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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Salzburg und die Tauernpässe
Wtto Aaemmel von1

in 20. September d. I. ist die neue Tauernbahn bis Gastein
hinauf feierlich eröffnet worden. Diese Strecke bildet den Anfang
einer neuen großen Linie durch die Alpen, die sich ebenbürtig
neben die Gotthard- und die Brennerbahn stellen wird, denn sie
schafft eine neue Verbindung zwischen Salzburg und Triest,
zwischen Süddeutschland und der Adria und gibt damit der alten bayrischen
Bischofsstadt, dem ehemaligen geistig-kirchlichen Mittelpunkte des ganzen deutschen
Südostens, die frühere wirtschaftliche Bedeutung wieder. Diese Bedeutung geht
bis in die vorchristliche, keltisch-römische Zeit zurück; sie ist also mehr als zwei
Jcchrtnnsende alt und nur zuzeiten in den Hintergrund getreten. Mußte doch
der Stadtboden Salzburgs früh die Ansiedler locken. Denn aus der weite",
ursprünglich und noch hente teilweise sumpfigen Ebne, die auf drei Seiten die
zackigen Züge der Kalkalpen malerisch umschließen, erheben sich hundert bis
zweihundert Meter über dem Talbvden mit steilen, zum Teil felsigen, uner-
steiglichen sturmfreien Abfällen zwei völlig isolierte Höhenzüge, links von der
rasch strömenden Salzach der Mönchsberg, rechts der bewaldete Kapuziucrberg,
beide, namentlich die höchste Erhebung des Mvnchsbergcs an dessen Südende,
die Hohe Salzburg, wie geschaffen zur Beherrschung der Ebne und des Zugangs
Ma Hochgebirge, den die Salzach in dem schönsten Qnertal der Alpen nach
Süden öffnet.

Bekanntlich nehmen die Alpen nach Osten an Breite zu und gliedern sich
in eine Reihe von parallel laufenden Ketten, die durch Längstäler getrennt sind
und nach Osten zu an Höhe so abnehmen, daß sie teilweise den alpinen Charakter
verlieren. Die Zentrcilkettc, die Hochtauern vom Brenner bis zum Hafnereck
zwischen den Längstälern der Salzach und der Dran, steigen im Großvencdiger
bis 3660, im Großglockner bis zu 3800 Metern auf, ihr Kamin bleibt
immer auf der Höhe von ungefähr 2500 Metern, also in der Schneeregion, und
bietet auf einer Strecke von mehr als 150 Kilometern nur steile, schmale, oft
über Schneefelder und Gletscher führende Saumpfade, aber zwischen dem Brenner


Grenzboten IV ISO? 23


Salzburg und die Tauernpässe
Wtto Aaemmel von1

in 20. September d. I. ist die neue Tauernbahn bis Gastein
hinauf feierlich eröffnet worden. Diese Strecke bildet den Anfang
einer neuen großen Linie durch die Alpen, die sich ebenbürtig
neben die Gotthard- und die Brennerbahn stellen wird, denn sie
schafft eine neue Verbindung zwischen Salzburg und Triest,
zwischen Süddeutschland und der Adria und gibt damit der alten bayrischen
Bischofsstadt, dem ehemaligen geistig-kirchlichen Mittelpunkte des ganzen deutschen
Südostens, die frühere wirtschaftliche Bedeutung wieder. Diese Bedeutung geht
bis in die vorchristliche, keltisch-römische Zeit zurück; sie ist also mehr als zwei
Jcchrtnnsende alt und nur zuzeiten in den Hintergrund getreten. Mußte doch
der Stadtboden Salzburgs früh die Ansiedler locken. Denn aus der weite»,
ursprünglich und noch hente teilweise sumpfigen Ebne, die auf drei Seiten die
zackigen Züge der Kalkalpen malerisch umschließen, erheben sich hundert bis
zweihundert Meter über dem Talbvden mit steilen, zum Teil felsigen, uner-
steiglichen sturmfreien Abfällen zwei völlig isolierte Höhenzüge, links von der
rasch strömenden Salzach der Mönchsberg, rechts der bewaldete Kapuziucrberg,
beide, namentlich die höchste Erhebung des Mvnchsbergcs an dessen Südende,
die Hohe Salzburg, wie geschaffen zur Beherrschung der Ebne und des Zugangs
Ma Hochgebirge, den die Salzach in dem schönsten Qnertal der Alpen nach
Süden öffnet.

