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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

sie. ?. L. Mein eontrvlÄt schicket meinen Eltern reich Hauß sambt den
eingeschlossenen Brief. Vais se insmento unis."

Gefaßten Muts ist er auch in den Tod gegangen, der ihn infolge seiner
Verwundung am 5. September hinraffte. Nur in Kenntnis dieser Ver¬
wundung konnte ihm der Vater noch am 8. September voll Härte schreibe",
daß er darin eine Strafe Gottes sehe. Am 15. Oktober berichtet der genannte
Kamerad von Gravelingen aus: "daß derselben herzgeliebter Herr Sohn nit
anders als wie es einen rechtschaffenen jungen Mann voller Ooni^s ansteht
Llsssirr und sein Geist als ein wahrer beständiger evangelischer Christ, was
das ?riinzixa,ist<z ist, mit großer Geduld und heutigen gebet ausgeben, müssen
Er mir usf allerhand drostsprich, so ich Jhme vorgesprochen, mit Neigung seines
Hauptes bis in die letzten Minuten seines Todes geantwortet."

Und die Erinnerung? "Belangend das glas mit dem David und Goliath
habe ich solches, sobald es alhier ankommen, Nonsisnr Lsliaim Seeligen befclch
gemes Jungfrau ^sans van der Ktrast eingehändiget, ob ich zwar anfäng¬
lichen in willens, Ihr das mit Silber beschlagene zuzustellen, weilen ich aber
das unbeschlagene vor das frawenzimmer hübscher, denn solch nit so gros als
das ander, darzu auch die laWon was annemlichers befunden. Sonsten
hat beraubte Jungfrau es ihr sehr wohl belieben lassen." Nachher hat sie
es freilich an einen Kapitän um drei Ellen Spitzen, achtzehn Franken wert,
vertauscht, der es nicht für zehn Pistolen hergeben würde, "weswegen sie dann
von ihrer frau mutter in meiner gegenwart rechtschaffen ist ausgemacht
worden." Am 6. Dezember als an Se. Nikolas, dem Patron aller Feuer¬
werker und Büchsenmeister -- sonst gilt dafür Se. Barbara --, ist dann eine
Gedächtnisfeier abgehalten worden, dabei man: "das glas rechtschaffen ein¬
geweihet, Euer Herrlichkeit gesuudheit allemal mit loßschissuug eines kegels
herumbgehen lassen."

Das briefliche Vermächtnis des Verlornen Sohnes ist bis auf unsre Tage
gelangt, und wir mögen uns ausmalen, mit welchen Empfindungen es die
Insassen des alten Patrizierhauses der Pegnitzstadt empfangen haben.




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von (Fortsetzung)
Ldel sei der Mensch, hilfreich und gut

>oktor Ramborn war von den Erlebnissen der letzten Tage nicht
sehr erbaut. Er hatte die Empfindung, dos; er in Gefahr sei, seine
innere Freiheit zu verlieren. Wenn man berufen ist. das Schau¬
spiel des Lebens als Herrenmensch zu schauen, so sitzt man in gött¬
licher Gelassenheit in vornehmer Loge, man sieht die Komödie auf
! der Bühne des Lebens in sichrer Entfernung vorüberziehn, und man
überlaßt es dem Parterre zu applaudieren oder Tränen zu vergießen. Das alles
ist der Kleinkrieg der Kleinen, der große Geister nichts angeht.M
tzM


Herrenmenschen

sie. ?. L. Mein eontrvlÄt schicket meinen Eltern reich Hauß sambt den
eingeschlossenen Brief. Vais se insmento unis."

Gefaßten Muts ist er auch in den Tod gegangen, der ihn infolge seiner
Verwundung am 5. September hinraffte. Nur in Kenntnis dieser Ver¬
wundung konnte ihm der Vater noch am 8. September voll Härte schreibe»,
daß er darin eine Strafe Gottes sehe. Am 15. Oktober berichtet der genannte
Kamerad von Gravelingen aus: „daß derselben herzgeliebter Herr Sohn nit
anders als wie es einen rechtschaffenen jungen Mann voller Ooni^s ansteht
Llsssirr und sein Geist als ein wahrer beständiger evangelischer Christ, was
das ?riinzixa,ist<z ist, mit großer Geduld und heutigen gebet ausgeben, müssen
Er mir usf allerhand drostsprich, so ich Jhme vorgesprochen, mit Neigung seines
Hauptes bis in die letzten Minuten seines Todes geantwortet."

Und die Erinnerung? „Belangend das glas mit dem David und Goliath
habe ich solches, sobald es alhier ankommen, Nonsisnr Lsliaim Seeligen befclch
gemes Jungfrau ^sans van der Ktrast eingehändiget, ob ich zwar anfäng¬
lichen in willens, Ihr das mit Silber beschlagene zuzustellen, weilen ich aber
das unbeschlagene vor das frawenzimmer hübscher, denn solch nit so gros als
das ander, darzu auch die laWon was annemlichers befunden. Sonsten
hat beraubte Jungfrau es ihr sehr wohl belieben lassen." Nachher hat sie
es freilich an einen Kapitän um drei Ellen Spitzen, achtzehn Franken wert,
vertauscht, der es nicht für zehn Pistolen hergeben würde, „weswegen sie dann
von ihrer frau mutter in meiner gegenwart rechtschaffen ist ausgemacht
worden." Am 6. Dezember als an Se. Nikolas, dem Patron aller Feuer¬
werker und Büchsenmeister — sonst gilt dafür Se. Barbara —, ist dann eine
Gedächtnisfeier abgehalten worden, dabei man: „das glas rechtschaffen ein¬
geweihet, Euer Herrlichkeit gesuudheit allemal mit loßschissuug eines kegels
herumbgehen lassen."

Das briefliche Vermächtnis des Verlornen Sohnes ist bis auf unsre Tage
gelangt, und wir mögen uns ausmalen, mit welchen Empfindungen es die
Insassen des alten Patrizierhauses der Pegnitzstadt empfangen haben.




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von (Fortsetzung)
Ldel sei der Mensch, hilfreich und gut

>oktor Ramborn war von den Erlebnissen der letzten Tage nicht
sehr erbaut. Er hatte die Empfindung, dos; er in Gefahr sei, seine
innere Freiheit zu verlieren. Wenn man berufen ist. das Schau¬
spiel des Lebens als Herrenmensch zu schauen, so sitzt man in gött¬
licher Gelassenheit in vornehmer Loge, man sieht die Komödie auf
! der Bühne des Lebens in sichrer Entfernung vorüberziehn, und man
überlaßt es dem Parterre zu applaudieren oder Tränen zu vergießen. Das alles
ist der Kleinkrieg der Kleinen, der große Geister nichts angeht.M
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/50>, abgerufen am 07.05.2024.