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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Zusammentritt des Bundesratsausschusses für die aus¬
wärtigen Angelegenheiten hat in einem süddeutschen Blatte die Deutung erfahren,
"der Reichskanzler habe das Bedürfnis empfunden, die Minister der auswärtigen
Angelegenheiten in den Bundesstaaten einen weitern Einblick in den Verlauf der
marokkanischen Angelegenheiten tun zu lassen, um sie in den Stand zu versetzen,
die Frage mit doller Sachkenntnis zu behandeln, falls sie in den parlamentarischen
Körperschaften der einzelnen Staaten zur Sprache gebracht werden sollte; es sei
ziemlich wahrscheinlich, daß dies geschehen werde." Eine solche Ansicht ist völlig
unverständlich. Erstens vergeh" Monate, bis die deutschen Landtage zusammen¬
treten, zweitens wäre es ein völlig unerwünschtes Novum, wenn die deutschen
Einzellandtage die auswärtige Politik, die Sache des Reichs ist und im Reichs¬
tage mit großer Delikatesse behandelt wird, vor ihr Forum ziehn wollten. Die
Information der deutscheu Bundesregierungen über auswärtige Politik geschieht
nicht erst im Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der eigentlich
keine verfassungsmäßig umschriebne Kompetenz hat, und dessen Existenz -- ein
Höflichkeitspflaster für weiland König Ludwig den Zweiten -- genau betrachtet
nicht im Einklange steht mit Artikel 11 der Reichsverfassung, der bestimmt: "der
Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten." Da der Ausschuß aber um
einmal da ist, und Bayern verfassungsmäßig (Artikel 8) den Vorsitz darin führt,
so verlangt es die bundesfreundliche und verfassungsmüßige Korrektheit, dem Aus¬
schuß bei großen Phasen der auswärtigen Politik des Reichs einen Überblick über
den Verlauf der Dinge, eine Art Rechenschaftsbericht vorzulegen und sich dabei
der Zustimmung der im Ausschusse vertretnen größern Bundesregierungen zu ver¬
gewissern. Insofern ist der Ausschuß auch eine sehr nützliche Einrichtung. So ist
es bei dem Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses, bei der Expedition nach
China im Sommer 1900 und auch jetzt wieder geschehen, nachdem die marokkanische
Frage ihr ernsteres Stadium hoffentlich hinter sich hat.

Es ist schon in frühern Jahren hervorgehoben worden, daß die deutschen
Bundesgenossen nicht erst durch den Bundesratsausschuß über die deutsche aus¬
wärtige Politik auf dem laufenden erhalten werden, sondern daß dies in allen
wichtigern Dingen fortlaufend durch die Gesandten in Berlin oder durch die preußischen
Gesandten in den deutschen Hauptstädten geschieht. Am 11. Juli 1900 erließ der
jetzige Reichskanzler, damals Staatssekretär des Auswärtigen, ein Rundschreiben an
die deutschen Bundesregierungen, worin er die Entwicklung der Dinge, die schließlich
zur Entsendung der Expedition nach China führten, ausführlich darlegte und zum
Schlüsse hervorhob, daß die in dem Rundschreiben enthaltnen Gesichtspunkte die volle
Billigung des Bundesratsausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten gefunden
hätten. Damit war diesem die Stellung als einer Art Koutrollinstanz zuerkannt
worden, und in diesem Sinne ist auch jetzt seine Einberufung veranlaßt worden. Es
mochte dem Reichskanzler daran gelegen sein, nicht nur für die bedeutsame Ausein¬
andersetzung mit Frankreich, die er hinter sich hat, sondern vor allen Dingen für alles,
was uns noch bevorsteht, der Zustimmung der deutschen Bundesgenossen sicher zu
sein, als deren amtlicher Ausdruck der Bundesratsausschuß somit anzusehen ist.

Ob gegenwärtig ebenfalls ein Rundschreiben an die deutschen Regierungen
ergangen ist oder beabsichtigt wird, ist nicht bekannt. Eine Notwendigkeit, wie im
Jahre 1900, wo das Reich mit starken Kräften zu Wasser und zu Lande in eine
kostspielige, in ihrer Tragweite gar nicht übersehbare kriegerische Aktion eingetreten
war, liegt nicht vor. Freilich bot, wie die Enthüllungen des bisherigen fran¬
zösischen Ministers Delcasst nunmehr von neuem erhärtet haben, das jetzt glücklich
überwundne Stadium ernste Augenblicke genug. Durch die Enthüllungen des fran¬
zösischen Ministers hat die Haltung der deutschen Regierung die von ihm schwerlich
beabsichtigte volle Rechtfertigung erfahren. Blieb Delcasst im Amt, so trieben beide


