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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

-- die Transportflotte in der Mitte zwischen beiden Flügeln --. anstatt in An¬
griffsformation, die Transportflotte hinter sich, gehört zu den mancherlei Unbegreif¬
lichkeiten dieses Krieges. Allerdings lag dann die Gefahr nahe, daß die Trans-
pvrtflotte zurückblieb oder abgeschnitten wurde. Aber wie beim Landheer wird
auch einer Flotte ein großer Train beim Aufmarsch zur Schlacht immer hinderlich
sein, und eine Flotte sollte also kaum anders verfahren als die Landarmee, d. h.
beim Vormarsch zur Schlacht den Train unter Deckung zurücklassen. Wäre die
russische Flotte in die ihr so verhängnisvoll gewordne Meerenge in Schlacht¬
formation eingetreten, so hätte sie von den Japanern nicht durch ein verheerendes
Feuer fast widerstandslos überrascht werden können, und es wäre ihr dann die
Möglichkeit geblieben, vom Rammsporn Gebrauch zu machen, was seltsamerweise
gar nicht versucht worden ist. Ein schnelles energisches Draufgehn in voller Fahrt
würde die Japaner in ihrer artilleristischen Überlegenheit sehr stark beeinträchtigt
haben; in dieser Beziehung enthielt die Seeschlacht vom 10. August vorigen Jahres
sogar eine bedeutsame Lehre. Während bei der russischen Landarmee das Bajonett
eine so große Rolle spielt, hat es bei der russischen Flotte vollständig versagt.
Für ein in seiner Artillerie und in der Schießausbildung inferiores Schiff liegt
die Rettung fast einzig -- und bei fester Entschlossenheit und guten moralischen
Qualitäten von Offizieren und Mannschaften auch mit durchaus günstigen Chancen --
im energischen Vorstoß. Nur so kann das verheerende Fernfeuer in seiner Wirkung
gebrochen werden. Die Japaner haben sehr klug damit gerechnet und sich die
Russen so weit als möglich vom Leibe gehalten. Den letzten Stoß gegen den
ohnehin todwunden Gegner überließen sie dann ihren Torpedobooten. In der
Ausnutzung dieser Waffe durch nahes Herangehn an den Feind haben sie seit
dem vorigen Jahre viel gelernt. Wenn Admiral Togo den Krieg wesentlich
"den Eigenschaften des Mikado" zuschreibt, so hat er insofern Recht, als die seit
dem vorigen Jahre mit großer Energie betriebne veränderte Ausnutzung der
Torpedowaffe allerdings auf ein energisches Eingreifen des Kaisers zurückzuführen
sein soll.

In der Marokkofrage hat Deutschland auf die Einladung des Sultans an
die Madrider Signatarmächte zu einer neuen Konferenz in Tanger zustimmend und
mit dem Ausdruck seiner Bereitwilligkeit, diese Einladung anzunehmen, geantwortet;
die Antwort ist allen Signatarmächten zur Kenntnis gebracht worden. Unter diesen
sind auch unsre beiden Verbündeten Italien und Österreich-Ungarn. Der Donau¬
staat hat in Marokko selbstverständlich geringeres Interesse, aber man darf wohl
annehmen, daß er den prinzipiellen Standpunkt Deutschlands teilen wird, das ein¬
seitige Veränderungen in Marokko über die Köpfe der Signatarmächte hinweg für
unzulässig erklärt hat. Ein viel größeres merkantiles und politisches Interesse hätte
Italien, dem die Ausbreitung der französischen Macht an der Mittelmeerküste
von Afrika nicht gleichgiltig sein kann, denn sie vollzieht sich tatsächlich auf seine
Kosten. Trotzdem scheint Italien durch England so geschickt in diese englisch-französische
Kombination verflochten worden zu sein, daß mehr als eine prinzipielle Zustimmung
kaum zu erwarten sein wird. Das Verhalten Italiens in diesem Falle könnte
Deutschland dann allerdings die Erwägung nahe legen, welchen Wert das Bündnis
für uns überhaupt noch habe, wenn es Frankreich gegenüber sogar in einem Falle
versagt, wo die italienischen Interessen ernsthaft engagiert sind. Was Frankreich
selbst angeht, so würde die französische Politik nur gewinnen, wenn sie der Ein¬
ladung folgte. Es würde damit der Gegensatz zu Deutschland endgiltig beseitigt
werden, und Frankreich würde auf der Konferenz vielleicht manches, wenn auch
nicht alles durchsetzen. Herr Delcasft, der sich immer mehr als Minister Englands
und nicht Frankreichs erwiesen hatte und es schließlich immer deutlicher darauf an¬
legte, Deutschland zu provozieren, hatte gemeinsam mit den Engländern angenommen,
daß der Besuch des deutschen Kaisers in Tanger nur ein "Bluff" gewesen sei. Das
war noch zu Anfang des Monats in der Londoner National ReView in einem Artikel,


