Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Herrenmenschen

zugleich, den sichern Verlust auf sich zu nehmen, als sich trügerischen Hoffnungen
hinzugeben und eine Sache halten zu wollen, die unhaltbar ist. Laß es doch zum
Verkaufe kommen, und dann sieh zu, daß du für Mary etwas rettest.

Darauf wollte jedoch Ramborn nicht eingehn. Aber freilich mußte er ein¬
sehen, daß seine Aktien, die aus Industrie- und Montanunternehmungen stammten,
bei der schlechten Konjunktur unverkäuflich waren, und daß es geheißen hätte, sein
Vermögen verschleudern, wenn man die Aktien bei dem tiefen Kursstande in bar
Geld hätte umwandeln wollen, während sie vermutlich in ein paar Jahren wieder
Wert gewannen. Onkel Stackelberg, der sich als langjähriger Vormund Namborns
eine dauernde Autorität erworben hatte, setzte denn auch seinen entschiednen Willen
durch, die Aktien nicht zu verkaufen.

So mußte der Doktor den Gedanken aufgeben, selbst die Hypotheken zu er¬
werben, und es, so unangenehm ihm auch das Geschäft war, versuchen, das Geld
durch Vermittlung von Geldmenschen zu beschaffen. Aber alle Verhandlungen waren
vergeblich. Tapuicken? Wo lag das? was war das? Wer konnte Auskunft er¬
teilen? Doch nur Groppoff. Aber dieser Ehrenmann war natürlich für das vor¬
liegende Geschäft nicht zu haben.

Und so kehrte Namborn verdrießlich nach vierzehn Tagen wieder nach Tap-
nicken zurück, und es gewährte ihm nur einen geringen Trost, unterwegs mit Herrn
von Kügelchen zusammenzutreffen, der sich diesesmal als Globetrotter verkleidet hatte
und behauptete, es äuferst sicher festgestellt zu haben, wie man sich auf der Reise
kleiden müsse. Der einzige Trost, den Ramborn hatte, war, daß die Entscheidung
erst in einem Vierteljahr fiel, und daß in der Nähe vielleicht eher Geld zu haben
war als in der Ferne. Er dachte ernstlich an Baron Bordeaux.

^6. Loa

Wer Eva in der Zeit, in der sie innerlich bewegt war, wie noch nie in ihrem
Leben, gesehen hätte, würde nichts weiter an ihr bemerkt haben, als daß sie ernster,
oder richtiger gesagt, herber aussah als sonst. Ihr Vater merkte mit seinen scharfen
Augen sehr wohl, daß in seiner Tochter etwas vorging, und deutete sichs zu seinen
Gunsten. Sie wird zu Verstände kommen, sagte er zu sich, und einsehen, daß
Herrin in Bernauken zu werden noch lange nicht das schlechteste ist. Er äußerte
kein Wort, schrieb aber an Baron Bordeaux, die Sache sei reif, und Eva werde
jetzt vernünftig, er möchte kommen. Aber Baron Bordeaux kam nicht. Diese Rose
war ihm zu dornig.

Nun war auch der Doktor abgereist. Wohin? auf wie lange? kam er über¬
haupt wieder? Eva wußte es nicht. Sie hätte es leicht von ihrem Vater erfahren
können, aber sie scheute sich zu fragen. Abschied hatte "er" nicht genommen. Aber
würde sie sich haben beklagen können, wenn er ohne Gruß von ihr geschieden wäre?
Wars ihm zu verdenken, wenn er das herrschsüchtige und herzlose Mädchen schweigend
aufgab? Sie empfand darum einen brennenden Schmerz, und sie zürnte sich selbst,
daß sie diesen Schmerz empfand. War es verletzte Eigenliebe, gekränkter Stolz,
der in ihr zürnte? Sie ahnte und fürchtete, daß des Schmerzes Wurzel viel
tiefer saß.