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Zusammentritt des Bundesratsausschusses für die aus¬
wärtigen Angelegenheiten hat in einem süddeutschen Blatte die Deutung erfahren,
„der Reichskanzler habe das Bedürfnis empfunden, die Minister der auswärtigen
Angelegenheiten in den Bundesstaaten einen weitern Einblick in den Verlauf der
marokkanischen Angelegenheiten tun zu lassen, um sie in den Stand zu versetzen,
die Frage mit doller Sachkenntnis zu behandeln, falls sie in den parlamentarischen
Körperschaften der einzelnen Staaten zur Sprache gebracht werden sollte; es sei
ziemlich wahrscheinlich, daß dies geschehen werde." Eine solche Ansicht ist völlig
unverständlich. Erstens vergeh» Monate, bis die deutschen Landtage zusammen¬
treten, zweitens wäre es ein völlig unerwünschtes Novum, wenn die deutschen
Einzellandtage die auswärtige Politik, die Sache des Reichs ist und im Reichs¬
tage mit großer Delikatesse behandelt wird, vor ihr Forum ziehn wollten. Die
Information der deutscheu Bundesregierungen über auswärtige Politik geschieht
nicht erst im Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der eigentlich
keine verfassungsmäßig umschriebne Kompetenz hat, und dessen Existenz — ein
Höflichkeitspflaster für weiland König Ludwig den Zweiten — genau betrachtet
nicht im Einklange steht mit Artikel 11 der Reichsverfassung, der bestimmt: „der
Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten." Da der Ausschuß aber um
einmal da ist, und Bayern verfassungsmäßig (Artikel 8) den Vorsitz darin führt,
so verlangt es die bundesfreundliche und verfassungsmüßige Korrektheit, dem Aus¬
schuß bei großen Phasen der auswärtigen Politik des Reichs einen Überblick über
den Verlauf der Dinge, eine Art Rechenschaftsbericht vorzulegen und sich dabei
der Zustimmung der im Ausschusse vertretnen größern Bundesregierungen zu ver¬
gewissern. Insofern ist der Ausschuß auch eine sehr nützliche Einrichtung. So ist
es bei dem Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses, bei der Expedition nach
China im Sommer 1900 und auch jetzt wieder geschehen, nachdem die marokkanische
Frage ihr ernsteres Stadium hoffentlich hinter sich hat.

Es ist schon in frühern Jahren hervorgehoben worden, daß die deutschen
Bundesgenossen nicht erst durch den Bundesratsausschuß über die deutsche aus¬
wärtige Politik auf dem laufenden erhalten werden, sondern daß dies in allen
wichtigern Dingen fortlaufend durch die Gesandten in Berlin oder durch die preußischen
Gesandten in den deutschen Hauptstädten geschieht. Am 11. Juli 1900 erließ der
jetzige Reichskanzler, damals Staatssekretär des Auswärtigen, ein Rundschreiben an
die deutschen Bundesregierungen, worin er die Entwicklung der Dinge, die schließlich
zur Entsendung der Expedition nach China führten, ausführlich darlegte und zum
Schlüsse hervorhob, daß die in dem Rundschreiben enthaltnen Gesichtspunkte die volle
Billigung des Bundesratsausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten gefunden
hätten. Damit war diesem die Stellung als einer Art Koutrollinstanz zuerkannt
worden, und in diesem Sinne ist auch jetzt seine Einberufung veranlaßt worden. Es
mochte dem Reichskanzler daran gelegen sein, nicht nur für die bedeutsame Ausein¬
andersetzung mit Frankreich, die er hinter sich hat, sondern vor allen Dingen für alles,
was uns noch bevorsteht, der Zustimmung der deutschen Bundesgenossen sicher zu
sein, als deren amtlicher Ausdruck der Bundesratsausschuß somit anzusehen ist.

Ob gegenwärtig ebenfalls ein Rundschreiben an die deutschen Regierungen
ergangen ist oder beabsichtigt wird, ist nicht bekannt. Eine Notwendigkeit, wie im
Jahre 1900, wo das Reich mit starken Kräften zu Wasser und zu Lande in eine
kostspielige, in ihrer Tragweite gar nicht übersehbare kriegerische Aktion eingetreten
war, liegt nicht vor. Freilich bot, wie die Enthüllungen des bisherigen fran¬
zösischen Ministers Delcasst nunmehr von neuem erhärtet haben, das jetzt glücklich
überwundne Stadium ernste Augenblicke genug. Durch die Enthüllungen des fran¬
zösischen Ministers hat die Haltung der deutschen Regierung die von ihm schwerlich
beabsichtigte volle Rechtfertigung erfahren. Blieb Delcasst im Amt, so trieben beide