Grenzbote" II 1905 80
Maßgebliches und Unmaßgebliches

— die Transportflotte in der Mitte zwischen beiden Flügeln —. anstatt in An¬
griffsformation, die Transportflotte hinter sich, gehört zu den mancherlei Unbegreif¬
lichkeiten dieses Krieges. Allerdings lag dann die Gefahr nahe, daß die Trans-
pvrtflotte zurückblieb oder abgeschnitten wurde. Aber wie beim Landheer wird
auch einer Flotte ein großer Train beim Aufmarsch zur Schlacht immer hinderlich
sein, und eine Flotte sollte also kaum anders verfahren als die Landarmee, d. h.
beim Vormarsch zur Schlacht den Train unter Deckung zurücklassen. Wäre die
russische Flotte in die ihr so verhängnisvoll gewordne Meerenge in Schlacht¬
formation eingetreten, so hätte sie von den Japanern nicht durch ein verheerendes
Feuer fast widerstandslos überrascht werden können, und es wäre ihr dann die
Möglichkeit geblieben, vom Rammsporn Gebrauch zu machen, was seltsamerweise
gar nicht versucht worden ist. Ein schnelles energisches Draufgehn in voller Fahrt
würde die Japaner in ihrer artilleristischen Überlegenheit sehr stark beeinträchtigt
haben; in dieser Beziehung enthielt die Seeschlacht vom 10. August vorigen Jahres
sogar eine bedeutsame Lehre. Während bei der russischen Landarmee das Bajonett
eine so große Rolle spielt, hat es bei der russischen Flotte vollständig versagt.
Für ein in seiner Artillerie und in der Schießausbildung inferiores Schiff liegt
die Rettung fast einzig — und bei fester Entschlossenheit und guten moralischen
Qualitäten von Offizieren und Mannschaften auch mit durchaus günstigen Chancen —
im energischen Vorstoß. Nur so kann das verheerende Fernfeuer in seiner Wirkung
gebrochen werden. Die Japaner haben sehr klug damit gerechnet und sich die
Russen so weit als möglich vom Leibe gehalten. Den letzten Stoß gegen den
ohnehin todwunden Gegner überließen sie dann ihren Torpedobooten. In der
Ausnutzung dieser Waffe durch nahes Herangehn an den Feind haben sie seit
dem vorigen Jahre viel gelernt. Wenn Admiral Togo den Krieg wesentlich
„den Eigenschaften des Mikado" zuschreibt, so hat er insofern Recht, als die seit
dem vorigen Jahre mit großer Energie betriebne veränderte Ausnutzung der
Torpedowaffe allerdings auf ein energisches Eingreifen des Kaisers zurückzuführen
sein soll.

In der Marokkofrage hat Deutschland auf die Einladung des Sultans an
die Madrider Signatarmächte zu einer neuen Konferenz in Tanger zustimmend und
mit dem Ausdruck seiner Bereitwilligkeit, diese Einladung anzunehmen, geantwortet;
die Antwort ist allen Signatarmächten zur Kenntnis gebracht worden. Unter diesen
sind auch unsre beiden Verbündeten Italien und Österreich-Ungarn. Der Donau¬
staat hat in Marokko selbstverständlich geringeres Interesse, aber man darf wohl
annehmen, daß er den prinzipiellen Standpunkt Deutschlands teilen wird, das ein¬
seitige Veränderungen in Marokko über die Köpfe der Signatarmächte hinweg für
unzulässig erklärt hat. Ein viel größeres merkantiles und politisches Interesse hätte
Italien, dem die Ausbreitung der französischen Macht an der Mittelmeerküste
von Afrika nicht gleichgiltig sein kann, denn sie vollzieht sich tatsächlich auf seine
Kosten. Trotzdem scheint Italien durch England so geschickt in diese englisch-französische
Kombination verflochten worden zu sein, daß mehr als eine prinzipielle Zustimmung
kaum zu erwarten sein wird. Das Verhalten Italiens in diesem Falle könnte
Deutschland dann allerdings die Erwägung nahe legen, welchen Wert das Bündnis
für uns überhaupt noch habe, wenn es Frankreich gegenüber sogar in einem Falle
versagt, wo die italienischen Interessen ernsthaft engagiert sind. Was Frankreich
selbst angeht, so würde die französische Politik nur gewinnen, wenn sie der Ein¬
ladung folgte. Es würde damit der Gegensatz zu Deutschland endgiltig beseitigt
werden, und Frankreich würde auf der Konferenz vielleicht manches, wenn auch
nicht alles durchsetzen. Herr Delcasft, der sich immer mehr als Minister Englands
und nicht Frankreichs erwiesen hatte und es schließlich immer deutlicher darauf an¬
legte, Deutschland zu provozieren, hatte gemeinsam mit den Engländern angenommen,
daß der Besuch des deutschen Kaisers in Tanger nur ein „Bluff" gewesen sei. Das
war noch zu Anfang des Monats in der Londoner National ReView in einem Artikel,


