarter behaltet ist als das meine: dies erhielt ich heute Nachmittag von ihm —
bitte schön!

Pardo reichte Hessel einen Brief, und darin stand nur:

Ich muß morgen infolge eines Auftrags vom Nationalmuseum nach Vording-
borg fahren, um einen kürzlich dort in der Gegend gefundnen Burgwall zu unter¬
suchen. Grüße Hessel!

Aber so reist er doch nicht nach —

Freilich tut er das! Aber ich soll natürlich nicht wissen, daß er nach Kjerte¬
minde fährt!

Hessel lachte.

Ihr verdient beide nicht, auf die Spur zu kommen — keiner von euch
beiden —, und ihr werdets auch nicht!

Nicht?


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[0651] Iunisomic Wohin? Vorläufig wohl nach Kjerteminde — aber das soll ein sehr tiefes Geheim¬ nis sein. Ist das des Steines wegen? Ja, natürlich — lies selber! Pardo reichte Hessel eine Zeitung, und er las: Vandalismus Im Gegensatz zu der Pietät, die heutzutage allen Altertumsdenkmälern er¬ wiesen wird, mag als betrübendes Kuriosum angeführt werden, daß in den fünf¬ ziger Jahren ans der bekannten Stubberuper Kirche auf Hundsholm, die damals restauriert wurde, mehrere alte Grabsteine aus dem frühen Mittelalter verkauft wurden, und das; diese, wie sich jetzt herausgestellt hat, nach Kopenhagen geschafft worden sind, wo sie Verwendung als — Pflastersteine und Steinplatten ge¬ funden haben! Das ist doch ein sonderbares Zusammentreffen! rief Hessel. Meinst du? Nun, ganz so wunderbar, wie sie erscheint, ist die Sache doch nicht. Siehst du, nachdem ich durch den Gipsabdrnck die Möglichkeit des mittel¬ alterlichen Ursprungs des Kreuzes festgestellt hatte, war ich mir ja sofort klar darüber, daß ich vor alleil Dingen den Stein umwenden müsse. Umwenden? Ja, natürlich. Ist die Platte ein Stück von einem alten Grabstein, so ist sie aller Wahrscheinlichkeit nach unten flach; zeigt es sich dagegen — was ich anzu¬ nehmen geneigt bin —, daß sie ans der Unterseite nur roh beHauen ist, so ist das Kreuz nur ein Steinhauerzeichen, und dann müssen wir uns an die Steinmetzen und Pflasterarbeiter halten. Das ist gewiß sehr sinnreich, sagte Hessel, aber was hat das im Grunde mit Blom und mit der Zeitungsnotiz zu schaffen? Gar nicht so ganz wenig! Um den Stein wenden zu können, muß ich die Erlaubnis der Obrigkeit haben, und Leute brauche ich auch dazu. Zu alledem ist Zeit nötig, und ich will doch nicht, daß Blom darüber kommt und sich meine Untersuchungen zunutze macht. Deshalb muß ich ihn aus der Stadt hinaus¬ expedieren. Ja aber wie — Mein Gott, die schöne Notiz über den Wandalismus stammt doch natürlich von mir; ich habe sie in die Zeitung gebracht, die, wie ich weiß, unser beider¬ seitiger Freund bei seinem Morgenkaffee liest — ich wußte ja, daß sie wirken würde. Das ist aber nicht tair p1a>, Pardo! Ach, Unsinn! Es ist nur ein Scherz, und wir spielen ja nicht um Geld! Übrigens kann ich dich damit trösten, daß das Gewissen des guten Blom durchaus nicht zarter behaltet ist als das meine: dies erhielt ich heute Nachmittag von ihm — bitte schön! Pardo reichte Hessel einen Brief, und darin stand nur: Ich muß morgen infolge eines Auftrags vom Nationalmuseum nach Vording- borg fahren, um einen kürzlich dort in der Gegend gefundnen Burgwall zu unter¬ suchen. Grüße Hessel! Aber so reist er doch nicht nach — Freilich tut er das! Aber ich soll natürlich nicht wissen, daß er nach Kjerte¬ minde fährt! Hessel lachte. Ihr verdient beide nicht, auf die Spur zu kommen — keiner von euch beiden —, und ihr werdets auch nicht! Nicht?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/651>, abgerufen am 03.05.2024.