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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der das Pariser Ursprungszeugnis an der Stirn trug, deutlich zu lesen, daneben
folgte ein großer Teil der englischen Presse der Parole, das; den Deutschen durch
eine Abfindung in Süd-Marokko der Mund zu stopfen sei. Und dies trotz der
amtlichen deutschen Erklärung, daß das Deutsche Reich in Marokko nichts weiter
begehre als die offne Tür bei Erhaltung der Souveränität des Sultans.

Erst als auf den Besuch Kaiser Wilhelms die Mission Tattenbachs folgte, und
von deutscher Seite in Paris kein Zweifel gelassen wurde, daß die Sache damit in
ein ernsteres Stadium trete, ist man dort stutzig geworden. Es ist das persönliche
Verdienst des Herrn Rouvier, den Jutriguenschleier zerrissen zu haben, hinter dem
Herr DelcassL seine deutschfeindliche Politik im Dienste Englands sogar vor seinen
Ministerkollegen verbarg. Rouvier schöpfte Argwohn und nahm Gelegenheit, den
tatsächlichen Verhältnissen auf den Grund zu sehen. Als er sich von der wirklichen
Lage der Dinge überzeugt hatte, zögerte er keinen Augenblick. Delcasft wurde ge¬
zwungen, ihm gegenüber Farbe zu bekennen, und damit war sein Rücktritt entschieden.
Behält Rouvier das Portefeuille des Auswärtigen, so wird er die Republik davor
zu bewahren wissen, fremden Intriguen als Werkzeug zu dienen. Nachdem Dentsch-
land dem Sultan von Marokko einen Verantwortlicher Rat erteilt, und dieser ihn
befolgt, d.h. sich auf den Boden des Madrider Protokolls von 188N gestellt hat,
kann und wird Deutschland ihn nicht im Stiche lassen. Mächte, die die Einladung
des Sultans zu einer neuen Konferenz in Tanger nicht befolgen, geben damit die
Rechte preis, die sie auf Grund der Abmachungen von 1880 haben. Das ist Sache
jeder einzelnen beteiligten Regierung. Was dann geschieht, bleibt eben abzuwarten.
Separatverhcmdluugeu zwischen Deutschland und Frankreich, selbstverständlich unter
Zustimmung des Sultans, werden erst möglich sein, wenn die Konferenz in Tanger
scheitern sollte; sie würden sich jedoch auch dann auf der Basis der Anerkennung
des deutschen Standpunkts vollziehn müssen.

Für Deutschland ist das nicht eine Frage der Macht oder der Würde, sondern
eine einfache Rechtsfrage., Erst die absichtliche fortgesetzte Ignorierung des deutschen
Rechts würde eine Frage der Macht und der Würde daraus gemacht haben, und
Deutschland hätte dann dementsprechend gehandelt. Der Umstand, daß die Tage des
Herrn Delcasst gezählt waren, sobald das Pariser Kabinett von dieser Sachlage
Kenntnis gewonnen hatte, berechtigt zu der Annahme, daß die französische Regierung
zu einer den allgemeinen Interessen des Friedens dienenden Lösung die Hand bieten
wird. Herr Delcasst ist nicht durch Deutschland, sondern durch seine Kollegen gestürzt
worden, die zu ihrer Überraschung die Gefahr einer drohenden Krisis in der Nähe
sahen und nicht gewillt waren, wie Pariser Blätter dies offen aussprachen, die
Kastanien für England aus dem Feuer zu holen. Damit hat nun hoffentlich das
in drei Weltteilen zugleich betriebne englisch - französische Jntriguenspiel gegen
Deutschland ein Ende, das in der letzten Zeit einen recht bedenklichen Umfang
erreicht und die ernste Aufmerksamkeit der deutschen Diplomatie in Anspruch ge¬
nommen hatte. Die bisher so außerordentlich geschickte Führung der marokkanische"
Angelegenheit berechtigt zu der Erwartung, daß es der deutschen Staatskunst in
ihrer unzweifelhaften Überlegenheit gelingen wird, die um uns herum geschlungner
"Z* Knoten englisch-französischer Intrigue auch weiter friedlich zu entwirren.




Lassalle.

Lassalles originelle, kraft- und geistvolle Persönlichkeit würde auch
dann das höchste Interesse erregen und eine große Anziehungskraft ausüben, wenn
sie nicht weltgeschichtliche Bedeutung hätte. Diese hat sie aber, denn sein leiden¬
schaftlicher Feuergeist hat die trägen, stumpfen Massen der deutschen Arbeiterschaft
mit Gewalt in die Bahn hineingerissen, hineingepeitscht, die zur Gründung der
großen syzialdemvkratischen Partei führen sollte. Und diese ist zwar in den Augen
vieler eine unheilvolle und für alle Nichtsvzialdemvkraten eine sehr unbequeme aber
doch unstreitig eine große historische Erscheinung. Und daß Lassnlle von der Gro߬
artigkeit der Entwicklung, die er eingeleitet hatte, bei Lebzeiten nichts zu sehen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der das Pariser Ursprungszeugnis an der Stirn trug, deutlich zu lesen, daneben
folgte ein großer Teil der englischen Presse der Parole, das; den Deutschen durch
eine Abfindung in Süd-Marokko der Mund zu stopfen sei. Und dies trotz der
amtlichen deutschen Erklärung, daß das Deutsche Reich in Marokko nichts weiter
begehre als die offne Tür bei Erhaltung der Souveränität des Sultans.