Bekanntlich nehmen die Alpen nach Osten an Breite zu und gliedern sich
in eine Reihe von parallel laufenden Ketten, die durch Längstäler getrennt sind
und nach Osten zu an Höhe so abnehmen, daß sie teilweise den alpinen Charakter
verlieren. Die Zentrcilkettc, die Hochtauern vom Brenner bis zum Hafnereck
zwischen den Längstälern der Salzach und der Dran, steigen im Großvencdiger
bis 3660, im Großglockner bis zu 3800 Metern auf, ihr Kamin bleibt
immer auf der Höhe von ungefähr 2500 Metern, also in der Schneeregion, und
bietet auf einer Strecke von mehr als 150 Kilometern nur steile, schmale, oft
über Schneefelder und Gletscher führende Saumpfade, aber zwischen dem Brenner


Grenzboten IV ISO? 23
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[0179] [Abbildung] Salzburg und die Tauernpässe Wtto Aaemmel von1 in 20. September d. I. ist die neue Tauernbahn bis Gastein hinauf feierlich eröffnet worden. Diese Strecke bildet den Anfang einer neuen großen Linie durch die Alpen, die sich ebenbürtig neben die Gotthard- und die Brennerbahn stellen wird, denn sie schafft eine neue Verbindung zwischen Salzburg und Triest, zwischen Süddeutschland und der Adria und gibt damit der alten bayrischen Bischofsstadt, dem ehemaligen geistig-kirchlichen Mittelpunkte des ganzen deutschen Südostens, die frühere wirtschaftliche Bedeutung wieder. Diese Bedeutung geht bis in die vorchristliche, keltisch-römische Zeit zurück; sie ist also mehr als zwei Jcchrtnnsende alt und nur zuzeiten in den Hintergrund getreten. Mußte doch der Stadtboden Salzburgs früh die Ansiedler locken. Denn aus der weite», ursprünglich und noch hente teilweise sumpfigen Ebne, die auf drei Seiten die zackigen Züge der Kalkalpen malerisch umschließen, erheben sich hundert bis zweihundert Meter über dem Talbvden mit steilen, zum Teil felsigen, uner- steiglichen sturmfreien Abfällen zwei völlig isolierte Höhenzüge, links von der rasch strömenden Salzach der Mönchsberg, rechts der bewaldete Kapuziucrberg, beide, namentlich die höchste Erhebung des Mvnchsbergcs an dessen Südende, die Hohe Salzburg, wie geschaffen zur Beherrschung der Ebne und des Zugangs Ma Hochgebirge, den die Salzach in dem schönsten Qnertal der Alpen nach Süden öffnet. Bekanntlich nehmen die Alpen nach Osten an Breite zu und gliedern sich in eine Reihe von parallel laufenden Ketten, die durch Längstäler getrennt sind und nach Osten zu an Höhe so abnehmen, daß sie teilweise den alpinen Charakter verlieren. Die Zentrcilkettc, die Hochtauern vom Brenner bis zum Hafnereck zwischen den Längstälern der Salzach und der Dran, steigen im Großvencdiger bis 3660, im Großglockner bis zu 3800 Metern auf, ihr Kamin bleibt immer auf der Höhe von ungefähr 2500 Metern, also in der Schneeregion, und bietet auf einer Strecke von mehr als 150 Kilometern nur steile, schmale, oft über Schneefelder und Gletscher führende Saumpfade, aber zwischen dem Brenner Grenzboten IV ISO? 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/179>, abgerufen am 07.05.2024.