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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Heiterkeit, Ritterlichkeit, liebreiche Behandlung
der Kinder, Anmut der Frauen,

Nur ein Narr könnte leugnen wollen, daß der weiße Joao cmrvMöuL
durch Körperschönheit, Herzensadcl, Willenskraft und reiche geistige Begabung
den Mongolen und den Neger überragt, auch deu Mongoloiden (alpinen
Menschen) und den Negroiden (lloino moclltLrriuiöuL), die neben ihm die Grund¬
bestandteile der heutige" europäischen Bevölkerung sein sollen. Fraglich aber
bleibt: ob nicht der Germane zur vollen Entfaltung seiner Anlagen der Bei¬
mischung fremden Blutes ebenso bedarf, wie nach Woltmnnns Ansicht die andern
Rassen nur durch Mischung mit Germanen zu höhern Leistungen befähigt werden;
ob der Kulturwert eines Volkes bloß nach der Zahl seiner Genies zu schätzen
ist; ob nicht in aller Zukunft durch Mischung immer wieder neue Rassen ent¬
steht! können, die an Tüchtigkeit und Adel den untergegangnen nichts nach¬
geben und deu Eutartungspcssimismns widerlegen; ob nicht Bodenbeschaffenheit,
Klima, politische, soziale und wirtschaftliche Zustände, herrschende geistige Mächte
den ursprünglichen Nassencharalter im guten und im schlimmen Sinne bis zur
L. I- Unkenntlichkeit verändern können. '




Historisch - dramatisches Kgurenkabinett
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le Jungfrau von Orleans. Es ist Schiller der Borwurf
gemacht worden, er habe die drei Bestandteile, aus denen sich das
Leben der Johanna d'Arc zusammensetze, das Schäferspiel ihrer
ersten Jugend, das romantische Nittcrstnck ihrer erstaunlicher mili¬
tärischen und politischen Erfolge und das ergreifende a,illo nig. K
ihres Fenertodes in etwas willkürlicher Weise zu einem Melodram
bearbeitet, das sich nur in den ersten Akten einigermaßen an die uns überlieferten
Tatsachen anlehne, vielfach aber und besonders gegen das Ende hin freie Erfindung
seiner immer für das Edle begeisterte" Einbildungskraft sei. Die Geschichts¬
fälschung, deren man den Dichter durch diese Behauptung bezichtigt, ist freilich
unbestreitbar, aber zum Vorwurf darf sie ihm nicht gemacht werden, da ihm,
wie sich nun einmal das Schicksal des heldenmütigen Mädchens gestaltet l>eilte,
nur die Wahl blieb, ob er, neben den? von ihm als Prolog behandelten ^chafer-
spiele, der Bühne zwei in ihrer Trennung des dramatischen Abschlusses ent¬
behrende Hälften bieten, oder ob er an die Stelle des zu Rouen geschehenen,
das allerdings in des Wortes eigentlichster Bedeutuug tragisch, aber ebensowenig
wie irgendein andrer Prozeß ähnlicher Art für die Bühne verwendbar war, eine
frei erfundne Apotheose setzen wollte. Er hat sich für dieses entschieden, und
wir müssen uns darüber freuen, denn wir verdanken diesen? Entschluß das ab¬
gerundete Kunstwerk; die Behandlung des Stoffes in wissenschaftlicher Form, die
sich auf die Benutzung der bald reich fließenden, bald versiegenden Quellen be¬
schränkt, bleibt der Geschichte vorbehalten. Ihr schlichter Bericht musz jedes
menschliche Herz mit Begeisterung für die Heldin und mit Entrüstung über das
blutige Unrecht erfüllen, das an ihr von Freund und Feind, von Kirche und
Staat, durch Handeln und Unterlassung begangen worden ist. Wer sich in


Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Heiterkeit, Ritterlichkeit, liebreiche Behandlung
der Kinder, Anmut der Frauen,

Nur ein Narr könnte leugnen wollen, daß der weiße Joao cmrvMöuL
durch Körperschönheit, Herzensadcl, Willenskraft und reiche geistige Begabung
den Mongolen und den Neger überragt, auch deu Mongoloiden (alpinen
Menschen) und den Negroiden (lloino moclltLrriuiöuL), die neben ihm die Grund¬
bestandteile der heutige« europäischen Bevölkerung sein sollen. Fraglich aber
bleibt: ob nicht der Germane zur vollen Entfaltung seiner Anlagen der Bei¬
mischung fremden Blutes ebenso bedarf, wie nach Woltmnnns Ansicht die andern
Rassen nur durch Mischung mit Germanen zu höhern Leistungen befähigt werden;
ob der Kulturwert eines Volkes bloß nach der Zahl seiner Genies zu schätzen
ist; ob nicht in aller Zukunft durch Mischung immer wieder neue Rassen ent¬
steht! können, die an Tüchtigkeit und Adel den untergegangnen nichts nach¬
geben und deu Eutartungspcssimismns widerlegen; ob nicht Bodenbeschaffenheit,
Klima, politische, soziale und wirtschaftliche Zustände, herrschende geistige Mächte
den ursprünglichen Nassencharalter im guten und im schlimmen Sinne bis zur
L. I- Unkenntlichkeit verändern können. '