Erst als auf den Besuch Kaiser Wilhelms die Mission Tattenbachs folgte, und
von deutscher Seite in Paris kein Zweifel gelassen wurde, daß die Sache damit in
ein ernsteres Stadium trete, ist man dort stutzig geworden. Es ist das persönliche
Verdienst des Herrn Rouvier, den Jutriguenschleier zerrissen zu haben, hinter dem
Herr DelcassL seine deutschfeindliche Politik im Dienste Englands sogar vor seinen
Ministerkollegen verbarg. Rouvier schöpfte Argwohn und nahm Gelegenheit, den
tatsächlichen Verhältnissen auf den Grund zu sehen. Als er sich von der wirklichen
Lage der Dinge überzeugt hatte, zögerte er keinen Augenblick. Delcasft wurde ge¬
zwungen, ihm gegenüber Farbe zu bekennen, und damit war sein Rücktritt entschieden.
Behält Rouvier das Portefeuille des Auswärtigen, so wird er die Republik davor
zu bewahren wissen, fremden Intriguen als Werkzeug zu dienen. Nachdem Dentsch-
land dem Sultan von Marokko einen Verantwortlicher Rat erteilt, und dieser ihn
befolgt, d.h. sich auf den Boden des Madrider Protokolls von 188N gestellt hat,
kann und wird Deutschland ihn nicht im Stiche lassen. Mächte, die die Einladung
des Sultans zu einer neuen Konferenz in Tanger nicht befolgen, geben damit die
Rechte preis, die sie auf Grund der Abmachungen von 1880 haben. Das ist Sache
jeder einzelnen beteiligten Regierung. Was dann geschieht, bleibt eben abzuwarten.
Separatverhcmdluugeu zwischen Deutschland und Frankreich, selbstverständlich unter
Zustimmung des Sultans, werden erst möglich sein, wenn die Konferenz in Tanger
scheitern sollte; sie würden sich jedoch auch dann auf der Basis der Anerkennung
des deutschen Standpunkts vollziehn müssen.

Für Deutschland ist das nicht eine Frage der Macht oder der Würde, sondern
eine einfache Rechtsfrage., Erst die absichtliche fortgesetzte Ignorierung des deutschen
Rechts würde eine Frage der Macht und der Würde daraus gemacht haben, und
Deutschland hätte dann dementsprechend gehandelt. Der Umstand, daß die Tage des
Herrn Delcasst gezählt waren, sobald das Pariser Kabinett von dieser Sachlage
Kenntnis gewonnen hatte, berechtigt zu der Annahme, daß die französische Regierung
zu einer den allgemeinen Interessen des Friedens dienenden Lösung die Hand bieten
wird. Herr Delcasst ist nicht durch Deutschland, sondern durch seine Kollegen gestürzt
worden, die zu ihrer Überraschung die Gefahr einer drohenden Krisis in der Nähe
sahen und nicht gewillt waren, wie Pariser Blätter dies offen aussprachen, die
Kastanien für England aus dem Feuer zu holen. Damit hat nun hoffentlich das
in drei Weltteilen zugleich betriebne englisch - französische Jntriguenspiel gegen
Deutschland ein Ende, das in der letzten Zeit einen recht bedenklichen Umfang
erreicht und die ernste Aufmerksamkeit der deutschen Diplomatie in Anspruch ge¬
nommen hatte. Die bisher so außerordentlich geschickte Führung der marokkanische»
Angelegenheit berechtigt zu der Erwartung, daß es der deutschen Staatskunst in
ihrer unzweifelhaften Überlegenheit gelingen wird, die um uns herum geschlungner
»Z* Knoten englisch-französischer Intrigue auch weiter friedlich zu entwirren.




Lassalle.

Lassalles originelle, kraft- und geistvolle Persönlichkeit würde auch
dann das höchste Interesse erregen und eine große Anziehungskraft ausüben, wenn
sie nicht weltgeschichtliche Bedeutung hätte. Diese hat sie aber, denn sein leiden¬
schaftlicher Feuergeist hat die trägen, stumpfen Massen der deutschen Arbeiterschaft
mit Gewalt in die Bahn hineingerissen, hineingepeitscht, die zur Gründung der
großen syzialdemvkratischen Partei führen sollte. Und diese ist zwar in den Augen
vieler eine unheilvolle und für alle Nichtsvzialdemvkraten eine sehr unbequeme aber
doch unstreitig eine große historische Erscheinung. Und daß Lassnlle von der Gro߬
artigkeit der Entwicklung, die er eingeleitet hatte, bei Lebzeiten nichts zu sehen


