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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Salzburg und die Tauernpässe

gefühl zur Vertiefung auf irgendeinem Gebiete gedrängt wird. Hier sind die
armen, nach Wissen und Kultur lechzender Frauen und Männer zu finden,
die durch ihr Temperament und durch die sie umgebenden Verhältnisse zu den
fanatischen Schwärmern geworden sind, die die Aufteilung des Landes an die
Bauern und die Abschaffung jeder Autorität predigen. Das heranwachsende
Geschlecht wird absterben müssen, ehe aus diesen zermürbten Kreisen in Ruhe
arbeitende Männer hervorgehn können.

(Fortsetzung folgt)




Salzburg und die Tauernpässe
Dedo Uaemmel von

> eit oberhalb von Vliland erreicht die westliche der beiden sich im
Lnngau trennenden Straßen das Drautcil. Sie überschreitet von
Se. Michael (1068 Meter) aus den Katschberg (1641 Meter), also
in sehr steiler Steigung, und gelangt in dem engen Liesertale
! über Leoben und Eisentratten nach Gmünd (732 Meter), wo die
Malta von rechts her, von den letzten Gletschern der Hochtciuern genährt, in
die Lieser mündet. In dem Winkel zwischen beiden schäumende" Bächen, auf
hohem Uferrande, liegt der alte Marktflecken, von einer Viertorigen Mauer
umgeben, unter dem Schlitze des alten Schlosses, das jetzt den Grafen von
Lodron gehört. Behübig breiten sich die stattlichen, soliden Häuser mit ihren
gewölbten Hausfluren um den großen Marktplatz, die Zeugen und Erzeugnisse
-eines ehemals blühenden Handelsverkehrs. Denn mit der Tauernstraße aus
dem Lnngau traf hier ein Saumweg auch aus dem Maltatale zusammen, der
über die schwierige Großarlscharte (2251 Meter) nach dem Großarltal und
damit in den Pongau hinüberführt. Den untern breiten, wohlangebauten Teil
des Tales beherrscht Maltein mit seinem hohen Schlosse. Allmählich verengt
sich das Tal, den Hintergrund schließen die Gletscher und die Schneefelder der
Hochtcmern, zunächst des Malteiner Sonnblicks, beim Pflügelhofe hört der
Fahrweg auf, und steil hinauf, an stäubenden und donnernden Wasserfällen
vorüber oder über sie hinweg -- der großartigste ist der Blaue Tumpf --
klimmt der Saumpfad hinauf nach der verfallnen Elendhütte (1765 Meter)
unter der Arlscharte. Der Richtung nach bietet sie die kürzeste Verbindung
zwischen dem Drcmtale und Salzburg; aber jetzt wird der lange, mühevolle
und einsame Weg nur noch von Jägern, Hirten und einzelnen Touristen be¬
gangen. Daß sich auch hier ehemals ein reger Verkehr bewegte, das ergibt
sich schon aus der Existenz der Burg Maltein. die doch nur den Zweck haben
konnte, den Weg durch das Maltatal zu beherrschen, und einer "Samerhütte,"
d. h. Säumerhütte, hoch oben im Gebirge unter der Großarlscharte. Verkehrs¬
arm, wie jetzt diese einst so belebten Täter geworden sind, beherbergen sie ein


Salzburg und die Tauernpässe

gefühl zur Vertiefung auf irgendeinem Gebiete gedrängt wird. Hier sind die
armen, nach Wissen und Kultur lechzender Frauen und Männer zu finden,
die durch ihr Temperament und durch die sie umgebenden Verhältnisse zu den
fanatischen Schwärmern geworden sind, die die Aufteilung des Landes an die
Bauern und die Abschaffung jeder Autorität predigen. Das heranwachsende
Geschlecht wird absterben müssen, ehe aus diesen zermürbten Kreisen in Ruhe
arbeitende Männer hervorgehn können.

(Fortsetzung folgt)




Salzburg und die Tauernpässe
Dedo Uaemmel von

> eit oberhalb von Vliland erreicht die westliche der beiden sich im
Lnngau trennenden Straßen das Drautcil. Sie überschreitet von
Se. Michael (1068 Meter) aus den Katschberg (1641 Meter), also
in sehr steiler Steigung, und gelangt in dem engen Liesertale
! über Leoben und Eisentratten nach Gmünd (732 Meter), wo die
Malta von rechts her, von den letzten Gletschern der Hochtciuern genährt, in
die Lieser mündet. In dem Winkel zwischen beiden schäumende» Bächen, auf
hohem Uferrande, liegt der alte Marktflecken, von einer Viertorigen Mauer
umgeben, unter dem Schlitze des alten Schlosses, das jetzt den Grafen von
Lodron gehört. Behübig breiten sich die stattlichen, soliden Häuser mit ihren
gewölbten Hausfluren um den großen Marktplatz, die Zeugen und Erzeugnisse
-eines ehemals blühenden Handelsverkehrs. Denn mit der Tauernstraße aus
dem Lnngau traf hier ein Saumweg auch aus dem Maltatale zusammen, der
über die schwierige Großarlscharte (2251 Meter) nach dem Großarltal und
damit in den Pongau hinüberführt. Den untern breiten, wohlangebauten Teil
des Tales beherrscht Maltein mit seinem hohen Schlosse. Allmählich verengt
sich das Tal, den Hintergrund schließen die Gletscher und die Schneefelder der
Hochtcmern, zunächst des Malteiner Sonnblicks, beim Pflügelhofe hört der
Fahrweg auf, und steil hinauf, an stäubenden und donnernden Wasserfällen
vorüber oder über sie hinweg — der großartigste ist der Blaue Tumpf —
klimmt der Saumpfad hinauf nach der verfallnen Elendhütte (1765 Meter)
unter der Arlscharte. Der Richtung nach bietet sie die kürzeste Verbindung
zwischen dem Drcmtale und Salzburg; aber jetzt wird der lange, mühevolle
und einsame Weg nur noch von Jägern, Hirten und einzelnen Touristen be¬
gangen. Daß sich auch hier ehemals ein reger Verkehr bewegte, das ergibt
sich schon aus der Existenz der Burg Maltein. die doch nur den Zweck haben
konnte, den Weg durch das Maltatal zu beherrschen, und einer „Samerhütte,"
d. h. Säumerhütte, hoch oben im Gebirge unter der Großarlscharte. Verkehrs¬
arm, wie jetzt diese einst so belebten Täter geworden sind, beherbergen sie ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/311>, abgerufen am 07.05.2024.