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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Mein Freund prospero
Henry Harland von(Fortsetzung)

icht am Ufer des Flusses saß Amumziata unter einem knorrigen alten
Olivenbaum auf dem Rasen und starrte mit weit vorgebeugtem Kopf,
der von ihrem Lockengewirr halb verhüllt war, in die grünen Fluten,
in die lachenden, tanzenden, rauschenden grünen Wellen, die aus den
Stellen, wo die Strahlen der Sonne sie erreichen konnten, von
gebrochnem und zerstreuten Lichte strahlten wie Flußspat. In dem
von Sonnen- und Schattenflecken überspielter Rasen daneben suchten sich die Veilchen
verstecken, aber ihr süßer Duft wurde an ihnen zum Verräter. Die Wellen
murmelten und rauschten, ein leichter Wind raschelte in den Blattern der Oliven,
und die Vögel fangen und zwitscherten laut und aufgeregt, wie sie es nach dem
^gen zu tun pflegen.

Muria Dolores, die den Pfad entlang kam, der den Windungen des Flusses
^ge, blieb eine Minute stehn und betrachtete ihre kleine Freundin schweigend.
Endlich aber rief sie: Olav, Annunziata, träumst du, oder hast du Visionen?

Annunziata schrak zusammen und schaute auf: Phe -- se! wisperte sie mit
Anender Gebärde. Ängstlich und verstohlen warf sie einen Blick ringsum, dann
Divop^ fürchtete sie belauscht zu werden: Ich lauschte der Musik von

Maria Dolores, die dicht zu ihr herangetreten war, wußte nicht, was sie aus
°le>er Erklärung machen sollte. Die Musik von -- was? fragte sie.

Phe --. sti flüsterte Annunziata, ich wage nicht, es laut zu sagen --- der Musik
Divopcm.

Divopcm? wiederholte Maria Dolores noch immer verständnislos, aber auf-
'"erkscun mit gedämpfter Stimme. Divopcm? Was ist das?

Divo -- Pein, sagte nun Annunziata, das Wort trennend, aber immer noch
großer Vorsicht.

. Aber Maria Dolores schüttelte hilflos den Kopf: Ich fürchte, das kann ich'M verstehn! Was ist Divo -- Pein?

bete denn nicht, was ein äivo ist? fragte Annunziata, aus deren großen,
^ um. grauen Augen Überraschung sprach.

el" i^' ^" Maria Dolores, der ein Licht aufzugehn begann. Ach ja,
ciivo ist ein Heiliger, glaube ich?

Mös ^ ^eins ein Heiliger, berichtigte Annunziata, aber doch etwas ähnliches.
Hh^" Sie, die Heiligen sind immer gut, aber die clivi sind auch manchmal schlecht.
Dio^ ^ ^ ^ Heiligen und können alles tun, was sie wollen.
Mi s'f " ^ ^ ^ alle Musik macht, die man im Freien hört -- die
MuK /- ^ Wo^' im Wasser klingt, und den Gesang der Vögel. Aber man
nickj, wohl hüten, seine Musik allzulaut zu rühmen, damit es Divo Appollone
Urum 5 ' Dieser ist der Gott, von dem die Musik stammt, die man auf Jn-
sücht/ c--Harfen, Violinen und Klavieren hervorbringt. Er ist furchtbar eifer-
ctwci/ ""^ ^ daß man diesen lobt, so tut er einem
s an. Sie wissen doch, was er dem König Midas getan hat -- oder nicht?




Mein Freund prospero
Henry Harland von(Fortsetzung)

icht am Ufer des Flusses saß Amumziata unter einem knorrigen alten
Olivenbaum auf dem Rasen und starrte mit weit vorgebeugtem Kopf,
der von ihrem Lockengewirr halb verhüllt war, in die grünen Fluten,
in die lachenden, tanzenden, rauschenden grünen Wellen, die aus den
Stellen, wo die Strahlen der Sonne sie erreichen konnten, von
gebrochnem und zerstreuten Lichte strahlten wie Flußspat. In dem
von Sonnen- und Schattenflecken überspielter Rasen daneben suchten sich die Veilchen
verstecken, aber ihr süßer Duft wurde an ihnen zum Verräter. Die Wellen
murmelten und rauschten, ein leichter Wind raschelte in den Blattern der Oliven,
und die Vögel fangen und zwitscherten laut und aufgeregt, wie sie es nach dem
^gen zu tun pflegen.

Muria Dolores, die den Pfad entlang kam, der den Windungen des Flusses
^ge, blieb eine Minute stehn und betrachtete ihre kleine Freundin schweigend.
Endlich aber rief sie: Olav, Annunziata, träumst du, oder hast du Visionen?

Annunziata schrak zusammen und schaute auf: Phe — se! wisperte sie mit
Anender Gebärde. Ängstlich und verstohlen warf sie einen Blick ringsum, dann
Divop^ fürchtete sie belauscht zu werden: Ich lauschte der Musik von

Maria Dolores, die dicht zu ihr herangetreten war, wußte nicht, was sie aus
°le>er Erklärung machen sollte. Die Musik von — was? fragte sie.

