Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Also Hoensbroech durfte sein Werk schreiben, aber es nur uuter dem richtigen
Titel: "Die Verbrechen des Papsttums" herausgeben. Freilich gibt es auch, ab¬
gesehen von dem irreführender Titel, noch zu schweren Bedenken Anlaß. Ich spreche
nicht von der vielleicht uicht über jeden Zweifel erhabnen Zuverlässigkeit aller der
unzähligen Einzelheiten, die zu prüfen mir Zeit und Hilfsmittel fehlen, sondern
nur von der tendenziösen Darstellung, die ich im 1. Bande des Jahrgangs 1901,
S. 194 und im 4. Bande des Jahrgangs 1902, S. 165 kritisiert habe. Bei der
heutigen Wichtigkeit der Sache würde es die Mühe lohnen, wenn einige Historiker
von Bedeutung meine Kritik der Methode Hoensbroechs Prüfen wollten. Findet
sie einer der Herren ungerecht oder wissenschaftlich anfechtbar und begründet sein
Urteil in den Grenzboten oder sonstwo, so nehme ich gern Belehrung an.

Das ist die wissenschaftliche Seite der Sache. Nun noch ein Wort über die
praktische! Da die deutsche" Katholiken weder ausgerottet noch zum evangelisch¬
lutherischen Glauben bekehrt werden können, so fordern das nationale und das
Staatsinteresse die Verständigung mit ihnen auf der Grundlage gegenseitiger auf¬
richtiger und herzlicher Anerkennung der Berechtigung beider Konfessionen. Die
protestantische Geschichtsforschung und Philosophie hat diese Grundlage geschaffen,
aber der publizistischen Polemik uach zu urteilen, ist die protestantische Bevölkerung
heute weniger als je geneigt, sich auf diese Grundlage zu stellen. Sie hierzu zu
bewege", ist die eine Hälfte der Aufgabe, und für deren Lösung hat, so viel ich weiß,
Graf Hoensbroech bisher nichts geleistet. Die andre Hälfte, den Katholiken die
Anerkennung der nicht bloß staatsrechtlichen, sondern idealen innern Berechtigung
der evangelischen Kirche abzuringen, wird außerordentlich erschwert durch das
katholische Dogma, das noch nicht, gleich dem orthodox-lutherischen, seine praktische
Geltung eingebüßt hat. Dieses Dogma bezeichnet schlankweg die katholische Form
des Christentums als die allein wahre, allein berechtigte, allein seligmachende, die
evangelische als einen die Seligkeit gefährdenden Irrtum und befiehlt zwar die
Irrenden zu lieben, den Irrtum aber zu verabscheuen und an seiner Ausrottung
zu arbeiten. Bei dieser Auffassung ist eine herzliche Verständigung mit den Anders¬
gläubigen, die ans den im Glauben getrennten Brüdern ein Volk schüfe und den
konfessionellen Unterschied zu einer Schattierung in der Auffassung der beiden Teilen
gemeinsamen Religion herabsetzte, nicht deutbar. Die Katholiken müssen also ihr
Dogma von der Kirche, deu Anspruch auf die Göttlichkeit ihrer Kirche im dogma¬
tischen Sinne, endlich einmal aufgeben. Sie dazu zu bewegen, daran arbeite ich.
Daran arbeitet auch Hoensbroech, aber in zweckwidriger Weise. Freilich ist, wie
er ganz richtig urteilt, das Mittel dazu die Hervorhebung der Schattenseiten des
Papsttums, seiner theoretischen Irrtümer und historischen Mißverdienste. Aber diese
müssen in einer Weise behandelt werden, die den Katholiken das Lesen der Beweis¬
führung möglich macht. Hoensbroechs Werk wird nur von Leuten gelesen, die den
Nachweis nicht brauchen, weil sie, wenn sie noch an den Teufel glaubten, das
Papsttum für eine Stiftung des Teufels halten würden, und die Hoensbroech zu¬
jubeln, weil er ihnen neuen Stoff für eine gehässige Polemik liefert. Die wenigen
Katholiken, die es zur Hand nehmen, überzeugt es nicht, sondern erbittert es.
