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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Die Tage von (Lhamvigny und Villiers

WO"-^^ürttembergische, sächsische und pommersche Truppen feiern am
November und am 2. Dezember die Wiederkehr der für
^Freund und Feind ehrenvollen Tage, an denen vor fünfund¬
dreißig Jahren die Armee von Paris, wie sich der Chef des
! Großen Generalstabs in einem an den General von Werber er-
gcmgnen Befehle vom 8, Dezember 1870 ausdrückte, "Durchbruchsversuche im
großen Stil" unternommen hatte. Sie werden von uns Deutschen als die
Schlacht bei Villiers an der Marne, von den Franzosen als die bei Champigny-
sur-Marne bezeichnet. Die geschichtliche Abteilung des Großen Generalstabs
im zweiten Teile des "Deutsch-französischen Kriegs" und General Ducrot in
seiner vvtönsö as ?a>ris haben das allgemeine Bild und die Episoden dieser
Kämpfe veranschaulicht, auch sind in zahlreichen Rcgimentsgeschichten und
Monographien die Taten und die Schicksale einzelner Abteilungen und Per¬
sönlichkeiten verzeichnet worden. Was hier beabsichtigt wird, ist, dem Leser,
den das Andenken an ein von seinen Landsleuten geleistetes, mehr solides als
in die Augen fallendes Stück Arbeit erfreut, eine zusammengedrängte Übersicht
dessen zu geben, was den besondern Charakter der beiden Gefechtstage und
überhaupt der Dienst- und der Lebensverhältnisse der zur Einschließung der
französischen Hauptstadt verwandten deutschen Truppen ausmachte. Für diesen
Zweck ist der köstliche Lapidarstil, in dem das Generalstabswcrk geschrieben ist,
nicht geeignet; es soll zwanglos geplaudert werden, wie der Jäger von seinen
Jagdabenteuern, wie der Reisende von seinen Reiseerlebnissen erzählt. Die
echt waffenbrüderlichc Unterstützung, die bei Villiers drei ihrer Herkunft und
ihrer Art nach so verschiedne Teile der deutschen Armee einander leisteten, hat
sich in der rühmlichen Sitte vererbt, daß von den Truppen, die in diesen
Tagen Erinnerungsfeste begehn, mit wafsenbrüderlicher Wärme und Begeisterung
derer gedacht wird, die zur Rechten und zur Linken von ihnen gestanden haben;
es wird deshalb am Schluß dieser Skizze eine gedrängte Übersicht der an der
Schlacht beteiligten Truppenteile unter Beifügung der von ihnen erlittnen
Verluste gegeben werden. Die Gefechtsverluste eines Truppenteils sind zwar
an sich kein selbständiger Maßstab für die Beurteilung seiner Leistungen, da
eine Truppe mit verhältnismäßig geringen Opfern großes und wesentliches
leisten kann, aber sie lassen erkennen, wo der Kampf von ihr mit einem an
Zahl überlegnen Gegner oder sonst unter erschwerenden Umstünden geführt
worden ist, und da, wo große Verluste die Brauchbarkeit der Truppe nicht
aufgehoben und deren Verband nicht gelockert haben, kann sie auf die Hohe
der Verluste in dem Sinne stolz sein, daß sie sich sagt: Es ging heiß her,
aber wir blieben kühl.


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Die Tage von (Lhamvigny und Villiers

