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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Johannes Mathesnis

würdig es klingen mag -- bei dem unzweifelhaft sehr anstrengenden und über¬
hasteten Dienstbetriebe nervös und infolge davon unbefriedigt werden.. Oft sind
das junge Leute, die vielleicht aus kleinern Bürgerkreisen stammen und weniger
aus wahrer Neigung Offizier geworden sind, als weil sie sich dadurch den Zu¬
gang zu höhern Gesellschaftskreisen haben mühelos verschaffen wollen, oder auch
solche, die nach vergeblichem Bemühen, die Reife zum Studium zu erlangen, den
Militärberuf noch als einen standesmäßigen Unterschlupf betrachten. Daß der
Armee mit solchem Material nicht gedient ist, liegt auf der Hand, und es ist
kein Verlust, wenn sie sobald wie möglich wieder davon befreit wird. Nur
schade, daß die so entstehenden Lücken nicht sogleich durch geeignetem Ersatz
ausgefüllt werden können. Jeder Offizier hat außerdem uur zu häufig Ge¬
legenheit, das Schicksal so mancher seiner ältern Kameraden und Vorgesetzten
zu beobachten, die nach jahrelanger redlicher Arbeit vorzeitig ihre Laufbahn
beschließen müssen. Dann kommt er wohl zu der Einsicht, daß ihm, falls er
nicht über ganz hervorragende Fähigkeiten verfügt, auch als tüchtigem Front-
ofsizier dasselbe Schicksal bevorsteht. Unter solchen Umstünden kann man es
einem jungen Offizier, den Anlagen und Neigung mehr auf praktische Tätigkeit
als auf eine solche am Schreibtische hinweisen, nicht verübeln, wenn er je früher
desto besser die Uniform auszieht und sich einem Berufe zuwendet, der ihm größere
Sicherheit für seine Existenz und für sein Weiterkommen bietet.




Johannes Mathesius
(Schluß)

^er zweite Band von Loesches Auswahl ist der lustigste, er ent¬
hält Hochzeitpredigten. Eine Sammlung von solchen ist Caspar
Franeker gewidmet, "Prediger der Kirchen Gottes im S. Jvachims-
tal, meinem treuen College" und lieben Gefattern." Mir alten
! und verlebten Manne, schreibt Mathesius in der Widmung, "stünde
es zwar besser an, daß ich mit Todesgedanken und Leichpredigten umbgieng,
weyl ich schier ein Fuß im Grab habe. Aber weil der heilige Geist und ^so!j
züchtige Bischof Paphnutius, der ohne Weib sein Lebtag in Ehren hinbracht,
dem heiligen Ehestand und sonderlich der Priester Ehe im Concilio zu Nicäa
wider des Teufels Lehre, so ein ehelos Leben einführen wollten, das Wort
christlich und freidig in seinem Alter redet, wird es mir betagten Witwer auch
kein züchtig Herz verargen, daß ich Gott und seinem heiligen Ehestand zu
Ehren, und zum Zeugnus und Preis der löblichen Priester Ehe, und zum
Bericht und Trost allen christlichen Hausvätern, und unsern ehelichen Kindern
zur wahren Kundschaft, diese Predigten hab ausgehen lassen." Es folgt ein
schönes langes Gebet für seine und des Freundes Kinder, worin es u. a. heißt:
"Herr Jesu, segne jetzund ihr Lehrmeister Lernung und Vermügen, und laß
dir gefallen das Werk ihrer Hände. Bescher ihnen auch forthin treue und


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würdig es klingen mag — bei dem unzweifelhaft sehr anstrengenden und über¬
hasteten Dienstbetriebe nervös und infolge davon unbefriedigt werden.. Oft sind
das junge Leute, die vielleicht aus kleinern Bürgerkreisen stammen und weniger
aus wahrer Neigung Offizier geworden sind, als weil sie sich dadurch den Zu¬
gang zu höhern Gesellschaftskreisen haben mühelos verschaffen wollen, oder auch
solche, die nach vergeblichem Bemühen, die Reife zum Studium zu erlangen, den
Militärberuf noch als einen standesmäßigen Unterschlupf betrachten. Daß der
Armee mit solchem Material nicht gedient ist, liegt auf der Hand, und es ist
kein Verlust, wenn sie sobald wie möglich wieder davon befreit wird. Nur
schade, daß die so entstehenden Lücken nicht sogleich durch geeignetem Ersatz
ausgefüllt werden können. Jeder Offizier hat außerdem uur zu häufig Ge¬
legenheit, das Schicksal so mancher seiner ältern Kameraden und Vorgesetzten
zu beobachten, die nach jahrelanger redlicher Arbeit vorzeitig ihre Laufbahn
beschließen müssen. Dann kommt er wohl zu der Einsicht, daß ihm, falls er
nicht über ganz hervorragende Fähigkeiten verfügt, auch als tüchtigem Front-
ofsizier dasselbe Schicksal bevorsteht. Unter solchen Umstünden kann man es
einem jungen Offizier, den Anlagen und Neigung mehr auf praktische Tätigkeit
als auf eine solche am Schreibtische hinweisen, nicht verübeln, wenn er je früher
desto besser die Uniform auszieht und sich einem Berufe zuwendet, der ihm größere
Sicherheit für seine Existenz und für sein Weiterkommen bietet.




