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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Aus Prinz Araft zu Hohenlohes Erinnerungen

Mit ewigem Hin- und Herpendeln von einem Projekt zum andern, mit be¬
ständigen Systemwechseln erwecken wir bei der Öffentlichkeit und beim Reichstage
nur den Eindruck, als ob die koloniale Bahnfrage überhaupt noch nicht spruchreif
wäre -- zum Schaden unsrer Kolonien. Wenn die kolonialen Kreise nicht wissen,
was sie wollen, so können sie dem Reichstage seine Sprödigkeit nicht verübeln.
Oisons moniti!




Aus Prinz Kraft zu Hohenlohes Erinnerungen

!le Aufzeichnungen des Prinzen Kraft zu Hohenlohe - Ingel-
fingen: Aus meinem Leben (Berlin, E. S. Mittler u. Sohn)
gehören auch in ihrem vor kurzem (1906) erschienenen dritten
Teile (Die Kriege 1864 und 1866 -- Friedenszeit bis 1870,
mit einem Titelbilde und vier Skizzen im Text) zu den inter¬
essantesten und lebensvollsten Beiträgen zur Geschichte der Neugestaltung Deutsch¬
lands. Lag das Interesse des zweiten Teils (vgl. Grenzboten 1905, II, 569 f.
629 f.) in den persönlichen Verhältnissen Hohenlohes zu zwei Königen und
in dem Bilde, das er von ihnen auf Grund dieser Beziehungen entwirft, so
betrat er 1864, dem Hauptquartier des Feldmarschalls Wrangel in Schleswig
als Berichterstatter für den König beigegeben, zum erstenmal einen Kriegs¬
schauplatz, und obwohl er noch vor dem Düppelsturme (18. April) wieder ab¬
berufen wurde (5. April), hatte er doch genügend Gelegenheit, Beobachtungen
zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Scharf tritt dabei das seltsam
wirkende Charakterbild des alten Wrangel hervor, aber auch die höchst
sympathische Gestalt des Kronprinzen, der dem Feldmarschall als Beirat gegeben
wurde und später die Oberleitung der bisher nichts weniger als musterhaften
Operationen tatsächlich übernahm, und schon damals erkannte Hohenlohe die
Nachteile der "Stoßtaktik", die die Österreicher den Franzosen 1859 abgesehen
hatten. Heimgekehrt wurde er im Juni 1364 zum Obersten des Gardefeld¬
artillerieregiments ernannt. Als solcher hatte er, als mit Ende März 1866
die Kriegsbereitschaft, zu Anfang Mai die Mobilisierung angeordnet wurde,
alle die umfänglichen und mannigfaltigen Geschäfte, die dazu gehören, eine
Truppe "mobil", kriegsfertig zu machen, wie Einziehung der Rekruten und
der Reserven, Ankauf der Pferde u. tgi. zu leiten, dabei aber auch die stolze
Genugtuung, am 12. Mai dem König sein ganzes mobiles Regiment, 96 Ge¬
schütze mit etwa 2400 Pferden in Parade und im Exerzitium vorzuführen, und
Zwar mit dem Bewußtsein, daß es darauf ankomme, dem Monarchen, der so¬
eben vor den schwersten Entschlüssen stand, unbedingtes Vertrauen zu seiner
Armee einzuflößen, und das gelang vollständig. Beim Ausmarsch wurde das
Regiment aufgelöst und in einzelnen Abteilungen an die beiden GardedMsionen


