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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die anonymen Drohbriefe, mit denen vornehmlich einflußreiche Beamte und
Fabrikdirektoren beglückt werden, mehren sich in unheimlicher Weise, ohne An¬
sehen der Person. So soll zum Beispiel der Direktor eiues großen hiesigen Fabrik¬
unternehmens, bekannt durch seine humane Behandlung der Arbeiter und die
geradezu väterliche Fürsorge, die sich in den verschleimen zum Besten der Arbeiter
von ihm ins Leben gerufnen Institutionen sowie durch eine im große" Stil geübte
Wohltätigkeit ausspricht, täglich Drohbriefe erhalten, worin ihm ans Herz gelegt
wird, sich auf ein besseres Jenseits vorzubereiten. Dazu kommen gelegentlich offen
ansgesprochne Drohungen, die vielleicht nur den Zweck verfolgen, die besser situierte
Bevölkerung zu ängstigen und einzuschüchtern. So kursiert hier in diesen Tagen
eine Geschichte, deren Wahrheit verbürgt sein soll, und die nicht gerade dazu bei¬
trägt, die Situation gemütlicher zu machen.

In einer abgelegnen Gegend der Stadt wurde eine den höhern Kreisen an¬
gehörende Dame in zudringlicher Weise von einem Proletarier angebettelt. Um
ihn loszuwerden, reicht sie ihm einen halben Rubel. Der Bettler steckt das Silber¬
stück ein, worauf er drohend noch drei Rudel fordert. Da weit und breit kein
Mensch zu sehen ist, so bändigt die geängstete Dame dem Manne die geforderte
Summe el", dieser aber weist das Geld zurück mit der Bemerkung: "Ich wollte
Sie nur erschrecken, Madame, Ihr Geld brauche ich nicht. Aber da Sie so eine
mildherzige Dame sind, will ich Ihnen zum Dank einen guten Rat geben: Wenn
Sie verheiratet siud, oder einen Bruder haben, so lassen Sie die Herren am
zweiten Osterfeiertag nicht auf die Straße -- da wird ein allgemeines Morden
losgehn." Sprachs und schlug sich seitwärts in die Büsche!

Danach scheint also die angekündigte Revolution für den 1. Mai westeuro¬
päischen Stils geplant zu sein und nicht, wie man bis jetzt hier annahm, für die
ersten Maitage unsrer Kalenderrechuung, was die Herren nicht bedacht haben, die
sich mit dem Gedanken tragen, Ende April alten Stils ihre Familien ins Ausland,
eventuell auch in das durch die letzten Zugeständnisse der Regierung beruhigte
Finnland in Sicherheit zu bringen.


Haeckel und die Jesuiten.

In der zweiten Aprilwoche hat Haeckel in
Berlin einige Vorträge gehalten und sich dabei von seinen begeisterten An¬
hängern feiern lassen. Wenn wir die Berichte verschiedner Zeitungen über die
ersten beiden Vorträge zusammenfassen, ergibt sich folgendes als ihr Kern. Der
Darwinismus in der Fassung Haeckels, die den Glauben an Gott und die un¬
sterbliche Menschenseele ausschließt, hat in der Wissenschaft gesiegt. Nur die Theo¬
logen sträuben sich noch dagegen. Doch fangen sie an, Zugeständnisse zu machen.
Der Jesuit Wasmann nimmt die Deszendenzlehre an, aber mit der rosorvatio
msnwlis, daß sie vor dem Menschen Halt zu machen habe. "In seinen Dar¬
legungen über die Entstehung der ersten Lebewesen geht der katholische Jesuit
Wasmann mit demi evangelischen Jesuiten Neinke Hand in Hand." Mit diesem
Kompromiß richtet nun zwar der Jesuit zunächst Verwirrung an, zuletzt aber wird
er Segen stiften. Wenn die halbe Deszendenzlehre mit Hilfe der Ultramontanen
in die Schulen Preußens und Bayerns eindringt, wird der Sieg des folgerichtig
durchgeführten Darwinismus in der Schule die Folge sei". "Es ist eine Ironie
des Schicksals, daß so die darwinische Lehre gerade vom Papismus gefördert wird,
dem größten Schwindel, den es je im Geistesleben gegeben hat." Selbstverständ^
lich wurden die Kraftstellen von der nach Tausenden zählenden Zuhörerschaft mit
tosenden Beifall aufgenommen.