Wie einsam fühlte sie sich! Wen in der ganzen weiten Welt hatte sie, nachdem
"er" gegangen war, dem sie ihr Herz hätte aufschließen, dem sie hätte Vertraue"
entgegenbringen können? Wer blieb ihr übrig? Tauenden! Ja, Tauenden!
--

Aber würde Tauenden ihr nicht zürnen? Aber was hatte sie denn getan?
Der unbesonnene Streich, der den Kampf mit dem Elch zur Folge gehabt hatte,
war der denn ein Verbrechen gewesen? Kann man sich denn nicht wieder ver¬
ständigen, nachdem man eine Dummheit gemacht hat? Man hätte das doch mit
einem einzigen Worte wieder gut machen können. Aber dieses eine Wort hatte sie
nicht gesprochen. Sie hätte sich zu tief demütigen müssen, es auszusprechen, und
das hatte ihr unbändiger Stolz nicht geduldet. Sie hatte deutlich gefühlt, daß es


Herrenmenschen

zugleich, den sichern Verlust auf sich zu nehmen, als sich trügerischen Hoffnungen
hinzugeben und eine Sache halten zu wollen, die unhaltbar ist. Laß es doch zum
Verkaufe kommen, und dann sieh zu, daß du für Mary etwas rettest.

Darauf wollte jedoch Ramborn nicht eingehn. Aber freilich mußte er ein¬
sehen, daß seine Aktien, die aus Industrie- und Montanunternehmungen stammten,
bei der schlechten Konjunktur unverkäuflich waren, und daß es geheißen hätte, sein
Vermögen verschleudern, wenn man die Aktien bei dem tiefen Kursstande in bar
Geld hätte umwandeln wollen, während sie vermutlich in ein paar Jahren wieder
Wert gewannen. Onkel Stackelberg, der sich als langjähriger Vormund Namborns
eine dauernde Autorität erworben hatte, setzte denn auch seinen entschiednen Willen
durch, die Aktien nicht zu verkaufen.

So mußte der Doktor den Gedanken aufgeben, selbst die Hypotheken zu er¬
werben, und es, so unangenehm ihm auch das Geschäft war, versuchen, das Geld
durch Vermittlung von Geldmenschen zu beschaffen. Aber alle Verhandlungen waren
vergeblich. Tapuicken? Wo lag das? was war das? Wer konnte Auskunft er¬
teilen? Doch nur Groppoff. Aber dieser Ehrenmann war natürlich für das vor¬
liegende Geschäft nicht zu haben.

Und so kehrte Namborn verdrießlich nach vierzehn Tagen wieder nach Tap-
nicken zurück, und es gewährte ihm nur einen geringen Trost, unterwegs mit Herrn
von Kügelchen zusammenzutreffen, der sich diesesmal als Globetrotter verkleidet hatte
und behauptete, es äuferst sicher festgestellt zu haben, wie man sich auf der Reise
kleiden müsse. Der einzige Trost, den Ramborn hatte, war, daß die Entscheidung
erst in einem Vierteljahr fiel, und daß in der Nähe vielleicht eher Geld zu haben
war als in der Ferne. Er dachte ernstlich an Baron Bordeaux.

^6. Loa

Wer Eva in der Zeit, in der sie innerlich bewegt war, wie noch nie in ihrem
Leben, gesehen hätte, würde nichts weiter an ihr bemerkt haben, als daß sie ernster,
oder richtiger gesagt, herber aussah als sonst. Ihr Vater merkte mit seinen scharfen
Augen sehr wohl, daß in seiner Tochter etwas vorging, und deutete sichs zu seinen
Gunsten. Sie wird zu Verstände kommen, sagte er zu sich, und einsehen, daß
Herrin in Bernauken zu werden noch lange nicht das schlechteste ist. Er äußerte
kein Wort, schrieb aber an Baron Bordeaux, die Sache sei reif, und Eva werde
jetzt vernünftig, er möchte kommen. Aber Baron Bordeaux kam nicht. Diese Rose
war ihm zu dornig.

