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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Afghanistan

Unser Wunsch, daß mehr Freude in die Schule komme, mehr Freude an
der Schule um sich greife, gründet sich auf die Erfüllung der Wünsche, die ich
oben vorgetragen habe, Wünsche, die durchaus nicht in das Gebiet der Träume
und der Ideale gehören. Möge Matthias, dem wir für den Reisesegen in das
neue Jahr nochmals von Herzen danken, dessen Wunsch wir von ganzem Herzen
teilen und sehnsüchtig erfüllt sehen möchten, nach Kräften dazu beitragen, daß
diese Wünsche verwirklicht werden. Dann würde auch uns Lehrern, die wir in
diesem Jahre allerorten mit Reden und Vorträgen, Broschüren und Büchern
den großen Idealisten gefeiert haben, das Herz so warm werden wie ihm, da
er den Hymnus an die Freude dichtete; dann würde Ruhe und Frieden in die
Schule kommen und mehr Freude.




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen und Skizzen von
(Schluß)

OH^MS^H^
^as Opiumraucher wird mit dem Tode bestraft, das Opinmessen
hingegen ist erlaubt. Viele Leute machen von dieser Erlaubnis
Gebrauch, und der Emir zieht aus dem Opiumhandel einen großen
Nutzen, denn er ist "Staatsmonopol." In Kabul wird täglich
für zwei- bis dreitausend Rupien Opium verbraucht. Opium¬
raucher werden in zisternenartigen Schächten gefangen gehalten und erhalten
täglich Brot und Wasser, doch bleiben diese Unglücklichen nicht lange am
Leben. Einer dieser Sträflinge soll die Gefangenschaft sieben Jahre ertragen
haben. Der Emir ließ sich den Mann nach diesem Zeitraum vorführen und
staunte ihn wegen seiner Zähigkeit an. Er begnadigte ihn auch, doch starb der
Unselige bald hernach. Mehrere Jahre vor meinem Aufenthalt in Kabul wurden
sieben Raubmörder in einen der zisternenähnlichen Schächte geworfen, doch er¬
hielten sie weder Speise noch Wasser. Als nach Ablauf eines Monats Nach¬
schau gehalten wurde, fehlte schon einer. Die andern hatten ihn aufgegessen.
Nach einem Jahre war nur noch ein einziger am Leben. Dieser erzwungne
Kannibalismus, geeignet, Schauder zu erregen, dürfte dem Emir vielen Spaß
gemacht haben. Zu Beginn des Mais 1900 wurde in einem mir gut bekannten
Vororte Kabuls ein Soldat von Kameraden ermordet und seines Monatssoldes
im Betrage von acht Rupien beraubt. Der Leichnam wurde von den Mördern
verscharrt. Der Mord wurde sehr bald ruchbar, die Leiche gefunden, und die
Mörder wurden verhaftet. Am 7. Mai wurden diese unter den Galgen auf dem
Übungsplatze der Truppen zerschnitten. Diese Art der Hinrichtung, die ich ans
eigner Anschauung kenne, ist grauenhaft Dem Verurteilten wird zuerst ein
Schnitt am Halse beigebracht, worauf ihm die Arme und dann die Beine an
den Gelenken vom Leibe getrennt werden. Die abgeschnittnen Gliedmaßen werden
beiseite geworfen. Früher konnte jeder Schlächtermeister in Kabul den Befehl
erhalten, eine solche Hinrichtung zu vollziehn. Um sich vor solchen Aufträgen


Afghanistan

Unser Wunsch, daß mehr Freude in die Schule komme, mehr Freude an
der Schule um sich greife, gründet sich auf die Erfüllung der Wünsche, die ich
oben vorgetragen habe, Wünsche, die durchaus nicht in das Gebiet der Träume
und der Ideale gehören. Möge Matthias, dem wir für den Reisesegen in das
neue Jahr nochmals von Herzen danken, dessen Wunsch wir von ganzem Herzen
teilen und sehnsüchtig erfüllt sehen möchten, nach Kräften dazu beitragen, daß
diese Wünsche verwirklicht werden. Dann würde auch uns Lehrern, die wir in
diesem Jahre allerorten mit Reden und Vorträgen, Broschüren und Büchern
den großen Idealisten gefeiert haben, das Herz so warm werden wie ihm, da
er den Hymnus an die Freude dichtete; dann würde Ruhe und Frieden in die
Schule kommen und mehr Freude.




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen und Skizzen von
(Schluß)