Johannes Mathesius
(Schluß)

^er zweite Band von Loesches Auswahl ist der lustigste, er ent¬
hält Hochzeitpredigten. Eine Sammlung von solchen ist Caspar
Franeker gewidmet, „Prediger der Kirchen Gottes im S. Jvachims-
tal, meinem treuen College» und lieben Gefattern." Mir alten
! und verlebten Manne, schreibt Mathesius in der Widmung, „stünde
es zwar besser an, daß ich mit Todesgedanken und Leichpredigten umbgieng,
weyl ich schier ein Fuß im Grab habe. Aber weil der heilige Geist und ^so!j
züchtige Bischof Paphnutius, der ohne Weib sein Lebtag in Ehren hinbracht,
dem heiligen Ehestand und sonderlich der Priester Ehe im Concilio zu Nicäa
wider des Teufels Lehre, so ein ehelos Leben einführen wollten, das Wort
christlich und freidig in seinem Alter redet, wird es mir betagten Witwer auch
kein züchtig Herz verargen, daß ich Gott und seinem heiligen Ehestand zu
Ehren, und zum Zeugnus und Preis der löblichen Priester Ehe, und zum
Bericht und Trost allen christlichen Hausvätern, und unsern ehelichen Kindern
zur wahren Kundschaft, diese Predigten hab ausgehen lassen." Es folgt ein
schönes langes Gebet für seine und des Freundes Kinder, worin es u. a. heißt:
„Herr Jesu, segne jetzund ihr Lehrmeister Lernung und Vermügen, und laß
dir gefallen das Werk ihrer Hände. Bescher ihnen auch forthin treue und


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[0649] Johannes Mathesnis würdig es klingen mag — bei dem unzweifelhaft sehr anstrengenden und über¬ hasteten Dienstbetriebe nervös und infolge davon unbefriedigt werden.. Oft sind das junge Leute, die vielleicht aus kleinern Bürgerkreisen stammen und weniger aus wahrer Neigung Offizier geworden sind, als weil sie sich dadurch den Zu¬ gang zu höhern Gesellschaftskreisen haben mühelos verschaffen wollen, oder auch solche, die nach vergeblichem Bemühen, die Reife zum Studium zu erlangen, den Militärberuf noch als einen standesmäßigen Unterschlupf betrachten. Daß der Armee mit solchem Material nicht gedient ist, liegt auf der Hand, und es ist kein Verlust, wenn sie sobald wie möglich wieder davon befreit wird. Nur schade, daß die so entstehenden Lücken nicht sogleich durch geeignetem Ersatz ausgefüllt werden können. Jeder Offizier hat außerdem uur zu häufig Ge¬ legenheit, das Schicksal so mancher seiner ältern Kameraden und Vorgesetzten zu beobachten, die nach jahrelanger redlicher Arbeit vorzeitig ihre Laufbahn beschließen müssen. Dann kommt er wohl zu der Einsicht, daß ihm, falls er nicht über ganz hervorragende Fähigkeiten verfügt, auch als tüchtigem Front- ofsizier dasselbe Schicksal bevorsteht. Unter solchen Umstünden kann man es einem jungen Offizier, den Anlagen und Neigung mehr auf praktische Tätigkeit als auf eine solche am Schreibtische hinweisen, nicht verübeln, wenn er je früher desto besser die Uniform auszieht und sich einem Berufe zuwendet, der ihm größere Sicherheit für seine Existenz und für sein Weiterkommen bietet. Johannes Mathesius (Schluß) ^er zweite Band von Loesches Auswahl ist der lustigste, er ent¬ hält Hochzeitpredigten. Eine Sammlung von solchen ist Caspar Franeker gewidmet, „Prediger der Kirchen Gottes im S. Jvachims- tal, meinem treuen College» und lieben Gefattern." Mir alten ! und verlebten Manne, schreibt Mathesius in der Widmung, „stünde es zwar besser an, daß ich mit Todesgedanken und Leichpredigten umbgieng, weyl ich schier ein Fuß im Grab habe. Aber weil der heilige Geist und ^so!j züchtige Bischof Paphnutius, der ohne Weib sein Lebtag in Ehren hinbracht, dem heiligen Ehestand und sonderlich der Priester Ehe im Concilio zu Nicäa wider des Teufels Lehre, so ein ehelos Leben einführen wollten, das Wort christlich und freidig in seinem Alter redet, wird es mir betagten Witwer auch kein züchtig Herz verargen, daß ich Gott und seinem heiligen Ehestand zu Ehren, und zum Zeugnus und Preis der löblichen Priester Ehe, und zum Bericht und Trost allen christlichen Hausvätern, und unsern ehelichen Kindern zur wahren Kundschaft, diese Predigten hab ausgehen lassen." Es folgt ein schönes langes Gebet für seine und des Freundes Kinder, worin es u. a. heißt: „Herr Jesu, segne jetzund ihr Lehrmeister Lernung und Vermügen, und laß dir gefallen das Werk ihrer Hände. Bescher ihnen auch forthin treue und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/649>, abgerufen am 07.05.2024.