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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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(Lin Besuch auf der Verbrecherinsel Sachalin

in Norden von Japan, nur durch die schmale Straße La Perouse
von der nördlichsten der vier Hauptinseln dieses Reichs getrennt,
liegt die Insel Sachalin, die bis zum Jahre 1875 zum Teil
japanisch war, dann aber den Russen gegen Abtretung der Kurilen
überlassen wurde. Dieses merkwürdige Eiland ist jedem wohl
aus der Geographiestunde bekannt, die meisten Gebildeten wissen mich, daß
die Russen schwere Verbrecher dorthin verbannen, aber im übrigen ist dieses
Land wohl eine terrg. ineognitg. für die meisten Menschen, die sich nicht gerade
wissenschaftlich mit Ostasien beschäftigen müssen.

Neuerdings ist nun dnrch den russisch-japanischen Krieg die Aufmerksamkeit
etwas mehr auf die weltentlegne Insel gerichtet worden. Erstens hat sich ja
vor einiger Zeit bei dem Hafenplatz Korsakoffsk ein Seegefecht zwischen dem
russischen Kreuzer "novit" und einigen japanischen Schiffen abgespielt, wobei
der Russe auf deu Strand gesetzt werden mußte, und ferner scheinen die Japaner,
falls sie in dem blutigen Ringen schließlich als Sieger hervorgehn sollten, die
Abtretung dieses Landes, das einst ihnen gehörte, zu einer der Friedens¬
bedingungen machen zu wollen. Der Besitz der Insel würde sicher von großem
Wert für sie sein, denn ihr Boden birgt gewiß noch viele Schätze um Kohlen
und Erzen, und es sind im Norden sehr ausgedehnte Petroleumqnellen, die
die meisten Petroleumqnellen der Erde an Güte des Öls übertreffen sollen.
Den Russen fehlt der Unternehmungsgeist, diese Schätze trotz den Schwierig¬
keiten, die das kalte Klima bietet, zu heben und auszubeuten, und Fremden
ist bisher die Konzession versagt worden. Die emsigen, strebsamen Japaner
werden aber jedenfalls Mittel finden, die Hindernisse zu überwinden.

Ferner sind die Wälder reich an Pelztieren jeder Art, vom Büren bis
zum Zobel, und der Fischfang an den Küsten und den Flüssen, woran sich
schon bisher jährlich Tausende von Japanern beteiligten, macht allein den Besitz
der Insel für das Reich des Mikado erstrebenswert.

Es gibt heutzutage nicht sehr viele Länder, die nicht infolge der bequemen
und schnellen Neiseverbindungen schon in den Bereich der "Globetrotter" ein¬
bezogen und in mehr oder minder wertvollen und wahrheitsgetreuer Reise-
schilderungeu beschrieben worden wären. Um so reizvoller ist es, wenn einem
zufällig Gelegenheit geboten wird, ein Land kennen zu lernen, das noch so
wenig bereist und beschrieben worden ist wie Sachalin, wohin sich ein Reisender
nur zum Zwecke des Vergnügens nicht so leicht verirrt.

Mir wurde nach mehrjährigem Aufenthalt in Ostasien dnrch die freund-
liche Vermittlung eines in Hakodate, dem am Südende der Insel Jezzo oder
Hottcndo liegenden japanischen Hafenplatze, ansässigen Herrn im April 1903




(Lin Besuch auf der Verbrecherinsel Sachalin

in Norden von Japan, nur durch die schmale Straße La Perouse
von der nördlichsten der vier Hauptinseln dieses Reichs getrennt,
liegt die Insel Sachalin, die bis zum Jahre 1875 zum Teil
japanisch war, dann aber den Russen gegen Abtretung der Kurilen
überlassen wurde. Dieses merkwürdige Eiland ist jedem wohl
aus der Geographiestunde bekannt, die meisten Gebildeten wissen mich, daß
die Russen schwere Verbrecher dorthin verbannen, aber im übrigen ist dieses
Land wohl eine terrg. ineognitg. für die meisten Menschen, die sich nicht gerade
wissenschaftlich mit Ostasien beschäftigen müssen.

Neuerdings ist nun dnrch den russisch-japanischen Krieg die Aufmerksamkeit
etwas mehr auf die weltentlegne Insel gerichtet worden. Erstens hat sich ja
vor einiger Zeit bei dem Hafenplatz Korsakoffsk ein Seegefecht zwischen dem
russischen Kreuzer „novit" und einigen japanischen Schiffen abgespielt, wobei
der Russe auf deu Strand gesetzt werden mußte, und ferner scheinen die Japaner,
falls sie in dem blutigen Ringen schließlich als Sieger hervorgehn sollten, die
Abtretung dieses Landes, das einst ihnen gehörte, zu einer der Friedens¬
bedingungen machen zu wollen. Der Besitz der Insel würde sicher von großem
Wert für sie sein, denn ihr Boden birgt gewiß noch viele Schätze um Kohlen
und Erzen, und es sind im Norden sehr ausgedehnte Petroleumqnellen, die
die meisten Petroleumqnellen der Erde an Güte des Öls übertreffen sollen.
Den Russen fehlt der Unternehmungsgeist, diese Schätze trotz den Schwierig¬
keiten, die das kalte Klima bietet, zu heben und auszubeuten, und Fremden
ist bisher die Konzession versagt worden. Die emsigen, strebsamen Japaner
werden aber jedenfalls Mittel finden, die Hindernisse zu überwinden.

Ferner sind die Wälder reich an Pelztieren jeder Art, vom Büren bis
zum Zobel, und der Fischfang an den Küsten und den Flüssen, woran sich
schon bisher jährlich Tausende von Japanern beteiligten, macht allein den Besitz
der Insel für das Reich des Mikado erstrebenswert.

Es gibt heutzutage nicht sehr viele Länder, die nicht infolge der bequemen
und schnellen Neiseverbindungen schon in den Bereich der „Globetrotter" ein¬
bezogen und in mehr oder minder wertvollen und wahrheitsgetreuer Reise-
schilderungeu beschrieben worden wären. Um so reizvoller ist es, wenn einem
zufällig Gelegenheit geboten wird, ein Land kennen zu lernen, das noch so
wenig bereist und beschrieben worden ist wie Sachalin, wohin sich ein Reisender
nur zum Zwecke des Vergnügens nicht so leicht verirrt.

Mir wurde nach mehrjährigem Aufenthalt in Ostasien dnrch die freund-
liche Vermittlung eines in Hakodate, dem am Südende der Insel Jezzo oder
Hottcndo liegenden japanischen Hafenplatze, ansässigen Herrn im April 1903


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/100>, abgerufen am 07.05.2024.