existiert, machten sich eines Tags daran, eine davon zu öffnen. Die oberste Schicht waren tat¬
sächlich Apfelsinen, darunter lagen gleichfalls runde in Papier sorgfältig verpackte Dinger, die
sich merkwürdig hart anfühlten. Die in Kenntnis gesetzte Polizei gebot Stillschweigen über den
Fund zu beachten und die Ware dem Empfänger auszuliefern, ihn aber im Auge zu behalten.
Man hoffte so der ganzen Verschwörung Herr zu werden. In der nächsten Nacht verschwand
unerMrlichcrweise die eine Kiste, die übrigen enthielten aber tatsächlich nur Apfelsinen.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die anonymen Drohbriefe, mit denen vornehmlich einflußreiche Beamte und
Fabrikdirektoren beglückt werden, mehren sich in unheimlicher Weise, ohne An¬
sehen der Person. So soll zum Beispiel der Direktor eiues großen hiesigen Fabrik¬
unternehmens, bekannt durch seine humane Behandlung der Arbeiter und die
geradezu väterliche Fürsorge, die sich in den verschleimen zum Besten der Arbeiter
von ihm ins Leben gerufnen Institutionen sowie durch eine im große» Stil geübte
Wohltätigkeit ausspricht, täglich Drohbriefe erhalten, worin ihm ans Herz gelegt
wird, sich auf ein besseres Jenseits vorzubereiten. Dazu kommen gelegentlich offen
ansgesprochne Drohungen, die vielleicht nur den Zweck verfolgen, die besser situierte
Bevölkerung zu ängstigen und einzuschüchtern. So kursiert hier in diesen Tagen
eine Geschichte, deren Wahrheit verbürgt sein soll, und die nicht gerade dazu bei¬
trägt, die Situation gemütlicher zu machen.

In einer abgelegnen Gegend der Stadt wurde eine den höhern Kreisen an¬
gehörende Dame in zudringlicher Weise von einem Proletarier angebettelt. Um
ihn loszuwerden, reicht sie ihm einen halben Rubel. Der Bettler steckt das Silber¬
stück ein, worauf er drohend noch drei Rudel fordert. Da weit und breit kein
Mensch zu sehen ist, so bändigt die geängstete Dame dem Manne die geforderte
Summe el«, dieser aber weist das Geld zurück mit der Bemerkung: „Ich wollte
Sie nur erschrecken, Madame, Ihr Geld brauche ich nicht. Aber da Sie so eine
mildherzige Dame sind, will ich Ihnen zum Dank einen guten Rat geben: Wenn
Sie verheiratet siud, oder einen Bruder haben, so lassen Sie die Herren am
zweiten Osterfeiertag nicht auf die Straße — da wird ein allgemeines Morden
losgehn." Sprachs und schlug sich seitwärts in die Büsche!

Danach scheint also die angekündigte Revolution für den 1. Mai westeuro¬
päischen Stils geplant zu sein und nicht, wie man bis jetzt hier annahm, für die
ersten Maitage unsrer Kalenderrechuung, was die Herren nicht bedacht haben, die
sich mit dem Gedanken tragen, Ende April alten Stils ihre Familien ins Ausland,
eventuell auch in das durch die letzten Zugeständnisse der Regierung beruhigte
Finnland in Sicherheit zu bringen.


Haeckel und die Jesuiten.

In der zweiten Aprilwoche hat Haeckel in
Berlin einige Vorträge gehalten und sich dabei von seinen begeisterten An¬
hängern feiern lassen. Wenn wir die Berichte verschiedner Zeitungen über die
ersten beiden Vorträge zusammenfassen, ergibt sich folgendes als ihr Kern. Der
Darwinismus in der Fassung Haeckels, die den Glauben an Gott und die un¬
sterbliche Menschenseele ausschließt, hat in der Wissenschaft gesiegt. Nur die Theo¬
logen sträuben sich noch dagegen. Doch fangen sie an, Zugeständnisse zu machen.
Der Jesuit Wasmann nimmt die Deszendenzlehre an, aber mit der rosorvatio
msnwlis, daß sie vor dem Menschen Halt zu machen habe. „In seinen Dar¬
legungen über die Entstehung der ersten Lebewesen geht der katholische Jesuit
Wasmann mit demi evangelischen Jesuiten Neinke Hand in Hand." Mit diesem
Kompromiß richtet nun zwar der Jesuit zunächst Verwirrung an, zuletzt aber wird
er Segen stiften. Wenn die halbe Deszendenzlehre mit Hilfe der Ultramontanen
in die Schulen Preußens und Bayerns eindringt, wird der Sieg des folgerichtig
durchgeführten Darwinismus in der Schule die Folge sei«. „Es ist eine Ironie
des Schicksals, daß so die darwinische Lehre gerade vom Papismus gefördert wird,
dem größten Schwindel, den es je im Geistesleben gegeben hat." Selbstverständ^
lich wurden die Kraftstellen von der nach Tausenden zählenden Zuhörerschaft mit
tosenden Beifall aufgenommen.