Anstatt also die Versöhnung anzubahnen, vertieft und verschärft es die Feindschaft.
Aus diesem Gründe werde ich, so lange mir ein Organ offen steht, die Hoensbroech
ebenso bekämpfen wie die Deuifle.

Daß in Anbetracht der Einleitungsworte Hoensbroechs die von ihm ange¬
fochtene Bemerkung verfehlt im Ausdruck geunnut werden muß, räume ich ein. Ich
hätte etwa schreiben sollen, wie ich auch sonst wohl schon geschrieben habe: Katho¬
liken von solcher Blindheit dürfen sich nicht darüber beschweren, wenn ein Hoens¬
broech eine Skandalgeschichte des Papsttums für dessen Geschichte ausgibt, oder:
wenn ein Hoensbroech allen Schmutz der Papstgeschichte zusammenkehrt und darüber
Karl Jeutsch schreibt: Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Also Hoensbroech durfte sein Werk schreiben, aber es nur uuter dem richtigen
Titel: „Die Verbrechen des Papsttums" herausgeben. Freilich gibt es auch, ab¬
gesehen von dem irreführender Titel, noch zu schweren Bedenken Anlaß. Ich spreche
nicht von der vielleicht uicht über jeden Zweifel erhabnen Zuverlässigkeit aller der
unzähligen Einzelheiten, die zu prüfen mir Zeit und Hilfsmittel fehlen, sondern
nur von der tendenziösen Darstellung, die ich im 1. Bande des Jahrgangs 1901,
S. 194 und im 4. Bande des Jahrgangs 1902, S. 165 kritisiert habe. Bei der
heutigen Wichtigkeit der Sache würde es die Mühe lohnen, wenn einige Historiker
von Bedeutung meine Kritik der Methode Hoensbroechs Prüfen wollten. Findet
sie einer der Herren ungerecht oder wissenschaftlich anfechtbar und begründet sein
Urteil in den Grenzboten oder sonstwo, so nehme ich gern Belehrung an.

Das ist die wissenschaftliche Seite der Sache. Nun noch ein Wort über die
praktische! Da die deutsche» Katholiken weder ausgerottet noch zum evangelisch¬
lutherischen Glauben bekehrt werden können, so fordern das nationale und das
Staatsinteresse die Verständigung mit ihnen auf der Grundlage gegenseitiger auf¬
richtiger und herzlicher Anerkennung der Berechtigung beider Konfessionen. Die
protestantische Geschichtsforschung und Philosophie hat diese Grundlage geschaffen,
aber der publizistischen Polemik uach zu urteilen, ist die protestantische Bevölkerung
heute weniger als je geneigt, sich auf diese Grundlage zu stellen. Sie hierzu zu
bewege«, ist die eine Hälfte der Aufgabe, und für deren Lösung hat, so viel ich weiß,
Graf Hoensbroech bisher nichts geleistet. Die andre Hälfte, den Katholiken die
Anerkennung der nicht bloß staatsrechtlichen, sondern idealen innern Berechtigung
der evangelischen Kirche abzuringen, wird außerordentlich erschwert durch das
katholische Dogma, das noch nicht, gleich dem orthodox-lutherischen, seine praktische
Geltung eingebüßt hat. Dieses Dogma bezeichnet schlankweg die katholische Form
des Christentums als die allein wahre, allein berechtigte, allein seligmachende, die
evangelische als einen die Seligkeit gefährdenden Irrtum und befiehlt zwar die
Irrenden zu lieben, den Irrtum aber zu verabscheuen und an seiner Ausrottung
zu arbeiten. Bei dieser Auffassung ist eine herzliche Verständigung mit den Anders¬
gläubigen, die ans den im Glauben getrennten Brüdern ein Volk schüfe und den
konfessionellen Unterschied zu einer Schattierung in der Auffassung der beiden Teilen
gemeinsamen Religion herabsetzte, nicht deutbar. Die Katholiken müssen also ihr
Dogma von der Kirche, deu Anspruch auf die Göttlichkeit ihrer Kirche im dogma¬
tischen Sinne, endlich einmal aufgeben. Sie dazu zu bewegen, daran arbeite ich.