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[0172] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. Der Zusammentritt des Bundesratsausschusses für die aus¬ wärtigen Angelegenheiten hat in einem süddeutschen Blatte die Deutung erfahren, „der Reichskanzler habe das Bedürfnis empfunden, die Minister der auswärtigen Angelegenheiten in den Bundesstaaten einen weitern Einblick in den Verlauf der marokkanischen Angelegenheiten tun zu lassen, um sie in den Stand zu versetzen, die Frage mit doller Sachkenntnis zu behandeln, falls sie in den parlamentarischen Körperschaften der einzelnen Staaten zur Sprache gebracht werden sollte; es sei ziemlich wahrscheinlich, daß dies geschehen werde." Eine solche Ansicht ist völlig unverständlich. Erstens vergeh» Monate, bis die deutschen Landtage zusammen¬ treten, zweitens wäre es ein völlig unerwünschtes Novum, wenn die deutschen Einzellandtage die auswärtige Politik, die Sache des Reichs ist und im Reichs¬ tage mit großer Delikatesse behandelt wird, vor ihr Forum ziehn wollten. Die Information der deutscheu Bundesregierungen über auswärtige Politik geschieht nicht erst im Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der eigentlich keine verfassungsmäßig umschriebne Kompetenz hat, und dessen Existenz — ein Höflichkeitspflaster für weiland König Ludwig den Zweiten — genau betrachtet nicht im Einklange steht mit Artikel 11 der Reichsverfassung, der bestimmt: „der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten." Da der Ausschuß aber um einmal da ist, und Bayern verfassungsmäßig (Artikel 8) den Vorsitz darin führt, so verlangt es die bundesfreundliche und verfassungsmüßige Korrektheit, dem Aus¬ schuß bei großen Phasen der auswärtigen Politik des Reichs einen Überblick über den Verlauf der Dinge, eine Art Rechenschaftsbericht vorzulegen und sich dabei der Zustimmung der im Ausschusse vertretnen größern Bundesregierungen zu ver¬ gewissern. Insofern ist der Ausschuß auch eine sehr nützliche Einrichtung. So ist es bei dem Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses, bei der Expedition nach China im Sommer 1900 und auch jetzt wieder geschehen, nachdem die marokkanische Frage ihr ernsteres Stadium hoffentlich hinter sich hat. Es ist schon in frühern Jahren hervorgehoben worden, daß die deutschen Bundesgenossen nicht erst durch den Bundesratsausschuß über die deutsche aus¬ wärtige Politik auf dem laufenden erhalten werden, sondern daß dies in allen wichtigern Dingen fortlaufend durch die Gesandten in Berlin oder durch die preußischen Gesandten in den deutschen Hauptstädten geschieht. Am 11. Juli 1900 erließ der jetzige Reichskanzler, damals Staatssekretär des Auswärtigen, ein Rundschreiben an die deutschen Bundesregierungen, worin er die Entwicklung der Dinge, die schließlich zur Entsendung der Expedition nach China führten, ausführlich darlegte und zum Schlüsse hervorhob, daß die in dem Rundschreiben enthaltnen Gesichtspunkte die volle Billigung des Bundesratsausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten gefunden hätten. Damit war diesem die Stellung als einer Art Koutrollinstanz zuerkannt worden, und in diesem Sinne ist auch jetzt seine Einberufung veranlaßt worden. Es mochte dem Reichskanzler daran gelegen sein, nicht nur für die bedeutsame Ausein¬ andersetzung mit Frankreich, die er hinter sich hat, sondern vor allen Dingen für alles, was uns noch bevorsteht, der Zustimmung der deutschen Bundesgenossen sicher zu sein, als deren amtlicher Ausdruck der Bundesratsausschuß somit anzusehen ist. Ob gegenwärtig ebenfalls ein Rundschreiben an die deutschen Regierungen ergangen ist oder beabsichtigt wird, ist nicht bekannt. Eine Notwendigkeit, wie im Jahre 1900, wo das Reich mit starken Kräften zu Wasser und zu Lande in eine kostspielige, in ihrer Tragweite gar nicht übersehbare kriegerische Aktion eingetreten war, liegt nicht vor. Freilich bot, wie die Enthüllungen des bisherigen fran¬ zösischen Ministers Delcasst nunmehr von neuem erhärtet haben, das jetzt glücklich überwundne Stadium ernste Augenblicke genug. Durch die Enthüllungen des fran¬ zösischen Ministers hat die Haltung der deutschen Regierung die von ihm schwerlich beabsichtigte volle Rechtfertigung erfahren. Blieb Delcasst im Amt, so trieben beide

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/172>, abgerufen am 02.05.2024.