existiert, machten sich eines Tags daran, eine davon zu öffnen. Die oberste Schicht waren tat¬
sächlich Apfelsinen, darunter lagen gleichfalls runde in Papier sorgfältig verpackte Dinger, die
sich merkwürdig hart anfühlten. Die in Kenntnis gesetzte Polizei gebot Stillschweigen über den
Fund zu beachten und die Ware dem Empfänger auszuliefern, ihn aber im Auge zu behalten.
Man hoffte so der ganzen Verschwörung Herr zu werden. In der nächsten Nacht verschwand
unerMrlichcrweise die eine Kiste, die übrigen enthielten aber tatsächlich nur Apfelsinen.
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[0290] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die anonymen Drohbriefe, mit denen vornehmlich einflußreiche Beamte und Fabrikdirektoren beglückt werden, mehren sich in unheimlicher Weise, ohne An¬ sehen der Person. So soll zum Beispiel der Direktor eiues großen hiesigen Fabrik¬ unternehmens, bekannt durch seine humane Behandlung der Arbeiter und die geradezu väterliche Fürsorge, die sich in den verschleimen zum Besten der Arbeiter von ihm ins Leben gerufnen Institutionen sowie durch eine im große» Stil geübte Wohltätigkeit ausspricht, täglich Drohbriefe erhalten, worin ihm ans Herz gelegt wird, sich auf ein besseres Jenseits vorzubereiten. Dazu kommen gelegentlich offen ansgesprochne Drohungen, die vielleicht nur den Zweck verfolgen, die besser situierte Bevölkerung zu ängstigen und einzuschüchtern. So kursiert hier in diesen Tagen eine Geschichte, deren Wahrheit verbürgt sein soll, und die nicht gerade dazu bei¬ trägt, die Situation gemütlicher zu machen. In einer abgelegnen Gegend der Stadt wurde eine den höhern Kreisen an¬ gehörende Dame in zudringlicher Weise von einem Proletarier angebettelt. Um ihn loszuwerden, reicht sie ihm einen halben Rubel. Der Bettler steckt das Silber¬ stück ein, worauf er drohend noch drei Rudel fordert. Da weit und breit kein Mensch zu sehen ist, so bändigt die geängstete Dame dem Manne die geforderte Summe el«, dieser aber weist das Geld zurück mit der Bemerkung: „Ich wollte Sie nur erschrecken, Madame, Ihr Geld brauche ich nicht. Aber da Sie so eine mildherzige Dame sind, will ich Ihnen zum Dank einen guten Rat geben: Wenn Sie verheiratet siud, oder einen Bruder haben, so lassen Sie die Herren am zweiten Osterfeiertag nicht auf die Straße — da wird ein allgemeines Morden losgehn." Sprachs und schlug sich seitwärts in die Büsche! Danach scheint also die angekündigte Revolution für den 1. Mai westeuro¬ päischen Stils geplant zu sein und nicht, wie man bis jetzt hier annahm, für die ersten Maitage unsrer Kalenderrechuung, was die Herren nicht bedacht haben, die sich mit dem Gedanken tragen, Ende April alten Stils ihre Familien ins Ausland, eventuell auch in das durch die letzten Zugeständnisse der Regierung beruhigte Finnland in Sicherheit zu bringen. Haeckel und die Jesuiten. In der zweiten Aprilwoche hat Haeckel in Berlin einige Vorträge gehalten und sich dabei von seinen begeisterten An¬ hängern feiern lassen. Wenn wir die Berichte verschiedner Zeitungen über die ersten beiden Vorträge zusammenfassen, ergibt sich folgendes als ihr Kern. Der Darwinismus in der Fassung Haeckels, die den Glauben an Gott und die un¬ sterbliche Menschenseele ausschließt, hat in der Wissenschaft gesiegt. Nur die Theo¬ logen sträuben sich noch dagegen. Doch fangen sie an, Zugeständnisse zu machen. Der Jesuit Wasmann nimmt die Deszendenzlehre an, aber mit der rosorvatio msnwlis, daß sie vor dem Menschen Halt zu machen habe. „In seinen Dar¬ legungen über die Entstehung der ersten Lebewesen geht der katholische Jesuit Wasmann mit demi evangelischen Jesuiten Neinke Hand in Hand." Mit diesem Kompromiß richtet nun zwar der Jesuit zunächst Verwirrung an, zuletzt aber wird er Segen stiften. Wenn die halbe Deszendenzlehre mit Hilfe der Ultramontanen in die Schulen Preußens und Bayerns eindringt, wird der Sieg des folgerichtig durchgeführten Darwinismus in der Schule die Folge sei«. „Es ist eine Ironie des Schicksals, daß so die darwinische Lehre gerade vom Papismus gefördert wird, dem größten Schwindel, den es je im Geistesleben gegeben hat." Selbstverständ^ lich wurden die Kraftstellen von der nach Tausenden zählenden Zuhörerschaft mit tosenden Beifall aufgenommen. existiert, machten sich eines Tags daran, eine davon zu öffnen. Die oberste Schicht waren tat¬ sächlich Apfelsinen, darunter lagen gleichfalls runde in Papier sorgfältig verpackte Dinger, die sich merkwürdig hart anfühlten. Die in Kenntnis gesetzte Polizei gebot Stillschweigen über den Fund zu beachten und die Ware dem Empfänger auszuliefern, ihn aber im Auge zu behalten. Man hoffte so der ganzen Verschwörung Herr zu werden. In der nächsten Nacht verschwand unerMrlichcrweise die eine Kiste, die übrigen enthielten aber tatsächlich nur Apfelsinen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/290>, abgerufen am 07.05.2024.