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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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I>in Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten

Königspfalz. Bon Birununr aus verzweigten sich die Straßen ins Drautal
nach Ost und West. Die westliche ging nach dem Nordufer des herrlichen
Wörther Sees und an diesem entlang, wo bei Krumpendorf ein Meilenstein
ans der Zeit des Septimius Severus die Entfernung von Virnnum anf
15 in. x. (22,5 Kilometer) angibt, und mündete bei Vliland (Scmticum) in die
ostwestliche Straße im Drautale. Die Richtung der heutigen Eisenbahn Klagen-
furt-Vliland beruht auf einer Verdrückung jener Linie nach Süden, eine Folge
des Emporkommens von Klagenfurt, das an der Furt der Klage (d. i. Glan)
erst seit dem dreizehnten Jahrhundert hervortritt, 1268 mit Marktrecht und
Burg als salzburgisches Lehen an den Herzog von Kärnten gegeben wurde
und so erst im sechzehnten Jahrhundert an Stelle des ältern Se. Veit zur
Landeshauptstadt geworden ist.




Die Lebensschicksale eines geisteskranken Kirsten
zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges
(Schlich)

An beginnt die anderthalbjährige strenge, geheime und mit un¬
erhörter geistiger Folter verknüpfte Haft, aus der nur der Tod
den unglücklichen Fürsten erlösen sollte.

Gleichsam zur Rechtfertigung dieser Maßnahme wurde zunächst
eine Durchsuchung der, abgesehen von dem aus neununddreißig
Pferden bestehenden Marstall, sehr dürftigen Fahrnis Johann Friedrichs in
Jchtershausen, Tambuchshof, Reinhardsbrunnen und Georgenthal vorgenommen,
alles Verdächtige beschlagnahmt und die meist ans gutem Grunde sehr zurück¬
haltender Zeugen seines Treibens verhört. Zugleich erschienen zwei Rechtsgelehrte,
Rudolf von Dieskau und Friedrich von Kospoth, sowie drei Theologen, der
Generalsuperiutendent Cromayer ans Weimar und die Professoren Major und
Gerhardt aus Jena, zu einer Vernehmung des Herzogs selbst. Die Rechtsge-
lehrten scheinen mit Rücksicht auf die geistige Verfassung des hohen Jnkulpaten
ihr undankbares Amt sehr bald aufgegeben zu haben. Mit um so größerer Hin¬
gebung und Ausdauer bemühte sich von nun an aber die Geistlichkeit um den
unglücklichen Fürsten, indem sie ihn auszuforschen, zum wahren Glauben zurück¬
zuführen und den Teufel aus ihm auszutreiben versuchte.

Mit besondrer Sorgfalt waren der Herzog Wilhelm und seine Brüder be¬
strebt, zu verhindern, daß von seiner Inhaftierung und ihren Gründen, die nach
den damaligen Ehrbegriffen als ein Schimpf für das ganze Haus Sachsen
empfunden wurden, das Geringste nach außen dringe. Der Kerker der "hoch
angefochtneu fürstlichen Person," wie der Herzog zu größerer Geheimhaltung
unter Weglassung seines Namens von jetzt ab bezeichnet wurde, bestand aus
zwei starkmmirigen und gewölbten Räumen, die durch eine geschlossen gehaltne
Tür und ein offnes Loch verbunden waren. Das Hintere Gemach war für


I>in Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten

Königspfalz. Bon Birununr aus verzweigten sich die Straßen ins Drautal
nach Ost und West. Die westliche ging nach dem Nordufer des herrlichen
Wörther Sees und an diesem entlang, wo bei Krumpendorf ein Meilenstein
ans der Zeit des Septimius Severus die Entfernung von Virnnum anf
15 in. x. (22,5 Kilometer) angibt, und mündete bei Vliland (Scmticum) in die
ostwestliche Straße im Drautale. Die Richtung der heutigen Eisenbahn Klagen-
furt-Vliland beruht auf einer Verdrückung jener Linie nach Süden, eine Folge
des Emporkommens von Klagenfurt, das an der Furt der Klage (d. i. Glan)
erst seit dem dreizehnten Jahrhundert hervortritt, 1268 mit Marktrecht und
Burg als salzburgisches Lehen an den Herzog von Kärnten gegeben wurde
und so erst im sechzehnten Jahrhundert an Stelle des ältern Se. Veit zur
Landeshauptstadt geworden ist.




Die Lebensschicksale eines geisteskranken Kirsten
zur Zeit des Dreißigjährigen Arieges
(Schlich)

An beginnt die anderthalbjährige strenge, geheime und mit un¬
erhörter geistiger Folter verknüpfte Haft, aus der nur der Tod
den unglücklichen Fürsten erlösen sollte.

Gleichsam zur Rechtfertigung dieser Maßnahme wurde zunächst
eine Durchsuchung der, abgesehen von dem aus neununddreißig
Pferden bestehenden Marstall, sehr dürftigen Fahrnis Johann Friedrichs in
Jchtershausen, Tambuchshof, Reinhardsbrunnen und Georgenthal vorgenommen,
alles Verdächtige beschlagnahmt und die meist ans gutem Grunde sehr zurück¬
haltender Zeugen seines Treibens verhört. Zugleich erschienen zwei Rechtsgelehrte,
Rudolf von Dieskau und Friedrich von Kospoth, sowie drei Theologen, der
Generalsuperiutendent Cromayer ans Weimar und die Professoren Major und
Gerhardt aus Jena, zu einer Vernehmung des Herzogs selbst. Die Rechtsge-
lehrten scheinen mit Rücksicht auf die geistige Verfassung des hohen Jnkulpaten
ihr undankbares Amt sehr bald aufgegeben zu haben. Mit um so größerer Hin¬
gebung und Ausdauer bemühte sich von nun an aber die Geistlichkeit um den
unglücklichen Fürsten, indem sie ihn auszuforschen, zum wahren Glauben zurück¬
zuführen und den Teufel aus ihm auszutreiben versuchte.

Mit besondrer Sorgfalt waren der Herzog Wilhelm und seine Brüder be¬
strebt, zu verhindern, daß von seiner Inhaftierung und ihren Gründen, die nach
den damaligen Ehrbegriffen als ein Schimpf für das ganze Haus Sachsen
empfunden wurden, das Geringste nach außen dringe. Der Kerker der „hoch
angefochtneu fürstlichen Person," wie der Herzog zu größerer Geheimhaltung
unter Weglassung seines Namens von jetzt ab bezeichnet wurde, bestand aus
zwei starkmmirigen und gewölbten Räumen, die durch eine geschlossen gehaltne
Tür und ein offnes Loch verbunden waren. Das Hintere Gemach war für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/255>, abgerufen am 07.05.2024.