Nun war auch der Doktor abgereist. Wohin? auf wie lange? kam er über¬
haupt wieder? Eva wußte es nicht. Sie hätte es leicht von ihrem Vater erfahren
können, aber sie scheute sich zu fragen. Abschied hatte „er" nicht genommen. Aber
würde sie sich haben beklagen können, wenn er ohne Gruß von ihr geschieden wäre?
Wars ihm zu verdenken, wenn er das herrschsüchtige und herzlose Mädchen schweigend
aufgab? Sie empfand darum einen brennenden Schmerz, und sie zürnte sich selbst,
daß sie diesen Schmerz empfand. War es verletzte Eigenliebe, gekränkter Stolz,
der in ihr zürnte? Sie ahnte und fürchtete, daß des Schmerzes Wurzel viel
tiefer saß.

Wie einsam fühlte sie sich! Wen in der ganzen weiten Welt hatte sie, nachdem
„er" gegangen war, dem sie ihr Herz hätte aufschließen, dem sie hätte Vertraue»
entgegenbringen können? Wer blieb ihr übrig? Tauenden! Ja, Tauenden!

Aber würde Tauenden ihr nicht zürnen? Aber was hatte sie denn getan?
Der unbesonnene Streich, der den Kampf mit dem Elch zur Folge gehabt hatte,
war der denn ein Verbrechen gewesen? Kann man sich denn nicht wieder ver¬
ständigen, nachdem man eine Dummheit gemacht hat? Man hätte das doch mit
einem einzigen Worte wieder gut machen können. Aber dieses eine Wort hatte sie
nicht gesprochen. Sie hätte sich zu tief demütigen müssen, es auszusprechen, und
das hatte ihr unbändiger Stolz nicht geduldet. Sie hatte deutlich gefühlt, daß es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297687"/>
          <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_714" prev="#ID_713"> zugleich, den sichern Verlust auf sich zu nehmen, als sich trügerischen Hoffnungen<lb/>
hinzugeben und eine Sache halten zu wollen, die unhaltbar ist. Laß es doch zum<lb/>
Verkaufe kommen, und dann sieh zu, daß du für Mary etwas rettest.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_715"> Darauf wollte jedoch Ramborn nicht eingehn. Aber freilich mußte er ein¬<lb/>
sehen, daß seine Aktien, die aus Industrie- und Montanunternehmungen stammten,<lb/>
bei der schlechten Konjunktur unverkäuflich waren, und daß es geheißen hätte, sein<lb/>
Vermögen verschleudern, wenn man die Aktien bei dem tiefen Kursstande in bar<lb/>
Geld hätte umwandeln wollen, während sie vermutlich in ein paar Jahren wieder<lb/>
Wert gewannen. Onkel Stackelberg, der sich als langjähriger Vormund Namborns<lb/>
eine dauernde Autorität erworben hatte, setzte denn auch seinen entschiednen Willen<lb/>
durch, die Aktien nicht zu verkaufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_716"> So mußte der Doktor den Gedanken aufgeben, selbst die Hypotheken zu er¬<lb/>
werben, und es, so unangenehm ihm auch das Geschäft war, versuchen, das Geld<lb/>
durch Vermittlung von Geldmenschen zu beschaffen. Aber alle Verhandlungen waren<lb/>
vergeblich. Tapuicken? Wo lag das? was war das? Wer konnte Auskunft er¬<lb/>
teilen? Doch nur Groppoff. Aber dieser Ehrenmann war natürlich für das vor¬<lb/>
liegende Geschäft nicht zu haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_717"> Und so kehrte Namborn verdrießlich nach vierzehn Tagen wieder nach Tap-<lb/>
nicken zurück, und es gewährte ihm nur einen geringen Trost, unterwegs mit Herrn<lb/>
von Kügelchen zusammenzutreffen, der sich diesesmal als Globetrotter verkleidet hatte<lb/>
und behauptete, es äuferst sicher festgestellt zu haben, wie man sich auf der Reise<lb/>