OH^MS^H^
^as Opiumraucher wird mit dem Tode bestraft, das Opinmessen
hingegen ist erlaubt. Viele Leute machen von dieser Erlaubnis
Gebrauch, und der Emir zieht aus dem Opiumhandel einen großen
Nutzen, denn er ist „Staatsmonopol." In Kabul wird täglich
für zwei- bis dreitausend Rupien Opium verbraucht. Opium¬
raucher werden in zisternenartigen Schächten gefangen gehalten und erhalten
täglich Brot und Wasser, doch bleiben diese Unglücklichen nicht lange am
Leben. Einer dieser Sträflinge soll die Gefangenschaft sieben Jahre ertragen
haben. Der Emir ließ sich den Mann nach diesem Zeitraum vorführen und
staunte ihn wegen seiner Zähigkeit an. Er begnadigte ihn auch, doch starb der
Unselige bald hernach. Mehrere Jahre vor meinem Aufenthalt in Kabul wurden
sieben Raubmörder in einen der zisternenähnlichen Schächte geworfen, doch er¬
hielten sie weder Speise noch Wasser. Als nach Ablauf eines Monats Nach¬
schau gehalten wurde, fehlte schon einer. Die andern hatten ihn aufgegessen.
Nach einem Jahre war nur noch ein einziger am Leben. Dieser erzwungne
Kannibalismus, geeignet, Schauder zu erregen, dürfte dem Emir vielen Spaß
gemacht haben. Zu Beginn des Mais 1900 wurde in einem mir gut bekannten
Vororte Kabuls ein Soldat von Kameraden ermordet und seines Monatssoldes
im Betrage von acht Rupien beraubt. Der Leichnam wurde von den Mördern
verscharrt. Der Mord wurde sehr bald ruchbar, die Leiche gefunden, und die
Mörder wurden verhaftet. Am 7. Mai wurden diese unter den Galgen auf dem
Übungsplatze der Truppen zerschnitten. Diese Art der Hinrichtung, die ich ans
eigner Anschauung kenne, ist grauenhaft Dem Verurteilten wird zuerst ein
Schnitt am Halse beigebracht, worauf ihm die Arme und dann die Beine an
den Gelenken vom Leibe getrennt werden. Die abgeschnittnen Gliedmaßen werden
beiseite geworfen. Früher konnte jeder Schlächtermeister in Kabul den Befehl
erhalten, eine solche Hinrichtung zu vollziehn. Um sich vor solchen Aufträgen


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[0427] Afghanistan Unser Wunsch, daß mehr Freude in die Schule komme, mehr Freude an der Schule um sich greife, gründet sich auf die Erfüllung der Wünsche, die ich oben vorgetragen habe, Wünsche, die durchaus nicht in das Gebiet der Träume und der Ideale gehören. Möge Matthias, dem wir für den Reisesegen in das neue Jahr nochmals von Herzen danken, dessen Wunsch wir von ganzem Herzen teilen und sehnsüchtig erfüllt sehen möchten, nach Kräften dazu beitragen, daß diese Wünsche verwirklicht werden. Dann würde auch uns Lehrern, die wir in diesem Jahre allerorten mit Reden und Vorträgen, Broschüren und Büchern den großen Idealisten gefeiert haben, das Herz so warm werden wie ihm, da er den Hymnus an die Freude dichtete; dann würde Ruhe und Frieden in die Schule kommen und mehr Freude. Afghanistan Franz Korton Schilderungen und Skizzen von (Schluß) OH^MS^H^ ^as Opiumraucher wird mit dem Tode bestraft, das Opinmessen hingegen ist erlaubt. Viele Leute machen von dieser Erlaubnis Gebrauch, und der Emir zieht aus dem Opiumhandel einen großen Nutzen, denn er ist „Staatsmonopol." In Kabul wird täglich für zwei- bis dreitausend Rupien Opium verbraucht. Opium¬ raucher werden in zisternenartigen Schächten gefangen gehalten und erhalten täglich Brot und Wasser, doch bleiben diese Unglücklichen nicht lange am Leben. Einer dieser Sträflinge soll die Gefangenschaft sieben Jahre ertragen haben. Der Emir ließ sich den Mann nach diesem Zeitraum vorführen und staunte ihn wegen seiner Zähigkeit an. Er begnadigte ihn auch, doch starb der Unselige bald hernach. Mehrere Jahre vor meinem Aufenthalt in Kabul wurden sieben Raubmörder in einen der zisternenähnlichen Schächte geworfen, doch er¬ hielten sie weder Speise noch Wasser. Als nach Ablauf eines Monats Nach¬ schau gehalten wurde, fehlte schon einer. Die andern hatten ihn aufgegessen. Nach einem Jahre war nur noch ein einziger am Leben. Dieser erzwungne Kannibalismus, geeignet, Schauder zu erregen, dürfte dem Emir vielen Spaß gemacht haben. Zu Beginn des Mais 1900 wurde in einem mir gut bekannten Vororte Kabuls ein Soldat von Kameraden ermordet und seines Monatssoldes im Betrage von acht Rupien beraubt. Der Leichnam wurde von den Mördern verscharrt. Der Mord wurde sehr bald ruchbar, die Leiche gefunden, und die Mörder wurden verhaftet. Am 7. Mai wurden diese unter den Galgen auf dem Übungsplatze der Truppen zerschnitten. Diese Art der Hinrichtung, die ich ans eigner Anschauung kenne, ist grauenhaft Dem Verurteilten wird zuerst ein Schnitt am Halse beigebracht, worauf ihm die Arme und dann die Beine an den Gelenken vom Leibe getrennt werden. Die abgeschnittnen Gliedmaßen werden beiseite geworfen. Früher konnte jeder Schlächtermeister in Kabul den Befehl erhalten, eine solche Hinrichtung zu vollziehn. Um sich vor solchen Aufträgen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/427>, abgerufen am 03.05.2024.