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[0634] Maßgebliches und Unmaßgebliches der das Pariser Ursprungszeugnis an der Stirn trug, deutlich zu lesen, daneben folgte ein großer Teil der englischen Presse der Parole, das; den Deutschen durch eine Abfindung in Süd-Marokko der Mund zu stopfen sei. Und dies trotz der amtlichen deutschen Erklärung, daß das Deutsche Reich in Marokko nichts weiter begehre als die offne Tür bei Erhaltung der Souveränität des Sultans. Erst als auf den Besuch Kaiser Wilhelms die Mission Tattenbachs folgte, und von deutscher Seite in Paris kein Zweifel gelassen wurde, daß die Sache damit in ein ernsteres Stadium trete, ist man dort stutzig geworden. Es ist das persönliche Verdienst des Herrn Rouvier, den Jutriguenschleier zerrissen zu haben, hinter dem Herr DelcassL seine deutschfeindliche Politik im Dienste Englands sogar vor seinen Ministerkollegen verbarg. Rouvier schöpfte Argwohn und nahm Gelegenheit, den tatsächlichen Verhältnissen auf den Grund zu sehen. Als er sich von der wirklichen Lage der Dinge überzeugt hatte, zögerte er keinen Augenblick. Delcasft wurde ge¬ zwungen, ihm gegenüber Farbe zu bekennen, und damit war sein Rücktritt entschieden. Behält Rouvier das Portefeuille des Auswärtigen, so wird er die Republik davor zu bewahren wissen, fremden Intriguen als Werkzeug zu dienen. Nachdem Dentsch- land dem Sultan von Marokko einen Verantwortlicher Rat erteilt, und dieser ihn befolgt, d.h. sich auf den Boden des Madrider Protokolls von 188N gestellt hat, kann und wird Deutschland ihn nicht im Stiche lassen. Mächte, die die Einladung des Sultans zu einer neuen Konferenz in Tanger nicht befolgen, geben damit die Rechte preis, die sie auf Grund der Abmachungen von 1880 haben. Das ist Sache jeder einzelnen beteiligten Regierung. Was dann geschieht, bleibt eben abzuwarten. Separatverhcmdluugeu zwischen Deutschland und Frankreich, selbstverständlich unter Zustimmung des Sultans, werden erst möglich sein, wenn die Konferenz in Tanger scheitern sollte; sie würden sich jedoch auch dann auf der Basis der Anerkennung des deutschen Standpunkts vollziehn müssen. Für Deutschland ist das nicht eine Frage der Macht oder der Würde, sondern eine einfache Rechtsfrage., Erst die absichtliche fortgesetzte Ignorierung des deutschen Rechts würde eine Frage der Macht und der Würde daraus gemacht haben, und Deutschland hätte dann dementsprechend gehandelt. Der Umstand, daß die Tage des Herrn Delcasst gezählt waren, sobald das Pariser Kabinett von dieser Sachlage Kenntnis gewonnen hatte, berechtigt zu der Annahme, daß die französische Regierung zu einer den allgemeinen Interessen des Friedens dienenden Lösung die Hand bieten wird. Herr Delcasst ist nicht durch Deutschland, sondern durch seine Kollegen gestürzt worden, die zu ihrer Überraschung die Gefahr einer drohenden Krisis in der Nähe sahen und nicht gewillt waren, wie Pariser Blätter dies offen aussprachen, die Kastanien für England aus dem Feuer zu holen. Damit hat nun hoffentlich das in drei Weltteilen zugleich betriebne englisch - französische Jntriguenspiel gegen Deutschland ein Ende, das in der letzten Zeit einen recht bedenklichen Umfang erreicht und die ernste Aufmerksamkeit der deutschen Diplomatie in Anspruch ge¬ nommen hatte. Die bisher so außerordentlich geschickte Führung der marokkanische» Angelegenheit berechtigt zu der Erwartung, daß es der deutschen Staatskunst in ihrer unzweifelhaften Überlegenheit gelingen wird, die um uns herum geschlungner »Z* Knoten englisch-französischer Intrigue auch weiter friedlich zu entwirren. Lassalle. Lassalles originelle, kraft- und geistvolle Persönlichkeit würde auch dann das höchste Interesse erregen und eine große Anziehungskraft ausüben, wenn sie nicht weltgeschichtliche Bedeutung hätte. Diese hat sie aber, denn sein leiden¬ schaftlicher Feuergeist hat die trägen, stumpfen Massen der deutschen Arbeiterschaft mit Gewalt in die Bahn hineingerissen, hineingepeitscht, die zur Gründung der großen syzialdemvkratischen Partei führen sollte. Und diese ist zwar in den Augen vieler eine unheilvolle und für alle Nichtsvzialdemvkraten eine sehr unbequeme aber doch unstreitig eine große historische Erscheinung. Und daß Lassnlle von der Gro߬ artigkeit der Entwicklung, die er eingeleitet hatte, bei Lebzeiten nichts zu sehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/634>, abgerufen am 07.05.2024.