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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Der britische Staatshaushalt

einigten Staaten heute erreicht werden kann, während das ungeheure Anschwellen
der Einwanderung von Slawen, Italienern, russischen Semiten usw. nur daraus
erklärt werdeu kann, daß die Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten
heute noch so sehr viel besser sind als in den Auswanderungslünderu.

Zusammengefaßt: Es ist ganz unmöglich, aus den Vereinigten Staaten
jemals ein deutsches Land mit deutscher Sprache zu macheu. Wenn es dem
Deutschen Reiche schwer wird, trotz dem ungeheuern Übergewicht seiner deutsch
sprechenden Bevölkerung, zum Beispiel seine polnischen Angehörigen in der
Sprache und anderweitig zu verdeutschen, wie gänzlich aussichtslos würde uuter
den in den Vereinigten Staaten vorhandnen Bedingungen das Bemühen der
deutschen Minderheit sein, sich die überwältigende -- immer mehr zunehmende --
Mehrheit zu assimilieren.

Es gilt -- auch im Völkerleben -- dem Erreichbaren zuzustreben. Und
alles, was sich von den Deutschen in den Vereinigten Staaten erreichen läßt,
ist eine Bereicherung der amerikanischen Sprache, eine Verstärkung und Er¬
neuerung ihres deutschen Stammes, und im amerikanischen Volke der Zukunft
eine starke Beimischung deutschen Charakters, deutscher Seele und deutschen
Geistes.




T>er britische Staatshaushalt
von Hugo Bartels

MW>ugland gehört zu den Ländern, die frühzeitig zu nationaler
Einheit gelangt sind, und es steht unter ihnen obenan darin,
Idaß es nach Überwindung des Feudalismus als erstes ein
modernes Staatswesen entwickelt hat. Auf der Staatsordnung
!der Tudors beruht die ganze großartige Entfaltung Englands
in der Neuzeit, ein Beweis, daß sie dem Lande und dem Volke angemessen
war. Ihre Grundzüge lassen sich auch noch in den Verhältnissen von heute
erkennen. Die Regierungsmaschine ist in der Anlage noch dieselbe wie die
der Zeit Elisabeths, sie ist bloß umfangreicher geworden, entsprechend den
höhern Anforderungen, die an einen Staat gestellt werden, der eine wohl
zehnfach größere Bevölkerung und einen die Welt umspannenden Gürtel von
Kolonien sein eigen nennt. Der Staatshaushalt unter Elisabeth rechnete mit
Tausenden, wo man jetzt mit Millionen schaltet.

Zum Kriegführen gehört Geld, Geld und nochmals Geld. Aber zur
Leitung eines Staates in friedlichen Zeiten ist Geld nicht minder notwendig.
Der patriarchalische Hirtenstaat -- wenn man die Bezeichnung Staat dafür
anwenden darf -- konnte ohne Geld so wenig besteh" wie der römische Kultur¬
staat, nur gebrauchte er als Zahlungsmittel die wirklichen Tiere seiner Herden,
während der Römer sich des gemünzten Metalls bediente und bloß in dem
Namen xecunia, die Erinnerung an den ursprünglichen Wertmesser festhielt,


Der britische Staatshaushalt

einigten Staaten heute erreicht werden kann, während das ungeheure Anschwellen
der Einwanderung von Slawen, Italienern, russischen Semiten usw. nur daraus
erklärt werdeu kann, daß die Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten
heute noch so sehr viel besser sind als in den Auswanderungslünderu.

Zusammengefaßt: Es ist ganz unmöglich, aus den Vereinigten Staaten
jemals ein deutsches Land mit deutscher Sprache zu macheu. Wenn es dem
Deutschen Reiche schwer wird, trotz dem ungeheuern Übergewicht seiner deutsch
sprechenden Bevölkerung, zum Beispiel seine polnischen Angehörigen in der
Sprache und anderweitig zu verdeutschen, wie gänzlich aussichtslos würde uuter
den in den Vereinigten Staaten vorhandnen Bedingungen das Bemühen der
deutschen Minderheit sein, sich die überwältigende — immer mehr zunehmende —
Mehrheit zu assimilieren.

Es gilt — auch im Völkerleben — dem Erreichbaren zuzustreben. Und
alles, was sich von den Deutschen in den Vereinigten Staaten erreichen läßt,
ist eine Bereicherung der amerikanischen Sprache, eine Verstärkung und Er¬
neuerung ihres deutschen Stammes, und im amerikanischen Volke der Zukunft
eine starke Beimischung deutschen Charakters, deutscher Seele und deutschen
Geistes.




