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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Der Reichskanzler

as Rosenfest der Frühlingskönigin, als die der Oberbürgermeister
^von Berlin die erlauchte Braut des Kronprinzen bei ihrem Ein¬
zuge begrüßte, hat an dem Hochzeitsmorgen auch dem Reichs¬
kanzler eine Morgengabe -- die Fürstenkrone gebracht. Viel
!ist schon darüber geschrieben worden; die meisten Blätter haben
sich den "naheliegenden" Vergleich mit der Fürstenkrone Bismarcks von 1871
nicht entgehn lassen.

Lag er wirklich so nahe? Mit der Verleihung des Fürstentitels an Bis-
marck war Kaiser Wilhelm dem Vorgange seines Vaters gefolgt, der nach
dem ersten Befreiungskriege zu Paris am 3. Juni 1814 die Fürstenwürde an
Blücher und Hardenberg für ihre großen Verdienste um die Wiedererhebnng
Preußens und die Befreiung des Vaterlandes verlieh. Die Übertragung des
österreichischen Fürstenstandes an Metternich, der seit 1803 Reichsfürst war,
war am 20. Oktober 1813 vorangegangen. Für König Friedrich Wilhelm
mag die Erwägung nicht ohne Einfluß gewesen sein, daß wo Österreich in
Schwarzenberg und Metternich den Fürstentitel an der Spitze des Heeres wie
der Staatsverwaltung hatte, der ruhmvolle Führer des preußischen Heeres und
der verdienstvolle Staatskanzler, die beide sehr viel größere Ruhmestitel aus¬
zuweisen hatten als Schwarzenberg und Metternich, hinter diesen in Rang
und Würden nicht zurückstehn sollten.

Anders stand die Sache bei Bismarck. Um die Zeit, wo Moltke im
Hauptquartier zu Versailles seinen siebzigsten Geburtstag beging, war davon
die Rede gewesen, ihm und Bismarck Titel zu verleihen, die mit den wieder¬
gewonnenen alten Landesteilen Elsaß und Lothringen in Verbindung gebracht
werden sollten. Als Bismarck davon erfuhr, wehrte er sich energisch gegen
diese Übertragung "napoleonischer Gepflogenheiten" auf den preußischen Dienst.
Aber es war dennoch selbstverständlich, daß ihm am Abschlüsse eines so außer¬
ordentlichen Kapitels der Weltgeschichte eine seinen unsterblichen Verdiensten
entsprechende Auszeichnung zuteil wurde. Bismarck empfing den Fürstentitel
gleichsam als Schöpfer von Kaiser und Reich am Morgen der Eröffnung des
ersten deutschen Reichstags, am Tage vor dem ersten Geburtstage, den König
Wilhelm als deutscher Kaiser beging. Das eigenhändige Schreiben des
Kaisers vom 21. Mürz 1871 an Bismarck verweist ausdrücklich auf diesen
Zusammenhang.

Der Regierung des ersten deutschen Kaisers waren von dem Tage an,
wo er die Regentschaft in Preußen übernahm, bedeutende Ziele gesteckt.
Vielleicht nicht von ihm selbst, der wiederholt ausgesprochen hat, daß seinem
Sohne große Aufgaben vorbehalten seien. In der Zeit der Armeereorgcmisatiou




Der Reichskanzler

as Rosenfest der Frühlingskönigin, als die der Oberbürgermeister
^von Berlin die erlauchte Braut des Kronprinzen bei ihrem Ein¬
zuge begrüßte, hat an dem Hochzeitsmorgen auch dem Reichs¬
kanzler eine Morgengabe — die Fürstenkrone gebracht. Viel
!ist schon darüber geschrieben worden; die meisten Blätter haben
sich den „naheliegenden" Vergleich mit der Fürstenkrone Bismarcks von 1871
nicht entgehn lassen.

Lag er wirklich so nahe? Mit der Verleihung des Fürstentitels an Bis-
marck war Kaiser Wilhelm dem Vorgange seines Vaters gefolgt, der nach
dem ersten Befreiungskriege zu Paris am 3. Juni 1814 die Fürstenwürde an
Blücher und Hardenberg für ihre großen Verdienste um die Wiedererhebnng
Preußens und die Befreiung des Vaterlandes verlieh. Die Übertragung des
österreichischen Fürstenstandes an Metternich, der seit 1803 Reichsfürst war,
war am 20. Oktober 1813 vorangegangen. Für König Friedrich Wilhelm
mag die Erwägung nicht ohne Einfluß gewesen sein, daß wo Österreich in
Schwarzenberg und Metternich den Fürstentitel an der Spitze des Heeres wie
der Staatsverwaltung hatte, der ruhmvolle Führer des preußischen Heeres und
der verdienstvolle Staatskanzler, die beide sehr viel größere Ruhmestitel aus¬
zuweisen hatten als Schwarzenberg und Metternich, hinter diesen in Rang
und Würden nicht zurückstehn sollten.