Daran arbeitet auch Hoensbroech, aber in zweckwidriger Weise. Freilich ist, wie
er ganz richtig urteilt, das Mittel dazu die Hervorhebung der Schattenseiten des
Papsttums, seiner theoretischen Irrtümer und historischen Mißverdienste. Aber diese
müssen in einer Weise behandelt werden, die den Katholiken das Lesen der Beweis¬
führung möglich macht. Hoensbroechs Werk wird nur von Leuten gelesen, die den
Nachweis nicht brauchen, weil sie, wenn sie noch an den Teufel glaubten, das
Papsttum für eine Stiftung des Teufels halten würden, und die Hoensbroech zu¬
jubeln, weil er ihnen neuen Stoff für eine gehässige Polemik liefert. Die wenigen
Katholiken, die es zur Hand nehmen, überzeugt es nicht, sondern erbittert es.
Anstatt also die Versöhnung anzubahnen, vertieft und verschärft es die Feindschaft.
Aus diesem Gründe werde ich, so lange mir ein Organ offen steht, die Hoensbroech
ebenso bekämpfen wie die Deuifle.

Daß in Anbetracht der Einleitungsworte Hoensbroechs die von ihm ange¬
fochtene Bemerkung verfehlt im Ausdruck geunnut werden muß, räume ich ein. Ich
hätte etwa schreiben sollen, wie ich auch sonst wohl schon geschrieben habe: Katho¬
liken von solcher Blindheit dürfen sich nicht darüber beschweren, wenn ein Hoens¬
broech eine Skandalgeschichte des Papsttums für dessen Geschichte ausgibt, oder:
wenn ein Hoensbroech allen Schmutz der Papstgeschichte zusammenkehrt und darüber
Karl Jeutsch schreibt: Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296189"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1094"> Also Hoensbroech durfte sein Werk schreiben, aber es nur uuter dem richtigen<lb/>
Titel: &#x201E;Die Verbrechen des Papsttums" herausgeben. Freilich gibt es auch, ab¬<lb/>
gesehen von dem irreführender Titel, noch zu schweren Bedenken Anlaß. Ich spreche<lb/>
nicht von der vielleicht uicht über jeden Zweifel erhabnen Zuverlässigkeit aller der<lb/>
unzähligen Einzelheiten, die zu prüfen mir Zeit und Hilfsmittel fehlen, sondern<lb/>
nur von der tendenziösen Darstellung, die ich im 1. Bande des Jahrgangs 1901,<lb/>
S. 194 und im 4. Bande des Jahrgangs 1902, S. 165 kritisiert habe. Bei der<lb/>
heutigen Wichtigkeit der Sache würde es die Mühe lohnen, wenn einige Historiker<lb/>
von Bedeutung meine Kritik der Methode Hoensbroechs Prüfen wollten. Findet<lb/>
sie einer der Herren ungerecht oder wissenschaftlich anfechtbar und begründet sein<lb/>
Urteil in den Grenzboten oder sonstwo, so nehme ich gern Belehrung an.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1095"> Das ist die wissenschaftliche Seite der Sache. Nun noch ein Wort über die<lb/>
praktische! Da die deutsche» Katholiken weder ausgerottet noch zum evangelisch¬<lb/>
lutherischen Glauben bekehrt werden können, so fordern das nationale und das<lb/>
Staatsinteresse die Verständigung mit ihnen auf der Grundlage gegenseitiger auf¬<lb/>
richtiger und herzlicher Anerkennung der Berechtigung beider Konfessionen. Die<lb/>
protestantische Geschichtsforschung und Philosophie hat diese Grundlage geschaffen,<lb/>
aber der publizistischen Polemik uach zu urteilen, ist die protestantische Bevölkerung<lb/>
heute weniger als je geneigt, sich auf diese Grundlage zu stellen. Sie hierzu zu<lb/>
bewege«, ist die eine Hälfte der Aufgabe, und für deren Lösung hat, so viel ich weiß,<lb/>
Graf Hoensbroech bisher nichts geleistet. Die andre Hälfte, den Katholiken die<lb/>
Anerkennung der nicht bloß staatsrechtlichen, sondern idealen innern Berechtigung<lb/>
der evangelischen Kirche abzuringen, wird außerordentlich erschwert durch das<lb/>