Phe —. sti flüsterte Annunziata, ich wage nicht, es laut zu sagen -— der Musik
Divopcm.

Divopcm? wiederholte Maria Dolores noch immer verständnislos, aber auf-
'"erkscun mit gedämpfter Stimme. Divopcm? Was ist das?

Divo — Pein, sagte nun Annunziata, das Wort trennend, aber immer noch
großer Vorsicht.

. Aber Maria Dolores schüttelte hilflos den Kopf: Ich fürchte, das kann ich'M verstehn! Was ist Divo — Pein?

bete denn nicht, was ein äivo ist? fragte Annunziata, aus deren großen,
^ um. grauen Augen Überraschung sprach.

el« i^' ^" Maria Dolores, der ein Licht aufzugehn begann. Ach ja,
ciivo ist ein Heiliger, glaube ich?

Mös ^ ^eins ein Heiliger, berichtigte Annunziata, aber doch etwas ähnliches.
Hh^" Sie, die Heiligen sind immer gut, aber die clivi sind auch manchmal schlecht.
Dio^ ^ ^ ^ Heiligen und können alles tun, was sie wollen.
Mi s'f " ^ ^ ^ alle Musik macht, die man im Freien hört — die
MuK /- ^ Wo^' im Wasser klingt, und den Gesang der Vögel. Aber man
nickj, wohl hüten, seine Musik allzulaut zu rühmen, damit es Divo Appollone
Urum 5 ' Dieser ist der Gott, von dem die Musik stammt, die man auf Jn-
sücht/ c—Harfen, Violinen und Klavieren hervorbringt. Er ist furchtbar eifer-
ctwci/ ""^ ^ daß man diesen lobt, so tut er einem
s an. Sie wissen doch, was er dem König Midas getan hat — oder nicht?


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[0515] [Abbildung] Mein Freund prospero Henry Harland von(Fortsetzung) icht am Ufer des Flusses saß Amumziata unter einem knorrigen alten Olivenbaum auf dem Rasen und starrte mit weit vorgebeugtem Kopf, der von ihrem Lockengewirr halb verhüllt war, in die grünen Fluten, in die lachenden, tanzenden, rauschenden grünen Wellen, die aus den Stellen, wo die Strahlen der Sonne sie erreichen konnten, von gebrochnem und zerstreuten Lichte strahlten wie Flußspat. In dem von Sonnen- und Schattenflecken überspielter Rasen daneben suchten sich die Veilchen verstecken, aber ihr süßer Duft wurde an ihnen zum Verräter. Die Wellen murmelten und rauschten, ein leichter Wind raschelte in den Blattern der Oliven, und die Vögel fangen und zwitscherten laut und aufgeregt, wie sie es nach dem ^gen zu tun pflegen. Muria Dolores, die den Pfad entlang kam, der den Windungen des Flusses ^ge, blieb eine Minute stehn und betrachtete ihre kleine Freundin schweigend. Endlich aber rief sie: Olav, Annunziata, träumst du, oder hast du Visionen? Annunziata schrak zusammen und schaute auf: Phe — se! wisperte sie mit Anender Gebärde. Ängstlich und verstohlen warf sie einen Blick ringsum, dann Divop^ fürchtete sie belauscht zu werden: Ich lauschte der Musik von Maria Dolores, die dicht zu ihr herangetreten war, wußte nicht, was sie aus °le>er Erklärung machen sollte. Die Musik von — was? fragte sie. Phe —. sti flüsterte Annunziata, ich wage nicht, es laut zu sagen -— der Musik Divopcm. Divopcm? wiederholte Maria Dolores noch immer verständnislos, aber auf- '"erkscun mit gedämpfter Stimme. Divopcm? Was ist das? Divo — Pein, sagte nun Annunziata, das Wort trennend, aber immer noch großer Vorsicht. . Aber Maria Dolores schüttelte hilflos den Kopf: Ich fürchte, das kann ich'M verstehn! Was ist Divo — Pein? bete denn nicht, was ein äivo ist? fragte Annunziata, aus deren großen, ^ um. grauen Augen Überraschung sprach. el« i^' ^" Maria Dolores, der ein Licht aufzugehn begann. Ach ja, ciivo ist ein Heiliger, glaube ich? Mös ^ ^eins ein Heiliger, berichtigte Annunziata, aber doch etwas ähnliches. Hh^" Sie, die Heiligen sind immer gut, aber die clivi sind auch manchmal schlecht. Dio^ ^ ^ ^ Heiligen und können alles tun, was sie wollen. Mi s'f " ^ ^ ^ alle Musik macht, die man im Freien hört — die MuK /- ^ Wo^' im Wasser klingt, und den Gesang der Vögel. Aber man nickj, wohl hüten, seine Musik allzulaut zu rühmen, damit es Divo Appollone Urum 5 ' Dieser ist der Gott, von dem die Musik stammt, die man auf Jn- sücht/ c—Harfen, Violinen und Klavieren hervorbringt. Er ist furchtbar eifer- ctwci/ ""^ ^ daß man diesen lobt, so tut er einem s an. Sie wissen doch, was er dem König Midas getan hat — oder nicht?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/515>, abgerufen am 08.05.2024.