Historisch - dramatisches Kgurenkabinett
3

le Jungfrau von Orleans. Es ist Schiller der Borwurf
gemacht worden, er habe die drei Bestandteile, aus denen sich das
Leben der Johanna d'Arc zusammensetze, das Schäferspiel ihrer
ersten Jugend, das romantische Nittcrstnck ihrer erstaunlicher mili¬
tärischen und politischen Erfolge und das ergreifende a,illo nig. K
ihres Fenertodes in etwas willkürlicher Weise zu einem Melodram
bearbeitet, das sich nur in den ersten Akten einigermaßen an die uns überlieferten
Tatsachen anlehne, vielfach aber und besonders gegen das Ende hin freie Erfindung
seiner immer für das Edle begeisterte» Einbildungskraft sei. Die Geschichts¬
fälschung, deren man den Dichter durch diese Behauptung bezichtigt, ist freilich
unbestreitbar, aber zum Vorwurf darf sie ihm nicht gemacht werden, da ihm,
wie sich nun einmal das Schicksal des heldenmütigen Mädchens gestaltet l>eilte,
nur die Wahl blieb, ob er, neben den? von ihm als Prolog behandelten ^chafer-
spiele, der Bühne zwei in ihrer Trennung des dramatischen Abschlusses ent¬
behrende Hälften bieten, oder ob er an die Stelle des zu Rouen geschehenen,
das allerdings in des Wortes eigentlichster Bedeutuug tragisch, aber ebensowenig
wie irgendein andrer Prozeß ähnlicher Art für die Bühne verwendbar war, eine
frei erfundne Apotheose setzen wollte. Er hat sich für dieses entschieden, und
wir müssen uns darüber freuen, denn wir verdanken diesen? Entschluß das ab¬
gerundete Kunstwerk; die Behandlung des Stoffes in wissenschaftlicher Form, die
sich auf die Benutzung der bald reich fließenden, bald versiegenden Quellen be¬
schränkt, bleibt der Geschichte vorbehalten. Ihr schlichter Bericht musz jedes
menschliche Herz mit Begeisterung für die Heldin und mit Entrüstung über das
blutige Unrecht erfüllen, das an ihr von Freund und Feind, von Kirche und
Staat, durch Handeln und Unterlassung begangen worden ist. Wer sich in


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[0268] Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Heiterkeit, Ritterlichkeit, liebreiche Behandlung der Kinder, Anmut der Frauen, Nur ein Narr könnte leugnen wollen, daß der weiße Joao cmrvMöuL durch Körperschönheit, Herzensadcl, Willenskraft und reiche geistige Begabung den Mongolen und den Neger überragt, auch deu Mongoloiden (alpinen Menschen) und den Negroiden (lloino moclltLrriuiöuL), die neben ihm die Grund¬ bestandteile der heutige« europäischen Bevölkerung sein sollen. Fraglich aber bleibt: ob nicht der Germane zur vollen Entfaltung seiner Anlagen der Bei¬ mischung fremden Blutes ebenso bedarf, wie nach Woltmnnns Ansicht die andern Rassen nur durch Mischung mit Germanen zu höhern Leistungen befähigt werden; ob der Kulturwert eines Volkes bloß nach der Zahl seiner Genies zu schätzen ist; ob nicht in aller Zukunft durch Mischung immer wieder neue Rassen ent¬ steht! können, die an Tüchtigkeit und Adel den untergegangnen nichts nach¬ geben und deu Eutartungspcssimismns widerlegen; ob nicht Bodenbeschaffenheit, Klima, politische, soziale und wirtschaftliche Zustände, herrschende geistige Mächte den ursprünglichen Nassencharalter im guten und im schlimmen Sinne bis zur L. I- Unkenntlichkeit verändern können. ' Historisch - dramatisches Kgurenkabinett 3 le Jungfrau von Orleans. Es ist Schiller der Borwurf gemacht worden, er habe die drei Bestandteile, aus denen sich das Leben der Johanna d'Arc zusammensetze, das Schäferspiel ihrer ersten Jugend, das romantische Nittcrstnck ihrer erstaunlicher mili¬ tärischen und politischen Erfolge und das ergreifende a,illo nig. K ihres Fenertodes in etwas willkürlicher Weise zu einem Melodram bearbeitet, das sich nur in den ersten Akten einigermaßen an die uns überlieferten Tatsachen anlehne, vielfach aber und besonders gegen das Ende hin freie Erfindung seiner immer für das Edle begeisterte» Einbildungskraft sei. Die Geschichts¬ fälschung, deren man den Dichter durch diese Behauptung bezichtigt, ist freilich unbestreitbar, aber zum Vorwurf darf sie ihm nicht gemacht werden, da ihm, wie sich nun einmal das Schicksal des heldenmütigen Mädchens gestaltet l>eilte, nur die Wahl blieb, ob er, neben den? von ihm als Prolog behandelten ^chafer- spiele, der Bühne zwei in ihrer Trennung des dramatischen Abschlusses ent¬ behrende Hälften bieten, oder ob er an die Stelle des zu Rouen geschehenen, das allerdings in des Wortes eigentlichster Bedeutuug tragisch, aber ebensowenig wie irgendein andrer Prozeß ähnlicher Art für die Bühne verwendbar war, eine frei erfundne Apotheose setzen wollte. Er hat sich für dieses entschieden, und wir müssen uns darüber freuen, denn wir verdanken diesen? Entschluß das ab¬ gerundete Kunstwerk; die Behandlung des Stoffes in wissenschaftlicher Form, die sich auf die Benutzung der bald reich fließenden, bald versiegenden Quellen be¬ schränkt, bleibt der Geschichte vorbehalten. Ihr schlichter Bericht musz jedes menschliche Herz mit Begeisterung für die Heldin und mit Entrüstung über das blutige Unrecht erfüllen, das an ihr von Freund und Feind, von Kirche und Staat, durch Handeln und Unterlassung begangen worden ist. Wer sich in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/268>, abgerufen am 07.05.2024.