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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Ist das Reichwerden leichter geworden?

Gebirge. Die Straße, die von dort an in der Richtung Südnord verläuft,
wurde wieder besser. Nach einer weitern Stunde kamen wir in das Tal von
Dschelalabad. Wir verließen die nach links gegen diese Stadt abbiegende
Straße und ritten geradeaus zum Kabulflusse, an dessen Ufer wir durch hohes
Schilf zu einer aus leichtem Holz und Schilf erbauten Hütte gelangten. An
dieser Stelle des Flusses wurden, als wir dort anlangten, mehrere tausend
Föhrenklötze gelandet. Solche Klötze werden, wie ich hier einschalten will,
immer mehrere zusammengebunden, in dem Flusse nach Peschawar geschwemmt,
wo sie zu Brettern und Bauholz zersägt werden. Über die Wälder Afghanistans
werde ich in einem andern Kapitel berichten.

Bei der Hütte hielten wir und wurden ersucht, einzutreten. Diesem Er¬
suchen leisteten wir gern Folge, da wir in der Hütte Schutz vor der brennenden
Sonne und eine Stätte der Erholung zu finden hofften. Zehn oder zwölf
anständig aussehende Männer begrüßten uns, als wir eintraten, sehr höflich,
ja ehrfurchtsvoll. Als wir uns setzten, griff der Älteste und Vornehmste der
Männer, ein weißhaariger Greis, mit beiden Händen in einen Haufen frischer
Rosen, die auf einem über den Boden gebreiteten Tuche lagen, und überschüttete
dreimal, zuerst mich, dann meinen Begleiter, mit einer wahren Flut duftiger
Blüten. Nach dieser ebenso eigentümlichen als sinnigen Begrüßung wurden
wir mit guten: frischem Obst und Tee bewirtet. Nachdem wir uns sattsam er¬
gnickt hatten, dankten wir unsern Wirten herzlich für ihre liebenswürdige Gast¬
freundschaft, die unsre Gemüter um so angenehmer berührt hatte, als wir sie
bei dem nach europäischen Begriffen ungebildeten Volke niemals vermutet
Hütten. Der überraschende Empfang war übrigens vorher geplant gewesen,
denn wir mußten die Straße verlassen, um zu dieser Hütte zu gelangen. Unsre
Bedeckung war also davon unterrichtet, sonst wäre sie mit uns auf der Straße
geblieben. (Fortsetzung folgt)




Ist das Reichwerden leichter geworden?
von Gelo Lreiherrn von Boenigk

> in beliebtes Thema im Kreise der Kannegießer ist die Klage darüber,
daß man früher viel leichter habe reich werden können als heute,
wo alle Berufe überfüllt, alle Waren in viel zu großen Massen zu
den niedrigsten Preisen zu haben seien. Wieder mal ein Stück
Iber langweiligen und sentimentalen Sehnsucht nach der "guten
alten Zeit," die eigentlich durch die stattlichen Zahlen in den Steuerbüchern
unsrer Großstädte ohne weiteres g,ä ^bsuräum geführt werden könnte. Es hat
Wohl kaum je eine Zeit für unser liebes deutsches Vaterland gegeben, wo es
dem Einzelnen so außerordentlich leicht gemacht worden wäre wie heute, die
Hände, mit denen er ins volle Menschenleben hineingreift, goldbeschwert wieder
hervorzuziehen.


Ist das Reichwerden leichter geworden?

Gebirge. Die Straße, die von dort an in der Richtung Südnord verläuft,
wurde wieder besser. Nach einer weitern Stunde kamen wir in das Tal von
Dschelalabad. Wir verließen die nach links gegen diese Stadt abbiegende
Straße und ritten geradeaus zum Kabulflusse, an dessen Ufer wir durch hohes
Schilf zu einer aus leichtem Holz und Schilf erbauten Hütte gelangten. An
dieser Stelle des Flusses wurden, als wir dort anlangten, mehrere tausend
Föhrenklötze gelandet. Solche Klötze werden, wie ich hier einschalten will,
immer mehrere zusammengebunden, in dem Flusse nach Peschawar geschwemmt,
wo sie zu Brettern und Bauholz zersägt werden. Über die Wälder Afghanistans
werde ich in einem andern Kapitel berichten.

Bei der Hütte hielten wir und wurden ersucht, einzutreten. Diesem Er¬
suchen leisteten wir gern Folge, da wir in der Hütte Schutz vor der brennenden
Sonne und eine Stätte der Erholung zu finden hofften. Zehn oder zwölf
anständig aussehende Männer begrüßten uns, als wir eintraten, sehr höflich,
ja ehrfurchtsvoll. Als wir uns setzten, griff der Älteste und Vornehmste der
Männer, ein weißhaariger Greis, mit beiden Händen in einen Haufen frischer
Rosen, die auf einem über den Boden gebreiteten Tuche lagen, und überschüttete
dreimal, zuerst mich, dann meinen Begleiter, mit einer wahren Flut duftiger
Blüten. Nach dieser ebenso eigentümlichen als sinnigen Begrüßung wurden
wir mit guten: frischem Obst und Tee bewirtet. Nachdem wir uns sattsam er¬
gnickt hatten, dankten wir unsern Wirten herzlich für ihre liebenswürdige Gast¬
freundschaft, die unsre Gemüter um so angenehmer berührt hatte, als wir sie
bei dem nach europäischen Begriffen ungebildeten Volke niemals vermutet
Hütten. Der überraschende Empfang war übrigens vorher geplant gewesen,
denn wir mußten die Straße verlassen, um zu dieser Hütte zu gelangen. Unsre
Bedeckung war also davon unterrichtet, sonst wäre sie mit uns auf der Straße
geblieben. (Fortsetzung folgt)




Ist das Reichwerden leichter geworden?
von Gelo Lreiherrn von Boenigk

> in beliebtes Thema im Kreise der Kannegießer ist die Klage darüber,
daß man früher viel leichter habe reich werden können als heute,
wo alle Berufe überfüllt, alle Waren in viel zu großen Massen zu
den niedrigsten Preisen zu haben seien. Wieder mal ein Stück
Iber langweiligen und sentimentalen Sehnsucht nach der „guten
alten Zeit," die eigentlich durch die stattlichen Zahlen in den Steuerbüchern
unsrer Großstädte ohne weiteres g,ä ^bsuräum geführt werden könnte. Es hat
Wohl kaum je eine Zeit für unser liebes deutsches Vaterland gegeben, wo es
dem Einzelnen so außerordentlich leicht gemacht worden wäre wie heute, die
Hände, mit denen er ins volle Menschenleben hineingreift, goldbeschwert wieder
hervorzuziehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/591>, abgerufen am 07.05.2024.