kleiden müsse. Der einzige Trost, den Ramborn hatte, war, daß die Entscheidung<lb/>
erst in einem Vierteljahr fiel, und daß in der Nähe vielleicht eher Geld zu haben<lb/>
war als in der Ferne.  Er dachte ernstlich an Baron Bordeaux.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> ^6. Loa</head><lb/>
            <p xml:id="ID_718"> Wer Eva in der Zeit, in der sie innerlich bewegt war, wie noch nie in ihrem<lb/>
Leben, gesehen hätte, würde nichts weiter an ihr bemerkt haben, als daß sie ernster,<lb/>
oder richtiger gesagt, herber aussah als sonst. Ihr Vater merkte mit seinen scharfen<lb/>
Augen sehr wohl, daß in seiner Tochter etwas vorging, und deutete sichs zu seinen<lb/>
Gunsten. Sie wird zu Verstände kommen, sagte er zu sich, und einsehen, daß<lb/>
Herrin in Bernauken zu werden noch lange nicht das schlechteste ist. Er äußerte<lb/>
kein Wort, schrieb aber an Baron Bordeaux, die Sache sei reif, und Eva werde<lb/>
jetzt vernünftig, er möchte kommen. Aber Baron Bordeaux kam nicht. Diese Rose<lb/>
war ihm zu dornig.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_719"> Nun war auch der Doktor abgereist. Wohin? auf wie lange? kam er über¬<lb/>
haupt wieder? Eva wußte es nicht. Sie hätte es leicht von ihrem Vater erfahren<lb/>
können, aber sie scheute sich zu fragen. Abschied hatte &#x201E;er" nicht genommen. Aber<lb/>
würde sie sich haben beklagen können, wenn er ohne Gruß von ihr geschieden wäre?<lb/>
Wars ihm zu verdenken, wenn er das herrschsüchtige und herzlose Mädchen schweigend<lb/>
aufgab? Sie empfand darum einen brennenden Schmerz, und sie zürnte sich selbst,<lb/>
daß sie diesen Schmerz empfand. War es verletzte Eigenliebe, gekränkter Stolz,<lb/>
der in ihr zürnte? Sie ahnte und fürchtete, daß des Schmerzes Wurzel viel<lb/>
tiefer saß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_720"> Wie einsam fühlte sie sich! Wen in der ganzen weiten Welt hatte sie, nachdem<lb/>
&#x201E;er" gegangen war, dem sie ihr Herz hätte aufschließen, dem sie hätte Vertraue»<lb/>
entgegenbringen können? Wer blieb ihr übrig? Tauenden! Ja, Tauenden!<lb/>
&#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_721" next="#ID_722"> Aber würde Tauenden ihr nicht zürnen? Aber was hatte sie denn getan?<lb/>
Der unbesonnene Streich, der den Kampf mit dem Elch zur Folge gehabt hatte,<lb/>
war der denn ein Verbrechen gewesen? Kann man sich denn nicht wieder ver¬<lb/>
ständigen, nachdem man eine Dummheit gemacht hat? Man hätte das doch mit<lb/>
einem einzigen Worte wieder gut machen können. Aber dieses eine Wort hatte sie<lb/>
nicht gesprochen. Sie hätte sich zu tief demütigen müssen, es auszusprechen, und<lb/>
das hatte ihr unbändiger Stolz nicht geduldet. Sie hatte deutlich gefühlt, daß es</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0168] Herrenmenschen zugleich, den sichern Verlust auf sich zu nehmen, als sich trügerischen Hoffnungen hinzugeben und eine Sache halten zu wollen, die unhaltbar ist. Laß es doch zum Verkaufe kommen, und dann sieh zu, daß du für Mary etwas rettest. Darauf wollte jedoch Ramborn nicht eingehn. Aber freilich mußte er ein¬ sehen, daß seine Aktien, die aus Industrie- und Montanunternehmungen stammten, bei der schlechten Konjunktur unverkäuflich waren, und daß es geheißen hätte, sein Vermögen verschleudern, wenn man die Aktien bei dem tiefen Kursstande in bar Geld hätte umwandeln wollen, während sie vermutlich in ein