katholische Dogma, das noch nicht, gleich dem orthodox-lutherischen, seine praktische<lb/>
Geltung eingebüßt hat. Dieses Dogma bezeichnet schlankweg die katholische Form<lb/>
des Christentums als die allein wahre, allein berechtigte, allein seligmachende, die<lb/>
evangelische als einen die Seligkeit gefährdenden Irrtum und befiehlt zwar die<lb/>
Irrenden zu lieben, den Irrtum aber zu verabscheuen und an seiner Ausrottung<lb/>
zu arbeiten. Bei dieser Auffassung ist eine herzliche Verständigung mit den Anders¬<lb/>
gläubigen, die ans den im Glauben getrennten Brüdern ein Volk schüfe und den<lb/>
konfessionellen Unterschied zu einer Schattierung in der Auffassung der beiden Teilen<lb/>
gemeinsamen Religion herabsetzte, nicht deutbar. Die Katholiken müssen also ihr<lb/>
Dogma von der Kirche, deu Anspruch auf die Göttlichkeit ihrer Kirche im dogma¬<lb/>
tischen Sinne, endlich einmal aufgeben. Sie dazu zu bewegen, daran arbeite ich.<lb/>
Daran arbeitet auch Hoensbroech, aber in zweckwidriger Weise. Freilich ist, wie<lb/>
er ganz richtig urteilt, das Mittel dazu die Hervorhebung der Schattenseiten des<lb/>
Papsttums, seiner theoretischen Irrtümer und historischen Mißverdienste. Aber diese<lb/>
müssen in einer Weise behandelt werden, die den Katholiken das Lesen der Beweis¬<lb/>
führung möglich macht. Hoensbroechs Werk wird nur von Leuten gelesen, die den<lb/>
Nachweis nicht brauchen, weil sie, wenn sie noch an den Teufel glaubten, das<lb/>
Papsttum für eine Stiftung des Teufels halten würden, und die Hoensbroech zu¬<lb/>
jubeln, weil er ihnen neuen Stoff für eine gehässige Polemik liefert. Die wenigen<lb/>
Katholiken, die es zur Hand nehmen, überzeugt es nicht, sondern erbittert es.<lb/>
Anstatt also die Versöhnung anzubahnen, vertieft und verschärft es die Feindschaft.<lb/>
Aus diesem Gründe werde ich, so lange mir ein Organ offen steht, die Hoensbroech<lb/>
ebenso bekämpfen wie die Deuifle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1096"> Daß in Anbetracht der Einleitungsworte Hoensbroechs die von ihm ange¬<lb/>
fochtene Bemerkung verfehlt im Ausdruck geunnut werden muß, räume ich ein. Ich<lb/>
hätte etwa schreiben sollen, wie ich auch sonst wohl schon geschrieben habe: Katho¬<lb/>
liken von solcher Blindheit dürfen sich nicht darüber beschweren, wenn ein Hoens¬<lb/>
broech eine Skandalgeschichte des Papsttums für dessen Geschichte ausgibt, oder:<lb/>
wenn ein Hoensbroech allen Schmutz der Papstgeschichte zusammenkehrt und darüber<lb/><note type="byline"> Karl Jeutsch</note> schreibt: Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit.  </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Karl Marquart in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] Maßgebliches und Unmaßgebliches Also Hoensbroech durfte sein Werk schreiben, aber es nur uuter dem richtigen Titel: „Die Verbrechen des Papsttums" herausgeben. Freilich gibt es auch, ab¬ gesehen von dem irreführender Titel, noch zu schweren Bedenken Anlaß. Ich spreche nicht von der vielleicht uicht über jeden Zweifel erhabnen Zuverlässigkeit aller der unzähligen Einzelheiten, die zu prüfen mir Zeit und Hilfsmittel fehlen, sondern nur von der tendenziösen Darstellung, die ich im 1. Bande des Jahrgangs 1901, S. 194 und im 4. Bande des Jahrgangs 1902, S. 165 kritisiert habe. Bei der heutigen Wichtigkeit der Sache würde es die Mühe lohnen, wenn einige Historiker von Bedeutung meine Kritik der Methode Hoensbroechs Prüfen wollten. Findet sie einer