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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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sagte, "bald sein altes Ansehen bei den gebildeten Frauen aller Stände im
weitesten Umfange zurückgewinne, daß er ihnen nicht nur für eine Weile an¬
ziehend erscheine, nicht nur Durchgangsstatiou für wenige Jahre bleibe, sondern
ihnen zum gesegneten Lebensberufe werde, zum Heile der leidenden Menschheit."

Dazu ist aber zweierlei nötig, nämlich eine Wandlung der Ansichten über
die Pflegenden bei dem großen Publikum -- und ein energisches Eingreifen
des Staats. Dieser müßte die Ausbildungsdauer der Schwestern einheitlich
festsetzen, die Prüfungen abnehmen, die Tracht seiner geprüften Schwestern vor
Nachahmung schützen und ihr Alter durch eine Pension sorgenfrei machen.




Lckermann an Goethe
H. Gerstenberg Zwei ""gedruckte Briefe, mitgeteilt von
2.

es setze meine Reise-Erzählungen fort und bin glücklich, alles an
Eure Excellenz richten zu dürfen, indem ich dadurch eine Veran¬
lassung mehr finde, bey allem was mir begegnet immer zunächst
an Sie zu denken, und Sie auf allen meinen Wegen immer gegen¬
wärtig zu haben (.^el. Donnerstag d. 8. ^ni^. .

Das Theater war seit 8. Tagen geschlossen; ich trug jedoch Verlangen
wenigstens das Innere des Hauses zu sehen. Der gute Lsutder führte mich
hin und der Cassler war gefällig genug Alles aufzuschließen. Zunächst gingen
wir uns im Parterre und in der Fürstlichen Loge umzusehen. Der Cassler er¬
zählte daß das Haus im äußersten Falle 950. Menschen fasse, und daß die
Einnahme an solchen Abenden zwischen 5. und 6. Hundert Thaler sich belaufe,
v- h. bey aufgehobenem Abonnement. Im Abonnement aber sey die Einnahme
höchstens 250. Thaler. Man erzählte ferner, daß der Fürst*) sehr viel auf eine
prächtige Garderobe halte und daß er, um den ganzen Kostenaufwand zu decken,
jährlich gegen 50,000. rthlr. zuschieße. Dann gingen wir auf die Bühne, die
eine sehr große Tiefe hatte. Der Cassler erzählte daß bey der Oper Titus **)




Der Kurfürst Wilhelm der Zweite von Hessen-Kassel (1777 bis 1847, seit 1821 Kur¬
vst) war sehr kunstliebend! um sein Theater zur ersten Bühne Deutschlands zu erheben, er¬
weiterte er 1821 das Opernhaus, verbesserte dessen Einrichtungen in jeder Weise und suchte die
°°se°n künstlerischen Kräfte nach Kassel zu zieh". Seit 1822 war Louis Spohr Hofkapellmmster.
FUr kunstvolle Dekorationen sorgte neben Primavesi der obengenannte Beuther ^gi- ^"Y-
Bennecke, Das Hoftheater in Kassel von 1814 bis zur Gegenwart. 1906. S. 26f.
Mozarts Oper I.. c-1°in°n"" all Wo, die auch zum weimarischen Sy.elplan geHorte
Schon am 26. Juni 1802 war sie in LauckMdt zur Eröffnung des neuen Theaters in Goethes
Anwesenheit gespielt worden.
Lckermaii» an Goethe

sagte, „bald sein altes Ansehen bei den gebildeten Frauen aller Stände im
weitesten Umfange zurückgewinne, daß er ihnen nicht nur für eine Weile an¬
ziehend erscheine, nicht nur Durchgangsstatiou für wenige Jahre bleibe, sondern
ihnen zum gesegneten Lebensberufe werde, zum Heile der leidenden Menschheit."

Dazu ist aber zweierlei nötig, nämlich eine Wandlung der Ansichten über
die Pflegenden bei dem großen Publikum — und ein energisches Eingreifen
des Staats. Dieser müßte die Ausbildungsdauer der Schwestern einheitlich
festsetzen, die Prüfungen abnehmen, die Tracht seiner geprüften Schwestern vor
Nachahmung schützen und ihr Alter durch eine Pension sorgenfrei machen.




Lckermann an Goethe
H. Gerstenberg Zwei »»gedruckte Briefe, mitgeteilt von
2.

es setze meine Reise-Erzählungen fort und bin glücklich, alles an
Eure Excellenz richten zu dürfen, indem ich dadurch eine Veran¬
lassung mehr finde, bey allem was mir begegnet immer zunächst
an Sie zu denken, und Sie auf allen meinen Wegen immer gegen¬
wärtig zu haben (.^el. Donnerstag d. 8. ^ni^. .

Das Theater war seit 8. Tagen geschlossen; ich trug jedoch Verlangen
wenigstens das Innere des Hauses zu sehen. Der gute Lsutder führte mich
hin und der Cassler war gefällig genug Alles aufzuschließen. Zunächst gingen
wir uns im Parterre und in der Fürstlichen Loge umzusehen. Der Cassler er¬
zählte daß das Haus im äußersten Falle 950. Menschen fasse, und daß die
Einnahme an solchen Abenden zwischen 5. und 6. Hundert Thaler sich belaufe,
v- h. bey aufgehobenem Abonnement. Im Abonnement aber sey die Einnahme
höchstens 250. Thaler. Man erzählte ferner, daß der Fürst*) sehr viel auf eine
prächtige Garderobe halte und daß er, um den ganzen Kostenaufwand zu decken,
jährlich gegen 50,000. rthlr. zuschieße. Dann gingen wir auf die Bühne, die
eine sehr große Tiefe hatte. Der Cassler erzählte daß bey der Oper Titus **)




Der Kurfürst Wilhelm der Zweite von Hessen-Kassel (1777 bis 1847, seit 1821 Kur¬
vst) war sehr kunstliebend! um sein Theater zur ersten Bühne Deutschlands zu erheben, er¬
weiterte er 1821 das Opernhaus, verbesserte dessen Einrichtungen in jeder Weise und suchte die
°°se°n künstlerischen Kräfte nach Kassel zu zieh». Seit 1822 war Louis Spohr Hofkapellmmster.
FUr kunstvolle Dekorationen sorgte neben Primavesi der obengenannte Beuther ^gi- ^"Y-
Bennecke, Das Hoftheater in Kassel von 1814 bis zur Gegenwart. 1906. S. 26f.
Mozarts Oper I.. c-1°in°n«» all Wo, die auch zum weimarischen Sy.elplan geHorte
Schon am 26. Juni 1802 war sie in LauckMdt zur Eröffnung des neuen Theaters in Goethes
Anwesenheit gespielt worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/137>, abgerufen am 30.04.2024.