T>er britische Staatshaushalt
von Hugo Bartels

MW>ugland gehört zu den Ländern, die frühzeitig zu nationaler
Einheit gelangt sind, und es steht unter ihnen obenan darin,
Idaß es nach Überwindung des Feudalismus als erstes ein
modernes Staatswesen entwickelt hat. Auf der Staatsordnung
!der Tudors beruht die ganze großartige Entfaltung Englands
in der Neuzeit, ein Beweis, daß sie dem Lande und dem Volke angemessen
war. Ihre Grundzüge lassen sich auch noch in den Verhältnissen von heute
erkennen. Die Regierungsmaschine ist in der Anlage noch dieselbe wie die
der Zeit Elisabeths, sie ist bloß umfangreicher geworden, entsprechend den
höhern Anforderungen, die an einen Staat gestellt werden, der eine wohl
zehnfach größere Bevölkerung und einen die Welt umspannenden Gürtel von
Kolonien sein eigen nennt. Der Staatshaushalt unter Elisabeth rechnete mit
Tausenden, wo man jetzt mit Millionen schaltet.

Zum Kriegführen gehört Geld, Geld und nochmals Geld. Aber zur
Leitung eines Staates in friedlichen Zeiten ist Geld nicht minder notwendig.
Der patriarchalische Hirtenstaat — wenn man die Bezeichnung Staat dafür
anwenden darf — konnte ohne Geld so wenig besteh» wie der römische Kultur¬
staat, nur gebrauchte er als Zahlungsmittel die wirklichen Tiere seiner Herden,
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[0411] Der britische Staatshaushalt einigten Staaten heute erreicht werden kann, während das ungeheure Anschwellen der Einwanderung von Slawen, Italienern, russischen Semiten usw. nur daraus erklärt werdeu kann, daß die Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten heute noch so sehr viel besser sind als in den Auswanderungslünderu. Zusammengefaßt: Es ist ganz unmöglich, aus den Vereinigten Staaten jemals ein deutsches Land mit deutscher Sprache zu macheu. Wenn es dem Deutschen Reiche schwer wird, trotz dem ungeheuern Übergewicht seiner deutsch sprechenden Bevölkerung, zum Beispiel seine polnischen Angehörigen in der Sprache und anderweitig zu verdeutschen, wie gänzlich aussichtslos würde uuter den in den Vereinigten Staaten vorhandnen Bedingungen das Bemühen der deutschen Minderheit sein, sich die überwältigende — immer mehr zunehmende — Mehrheit zu assimilieren. Es gilt — auch im Völkerleben — dem Erreichbaren zuzustreben. Und alles, was sich von den Deutschen in den Vereinigten Staaten erreichen läßt, ist eine Bereicherung der amerikanischen Sprache, eine Verstärkung und Er¬ neuerung ihres deutschen Stammes, und im amerikanischen Volke der Zukunft eine starke Beimischung deutschen Charakters, deutscher Seele und deutschen Geistes. T>er britische Staatshaushalt von Hugo Bartels MW>ugland gehört zu den Ländern, die frühzeitig zu nationaler Einheit gelangt sind, und es steht unter ihnen obenan darin, Idaß es nach Überwindung des Feudalismus als erstes ein modernes Staatswesen entwickelt hat. Auf der Staatsordnung !der Tudors beruht die ganze großartige Entfaltung Englands in der Neuzeit, ein Beweis, daß sie dem Lande und dem Volke angemessen war. Ihre Grundzüge lassen sich auch noch in den Verhältnissen von heute erkennen. Die Regierungsmaschine ist in der Anlage noch dieselbe wie die der Zeit Elisabeths, sie ist bloß umfangreicher geworden, entsprechend den höhern Anforderungen, die an einen Staat gestellt werden, der eine wohl zehnfach größere Bevölkerung und einen die Welt umspannenden Gürtel von Kolonien sein eigen nennt. Der Staatshaushalt unter Elisabeth rechnete mit Tausenden, wo man jetzt mit Millionen schaltet. Zum Kriegführen gehört Geld, Geld und nochmals Geld. Aber zur Leitung eines Staates in friedlichen Zeiten ist Geld nicht minder notwendig. Der patriarchalische Hirtenstaat — wenn man die Bezeichnung Staat dafür anwenden darf — konnte ohne Geld so wenig besteh» wie der römische Kultur¬ staat, nur gebrauchte er als Zahlungsmittel die wirklichen Tiere seiner Herden, während der Römer sich des gemünzten Metalls bediente und bloß in dem Namen xecunia, die Erinnerung an den ursprünglichen Wertmesser festhielt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/411>, abgerufen am 07.05.2024.