WO»-^^ürttembergische, sächsische und pommersche Truppen feiern am
November und am 2. Dezember die Wiederkehr der für
^Freund und Feind ehrenvollen Tage, an denen vor fünfund¬
dreißig Jahren die Armee von Paris, wie sich der Chef des
! Großen Generalstabs in einem an den General von Werber er-
gcmgnen Befehle vom 8, Dezember 1870 ausdrückte, „Durchbruchsversuche im
großen Stil" unternommen hatte. Sie werden von uns Deutschen als die
Schlacht bei Villiers an der Marne, von den Franzosen als die bei Champigny-
sur-Marne bezeichnet. Die geschichtliche Abteilung des Großen Generalstabs
im zweiten Teile des „Deutsch-französischen Kriegs" und General Ducrot in
seiner vvtönsö as ?a>ris haben das allgemeine Bild und die Episoden dieser
Kämpfe veranschaulicht, auch sind in zahlreichen Rcgimentsgeschichten und
Monographien die Taten und die Schicksale einzelner Abteilungen und Per¬
sönlichkeiten verzeichnet worden. Was hier beabsichtigt wird, ist, dem Leser,
den das Andenken an ein von seinen Landsleuten geleistetes, mehr solides als
in die Augen fallendes Stück Arbeit erfreut, eine zusammengedrängte Übersicht
dessen zu geben, was den besondern Charakter der beiden Gefechtstage und
überhaupt der Dienst- und der Lebensverhältnisse der zur Einschließung der
französischen Hauptstadt verwandten deutschen Truppen ausmachte. Für diesen
Zweck ist der köstliche Lapidarstil, in dem das Generalstabswcrk geschrieben ist,
nicht geeignet; es soll zwanglos geplaudert werden, wie der Jäger von seinen
Jagdabenteuern, wie der Reisende von seinen Reiseerlebnissen erzählt. Die
echt waffenbrüderlichc Unterstützung, die bei Villiers drei ihrer Herkunft und
ihrer Art nach so verschiedne Teile der deutschen Armee einander leisteten, hat
sich in der rühmlichen Sitte vererbt, daß von den Truppen, die in diesen
Tagen Erinnerungsfeste begehn, mit wafsenbrüderlicher Wärme und Begeisterung
derer gedacht wird, die zur Rechten und zur Linken von ihnen gestanden haben;
es wird deshalb am Schluß dieser Skizze eine gedrängte Übersicht der an der
Schlacht beteiligten Truppenteile unter Beifügung der von ihnen erlittnen
Verluste gegeben werden. Die Gefechtsverluste eines Truppenteils sind zwar
an sich kein selbständiger Maßstab für die Beurteilung seiner Leistungen, da
eine Truppe mit verhältnismäßig geringen Opfern großes und wesentliches
leisten kann, aber sie lassen erkennen, wo der Kampf von ihr mit einem an
Zahl überlegnen Gegner oder sonst unter erschwerenden Umstünden geführt
worden ist, und da, wo große Verluste die Brauchbarkeit der Truppe nicht
aufgehoben und deren Verband nicht gelockert haben, kann sie auf die Hohe
der Verluste in dem Sinne stolz sein, daß sie sich sagt: Es ging heiß her,
aber wir blieben kühl.


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[0373] [Abbildung] Die Tage von (Lhamvigny und Villiers WO»-^^ürttembergische, sächsische und pommersche Truppen feiern am November und am 2. Dezember die Wiederkehr der für ^Freund und Feind ehrenvollen Tage, an denen vor fünfund¬ dreißig Jahren die Armee von Paris, wie sich der Chef des ! Großen Generalstabs in einem an den General von Werber er- gcmgnen Befehle vom 8, Dezember 1870 ausdrückte, „Durchbruchsversuche im großen Stil" unternommen hatte. Sie werden von uns Deutschen als die Schlacht bei Villiers an der Marne, von den Franzosen als die bei Champigny- sur-Marne bezeichnet. Die geschichtliche Abteilung des Großen Generalstabs im zweiten Teile des „Deutsch-französischen Kriegs" und General Ducrot in seiner vvtönsö as ?a>ris haben das allgemeine Bild und die Episoden dieser Kämpfe veranschaulicht, auch sind in zahlreichen Rcgimentsgeschichten und Monographien die Taten und die Schicksale einzelner Abteilungen und Per¬ sönlichkeiten verzeichnet worden. Was hier beabsichtigt wird, ist, dem Leser, den das Andenken an ein von seinen Landsleuten geleistetes, mehr solides als in die Augen fallendes Stück Arbeit erfreut, eine zusammengedrängte Übersicht dessen zu geben, was den besondern Charakter der beiden Gefechtstage und überhaupt der Dienst- und der Lebensverhältnisse der zur Einschließung der französischen Hauptstadt verwandten deutschen Truppen ausmachte. Für diesen Zweck ist der köstliche Lapidarstil, in dem das Generalstabswcrk geschrieben ist, nicht geeignet; es soll zwanglos geplaudert werden, wie der Jäger von seinen Jagdabenteuern, wie der Reisende von seinen Reiseerlebnissen erzählt. Die echt waffenbrüderlichc Unterstützung, die bei Villiers drei ihrer Herkunft und ihrer Art nach so verschiedne Teile der deutschen Armee einander leisteten, hat sich in der rühmlichen Sitte vererbt, daß von den Truppen, die in diesen Tagen Erinnerungsfeste begehn, mit wafsenbrüderlicher Wärme und Begeisterung derer gedacht wird, die zur Rechten und zur Linken von ihnen gestanden haben; es wird deshalb am Schluß dieser Skizze eine gedrängte Übersicht der an der Schlacht beteiligten Truppenteile unter Beifügung der von ihnen erlittnen Verluste gegeben werden. Die Gefechtsverluste eines Truppenteils sind zwar an sich kein selbständiger Maßstab für die Beurteilung seiner Leistungen, da eine Truppe mit verhältnismäßig geringen Opfern großes und wesentliches leisten kann, aber sie lassen erkennen, wo der Kampf von ihr mit einem an Zahl überlegnen Gegner oder sonst unter erschwerenden Umstünden geführt worden ist, und da, wo große Verluste die Brauchbarkeit der Truppe nicht aufgehoben und deren Verband nicht gelockert haben, kann sie auf die Hohe der Verluste in dem Sinne stolz sein, daß sie sich sagt: Es ging heiß her, aber wir blieben kühl. «Ärenzbotm IV 1S05 4g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/373>, abgerufen am 07.05.2024.