paar Jahren wieder Wert gewannen. Onkel Stackelberg, der sich als langjähriger Vormund Namborns eine dauernde Autorität erworben hatte, setzte denn auch seinen entschiednen Willen durch, die Aktien nicht zu verkaufen. So mußte der Doktor den Gedanken aufgeben, selbst die Hypotheken zu er¬ werben, und es, so unangenehm ihm auch das Geschäft war, versuchen, das Geld durch Vermittlung von Geldmenschen zu beschaffen. Aber alle Verhandlungen waren vergeblich. Tapuicken? Wo lag das? was war das? Wer konnte Auskunft er¬ teilen? Doch nur Groppoff. Aber dieser Ehrenmann war natürlich für das vor¬ liegende Geschäft nicht zu haben. Und so kehrte Namborn verdrießlich nach vierzehn Tagen wieder nach Tap- nicken zurück, und es gewährte ihm nur einen geringen Trost, unterwegs mit Herrn von Kügelchen zusammenzutreffen, der sich diesesmal als Globetrotter verkleidet hatte und behauptete, es äuferst sicher festgestellt zu haben, wie man sich auf der Reise kleiden müsse. Der einzige Trost, den Ramborn hatte, war, daß die Entscheidung erst in einem Vierteljahr fiel, und daß in der Nähe vielleicht eher Geld zu haben war als in der Ferne. Er dachte ernstlich an Baron Bordeaux. ^6. Loa Wer Eva in der Zeit, in der sie innerlich bewegt war, wie noch nie in ihrem Leben, gesehen hätte, würde nichts weiter an ihr bemerkt haben, als daß sie ernster, oder richtiger gesagt, herber aussah als sonst. Ihr Vater merkte mit seinen scharfen Augen sehr wohl, daß in seiner Tochter etwas vorging, und deutete sichs zu seinen Gunsten. Sie wird zu Verstände kommen, sagte er zu sich, und einsehen, daß Herrin in Bernauken zu werden noch lange nicht das schlechteste ist. Er äußerte kein Wort, schrieb aber an Baron Bordeaux, die Sache sei reif, und Eva werde jetzt vernünftig, er möchte kommen. Aber Baron Bordeaux kam nicht. Diese Rose war ihm zu dornig. Nun war auch der Doktor abgereist. Wohin? auf wie lange? kam er über¬ haupt wieder? Eva wußte es nicht. Sie hätte es leicht von ihrem Vater erfahren können, aber sie scheute sich zu fragen. Abschied hatte „er" nicht genommen. Aber würde sie sich haben beklagen können, wenn er ohne Gruß von ihr geschieden wäre? Wars ihm zu verdenken, wenn er das herrschsüchtige und herzlose Mädchen schweigend aufgab? Sie empfand darum einen brennenden Schmerz, und sie zürnte sich selbst, daß sie diesen Schmerz empfand. War es verletzte Eigenliebe, gekränkter Stolz, der in ihr zürnte? Sie ahnte und fürchtete, daß des Schmerzes Wurzel viel tiefer saß. Wie einsam fühlte sie sich! Wen in der ganzen weiten Welt hatte sie, nachdem „er" gegangen war, dem sie ihr Herz hätte aufschließen, dem sie hätte Vertraue» entgegenbringen können? Wer blieb ihr übrig? Tauenden! Ja, Tauenden! — Aber würde Tauenden ihr nicht zürnen? Aber was hatte sie denn getan? Der unbesonnene Streich, der den Kampf mit dem Elch zur Folge gehabt hatte, war der denn ein Verbrechen gewesen? Kann man sich denn nicht wieder ver¬ ständigen, nachdem man eine Dummheit gemacht hat? Man hätte das doch mit einem einzigen Worte wieder gut machen können. Aber dieses eine Wort hatte sie nicht gesprochen. Sie hätte sich zu tief demütigen müssen, es auszusprechen, und das hatte ihr unbändiger Stolz nicht geduldet. Sie hatte deutlich gefühlt, daß es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/168
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/168>, abgerufen am 02.05.2024.