Anders stand die Sache bei Bismarck. Um die Zeit, wo Moltke im
Hauptquartier zu Versailles seinen siebzigsten Geburtstag beging, war davon
die Rede gewesen, ihm und Bismarck Titel zu verleihen, die mit den wieder¬
gewonnenen alten Landesteilen Elsaß und Lothringen in Verbindung gebracht
werden sollten. Als Bismarck davon erfuhr, wehrte er sich energisch gegen
diese Übertragung „napoleonischer Gepflogenheiten" auf den preußischen Dienst.
Aber es war dennoch selbstverständlich, daß ihm am Abschlüsse eines so außer¬
ordentlichen Kapitels der Weltgeschichte eine seinen unsterblichen Verdiensten
entsprechende Auszeichnung zuteil wurde. Bismarck empfing den Fürstentitel
gleichsam als Schöpfer von Kaiser und Reich am Morgen der Eröffnung des
ersten deutschen Reichstags, am Tage vor dem ersten Geburtstage, den König
Wilhelm als deutscher Kaiser beging. Das eigenhändige Schreiben des
Kaisers vom 21. Mürz 1871 an Bismarck verweist ausdrücklich auf diesen
Zusammenhang.

Der Regierung des ersten deutschen Kaisers waren von dem Tage an,
wo er die Regentschaft in Preußen übernahm, bedeutende Ziele gesteckt.
Vielleicht nicht von ihm selbst, der wiederholt ausgesprochen hat, daß seinem
Sohne große Aufgaben vorbehalten seien. In der Zeit der Armeereorgcmisatiou


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[0605] [Abbildung] Der Reichskanzler as Rosenfest der Frühlingskönigin, als die der Oberbürgermeister ^von Berlin die erlauchte Braut des Kronprinzen bei ihrem Ein¬ zuge begrüßte, hat an dem Hochzeitsmorgen auch dem Reichs¬ kanzler eine Morgengabe — die Fürstenkrone gebracht. Viel !ist schon darüber geschrieben worden; die meisten Blätter haben sich den „naheliegenden" Vergleich mit der Fürstenkrone Bismarcks von 1871 nicht entgehn lassen. Lag er wirklich so nahe? Mit der Verleihung des Fürstentitels an Bis- marck war Kaiser Wilhelm dem Vorgange seines Vaters gefolgt, der nach dem ersten Befreiungskriege zu Paris am 3. Juni 1814 die Fürstenwürde an Blücher und Hardenberg für ihre großen Verdienste um die Wiedererhebnng Preußens und die Befreiung des Vaterlandes verlieh. Die Übertragung des österreichischen Fürstenstandes an Metternich, der seit 1803 Reichsfürst war, war am 20. Oktober 1813 vorangegangen. Für König Friedrich Wilhelm mag die Erwägung nicht ohne Einfluß gewesen sein, daß wo Österreich in Schwarzenberg und Metternich den Fürstentitel an der Spitze des Heeres wie der Staatsverwaltung hatte, der ruhmvolle Führer des preußischen Heeres und der verdienstvolle Staatskanzler, die beide sehr viel größere Ruhmestitel aus¬ zuweisen hatten als Schwarzenberg und Metternich, hinter diesen in Rang und Würden nicht zurückstehn sollten. Anders stand die Sache bei Bismarck. Um die Zeit, wo Moltke im Hauptquartier zu Versailles seinen siebzigsten Geburtstag beging, war davon die Rede gewesen, ihm und Bismarck Titel zu verleihen, die mit den wieder¬ gewonnenen alten Landesteilen Elsaß und Lothringen in Verbindung gebracht werden sollten. Als Bismarck davon erfuhr, wehrte er sich energisch gegen diese Übertragung „napoleonischer Gepflogenheiten" auf den preußischen Dienst. Aber es war dennoch selbstverständlich, daß ihm am Abschlüsse eines so außer¬ ordentlichen Kapitels der Weltgeschichte eine seinen unsterblichen Verdiensten entsprechende Auszeichnung zuteil wurde. Bismarck empfing den Fürstentitel gleichsam als Schöpfer von Kaiser und Reich am Morgen der Eröffnung des ersten deutschen Reichstags, am Tage vor dem ersten Geburtstage, den König Wilhelm als deutscher Kaiser beging. Das eigenhändige Schreiben des Kaisers vom 21. Mürz 1871 an Bismarck verweist ausdrücklich auf diesen Zusammenhang. Der Regierung des ersten deutschen Kaisers waren von dem Tage an, wo er die Regentschaft in Preußen übernahm, bedeutende Ziele gesteckt. Vielleicht nicht von ihm selbst, der wiederholt ausgesprochen hat, daß seinem Sohne große Aufgaben vorbehalten seien. In der Zeit der Armeereorgcmisatiou

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/605>, abgerufen am 07.05.2024.