der Herren ungerecht oder wissenschaftlich anfechtbar und begründet sein Urteil in den Grenzboten oder sonstwo, so nehme ich gern Belehrung an. Das ist die wissenschaftliche Seite der Sache. Nun noch ein Wort über die praktische! Da die deutsche» Katholiken weder ausgerottet noch zum evangelisch¬ lutherischen Glauben bekehrt werden können, so fordern das nationale und das Staatsinteresse die Verständigung mit ihnen auf der Grundlage gegenseitiger auf¬ richtiger und herzlicher Anerkennung der Berechtigung beider Konfessionen. Die protestantische Geschichtsforschung und Philosophie hat diese Grundlage geschaffen, aber der publizistischen Polemik uach zu urteilen, ist die protestantische Bevölkerung heute weniger als je geneigt, sich auf diese Grundlage zu stellen. Sie hierzu zu bewege«, ist die eine Hälfte der Aufgabe, und für deren Lösung hat, so viel ich weiß, Graf Hoensbroech bisher nichts geleistet. Die andre Hälfte, den Katholiken die Anerkennung der nicht bloß staatsrechtlichen, sondern idealen innern Berechtigung der evangelischen Kirche abzuringen, wird außerordentlich erschwert durch das katholische Dogma, das noch nicht, gleich dem orthodox-lutherischen, seine praktische Geltung eingebüßt hat. Dieses Dogma bezeichnet schlankweg die katholische Form des Christentums als die allein wahre, allein berechtigte, allein seligmachende, die evangelische als einen die Seligkeit gefährdenden Irrtum und befiehlt zwar die Irrenden zu lieben, den Irrtum aber zu verabscheuen und an seiner Ausrottung zu arbeiten. Bei dieser Auffassung ist eine herzliche Verständigung mit den Anders¬ gläubigen, die ans den im Glauben getrennten Brüdern ein Volk schüfe und den konfessionellen Unterschied zu einer Schattierung in der Auffassung der beiden Teilen gemeinsamen Religion herabsetzte, nicht deutbar. Die Katholiken müssen also ihr Dogma von der Kirche, deu Anspruch auf die Göttlichkeit ihrer Kirche im dogma¬ tischen Sinne, endlich einmal aufgeben. Sie dazu zu bewegen, daran arbeite ich. Daran arbeitet auch Hoensbroech, aber in zweckwidriger Weise. Freilich ist, wie er ganz richtig urteilt, das Mittel dazu die Hervorhebung der Schattenseiten des Papsttums, seiner theoretischen Irrtümer und historischen Mißverdienste. Aber diese müssen in einer Weise behandelt werden, die den Katholiken das Lesen der Beweis¬ führung möglich macht. Hoensbroechs Werk wird nur von Leuten gelesen, die den Nachweis nicht brauchen, weil sie, wenn sie noch an den Teufel glaubten, das Papsttum für eine Stiftung des Teufels halten würden, und die Hoensbroech zu¬ jubeln, weil er ihnen neuen Stoff für eine gehässige Polemik liefert. Die wenigen Katholiken, die es zur Hand nehmen, überzeugt es nicht, sondern erbittert es. Anstatt also die Versöhnung anzubahnen, vertieft und verschärft es die Feindschaft. Aus diesem Gründe werde ich, so lange mir ein Organ offen steht, die Hoensbroech ebenso bekämpfen wie die Deuifle. Daß in Anbetracht der Einleitungsworte Hoensbroechs die von ihm ange¬ fochtene Bemerkung verfehlt im Ausdruck geunnut werden muß, räume ich ein. Ich hätte etwa schreiben sollen, wie ich auch sonst wohl schon geschrieben habe: Katho¬ liken von solcher Blindheit dürfen sich nicht darüber beschweren, wenn ein Hoens¬ broech eine Skandalgeschichte des Papsttums für dessen Geschichte ausgibt, oder: wenn ein Hoensbroech allen Schmutz der Papstgeschichte zusammenkehrt und darüber Karl Jeutsch schreibt: Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/178>, abgerufen am 19.05.2024.