Grenzbote» II 1905 80
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[0633] Maßgebliches und Unmaßgebliches — die Transportflotte in der Mitte zwischen beiden Flügeln —. anstatt in An¬ griffsformation, die Transportflotte hinter sich, gehört zu den mancherlei Unbegreif¬ lichkeiten dieses Krieges. Allerdings lag dann die Gefahr nahe, daß die Trans- pvrtflotte zurückblieb oder abgeschnitten wurde. Aber wie beim Landheer wird auch einer Flotte ein großer Train beim Aufmarsch zur Schlacht immer hinderlich sein, und eine Flotte sollte also kaum anders verfahren als die Landarmee, d. h. beim Vormarsch zur Schlacht den Train unter Deckung zurücklassen. Wäre die russische Flotte in die ihr so verhängnisvoll gewordne Meerenge in Schlacht¬ formation eingetreten, so hätte sie von den Japanern nicht durch ein verheerendes Feuer fast widerstandslos überrascht werden können, und es wäre ihr dann die Möglichkeit geblieben, vom Rammsporn Gebrauch zu machen, was seltsamerweise gar nicht versucht worden ist. Ein schnelles energisches Draufgehn in voller Fahrt würde die Japaner in ihrer artilleristischen Überlegenheit sehr stark beeinträchtigt haben; in dieser Beziehung enthielt die Seeschlacht vom 10. August vorigen Jahres sogar eine bedeutsame Lehre. Während bei der russischen Landarmee das Bajonett eine so große Rolle spielt, hat es bei der russischen Flotte vollständig versagt. Für ein in seiner Artillerie und in der Schießausbildung inferiores Schiff liegt die Rettung fast einzig — und bei fester Entschlossenheit und guten moralischen Qualitäten von Offizieren und Mannschaften auch mit durchaus günstigen Chancen — im energischen Vorstoß. Nur so kann das verheerende Fernfeuer in seiner Wirkung gebrochen werden. Die Japaner haben sehr klug damit gerechnet und sich die Russen so weit als möglich vom Leibe gehalten. Den letzten Stoß gegen den ohnehin todwunden Gegner überließen sie dann ihren Torpedobooten. In der Ausnutzung dieser Waffe durch nahes Herangehn an den Feind haben sie seit dem vorigen Jahre viel gelernt. Wenn Admiral Togo den Krieg wesentlich „den Eigenschaften des Mikado" zuschreibt, so hat er insofern Recht, als die seit dem vorigen Jahre mit großer Energie betriebne veränderte Ausnutzung der Torpedowaffe allerdings auf ein energisches Eingreifen des Kaisers zurückzuführen sein soll. In der Marokkofrage hat Deutschland auf die Einladung des Sultans an die Madrider Signatarmächte zu einer neuen Konferenz in Tanger zustimmend und mit dem Ausdruck seiner Bereitwilligkeit, diese Einladung anzunehmen, geantwortet; die Antwort ist allen Signatarmächten zur Kenntnis gebracht worden. Unter diesen sind auch unsre beiden Verbündeten Italien und Österreich-Ungarn. Der Donau¬ staat hat in Marokko selbstverständlich geringeres Interesse, aber man darf wohl annehmen, daß er den prinzipiellen Standpunkt Deutschlands teilen wird, das ein¬ seitige Veränderungen in Marokko über die Köpfe der Signatarmächte hinweg für unzulässig erklärt hat. Ein viel größeres merkantiles und politisches Interesse hätte Italien, dem die Ausbreitung der französischen Macht an der Mittelmeerküste von Afrika nicht gleichgiltig sein kann, denn sie vollzieht sich tatsächlich auf seine Kosten. Trotzdem scheint Italien durch England so geschickt in diese englisch-französische Kombination verflochten worden zu sein, daß mehr als eine prinzipielle Zustimmung kaum zu erwarten sein wird. Das Verhalten Italiens in diesem Falle könnte Deutschland dann allerdings die Erwägung nahe legen, welchen Wert das Bündnis für uns überhaupt noch habe, wenn es Frankreich gegenüber sogar in einem Falle versagt, wo die italienischen Interessen ernsthaft engagiert sind. Was Frankreich selbst angeht, so würde die französische Politik nur gewinnen, wenn sie der Ein¬ ladung folgte. Es würde damit der Gegensatz zu Deutschland endgiltig beseitigt werden, und Frankreich würde auf der Konferenz vielleicht manches, wenn auch nicht alles durchsetzen. Herr Delcasft, der sich immer mehr als Minister Englands und nicht Frankreichs erwiesen hatte und es schließlich immer deutlicher darauf an¬ legte, Deutschland zu provozieren, hatte gemeinsam mit den Engländern angenommen, daß der Besuch des deutschen Kaisers in Tanger nur ein „Bluff" gewesen sei. Das war noch zu Anfang des Monats in der Londoner National ReView in einem Artikel, Grenzbote» II 1905 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/633>, abgerufen am 19.05.2024.