Grenzboten III 1906
Aus Prinz Araft zu Hohenlohes Erinnerungen

Mit ewigem Hin- und Herpendeln von einem Projekt zum andern, mit be¬
ständigen Systemwechseln erwecken wir bei der Öffentlichkeit und beim Reichstage
nur den Eindruck, als ob die koloniale Bahnfrage überhaupt noch nicht spruchreif
wäre — zum Schaden unsrer Kolonien. Wenn die kolonialen Kreise nicht wissen,
was sie wollen, so können sie dem Reichstage seine Sprödigkeit nicht verübeln.
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!le Aufzeichnungen des Prinzen Kraft zu Hohenlohe - Ingel-
fingen: Aus meinem Leben (Berlin, E. S. Mittler u. Sohn)
gehören auch in ihrem vor kurzem (1906) erschienenen dritten
Teile (Die Kriege 1864 und 1866 — Friedenszeit bis 1870,
mit einem Titelbilde und vier Skizzen im Text) zu den inter¬
essantesten und lebensvollsten Beiträgen zur Geschichte der Neugestaltung Deutsch¬
lands. Lag das Interesse des zweiten Teils (vgl. Grenzboten 1905, II, 569 f.
629 f.) in den persönlichen Verhältnissen Hohenlohes zu zwei Königen und
in dem Bilde, das er von ihnen auf Grund dieser Beziehungen entwirft, so
betrat er 1864, dem Hauptquartier des Feldmarschalls Wrangel in Schleswig
als Berichterstatter für den König beigegeben, zum erstenmal einen Kriegs¬
schauplatz, und obwohl er noch vor dem Düppelsturme (18. April) wieder ab¬
berufen wurde (5. April), hatte er doch genügend Gelegenheit, Beobachtungen
zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Scharf tritt dabei das seltsam
wirkende Charakterbild des alten Wrangel hervor, aber auch die höchst
sympathische Gestalt des Kronprinzen, der dem Feldmarschall als Beirat gegeben
wurde und später die Oberleitung der bisher nichts weniger als musterhaften
Operationen tatsächlich übernahm, und schon damals erkannte Hohenlohe die
Nachteile der „Stoßtaktik", die die Österreicher den Franzosen 1859 abgesehen
hatten. Heimgekehrt wurde er im Juni 1364 zum Obersten des Gardefeld¬
artillerieregiments ernannt. Als solcher hatte er, als mit Ende März 1866
die Kriegsbereitschaft, zu Anfang Mai die Mobilisierung angeordnet wurde,
alle die umfänglichen und mannigfaltigen Geschäfte, die dazu gehören, eine
Truppe „mobil", kriegsfertig zu machen, wie Einziehung der Rekruten und
der Reserven, Ankauf der Pferde u. tgi. zu leiten, dabei aber auch die stolze
Genugtuung, am 12. Mai dem König sein ganzes mobiles Regiment, 96 Ge¬
schütze mit etwa 2400 Pferden in Parade und im Exerzitium vorzuführen, und
Zwar mit dem Bewußtsein, daß es darauf ankomme, dem Monarchen, der so¬
eben vor den schwersten Entschlüssen stand, unbedingtes Vertrauen zu seiner
Armee einzuflößen, und das gelang vollständig. Beim Ausmarsch wurde das
Regiment aufgelöst und in einzelnen Abteilungen an die beiden GardedMsionen


Grenzboten III 1906
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[0245] Aus Prinz Araft zu Hohenlohes Erinnerungen Mit ewigem Hin- und Herpendeln von einem Projekt zum andern, mit be¬ ständigen Systemwechseln erwecken wir bei der Öffentlichkeit und beim Reichstage nur den Eindruck, als ob die koloniale Bahnfrage überhaupt noch nicht spruchreif wäre — zum Schaden unsrer Kolonien. Wenn die kolonialen Kreise nicht wissen, was sie wollen, so können sie dem Reichstage seine Sprödigkeit nicht verübeln. Oisons moniti! Aus Prinz Kraft zu Hohenlohes Erinnerungen !le Aufzeichnungen des Prinzen Kraft zu Hohenlohe - Ingel- fingen: Aus meinem Leben (Berlin, E. S. Mittler u. Sohn) gehören auch in ihrem vor kurzem (1906) erschienenen dritten Teile (Die Kriege 1864 und 1866 — Friedenszeit bis 1870, mit einem Titelbilde und vier Skizzen im Text) zu den inter¬ essantesten und lebensvollsten Beiträgen zur Geschichte der Neugestaltung Deutsch¬ lands. Lag das Interesse des zweiten Teils (vgl. Grenzboten 1905, II, 569 f. 629 f.) in den persönlichen Verhältnissen Hohenlohes zu zwei Königen und in dem Bilde, das er von ihnen auf Grund dieser Beziehungen entwirft, so betrat er 1864, dem Hauptquartier des Feldmarschalls Wrangel in Schleswig als Berichterstatter für den König beigegeben, zum erstenmal einen Kriegs¬ schauplatz, und obwohl er noch vor dem Düppelsturme (18. April) wieder ab¬ berufen wurde (5. April), hatte er doch genügend Gelegenheit, Beobachtungen zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Scharf tritt dabei das seltsam wirkende Charakterbild des alten Wrangel hervor, aber auch die höchst sympathische Gestalt des Kronprinzen, der dem Feldmarschall als Beirat gegeben wurde und später die Oberleitung der bisher nichts weniger als musterhaften Operationen tatsächlich übernahm, und schon damals erkannte Hohenlohe die Nachteile der „Stoßtaktik", die die Österreicher den Franzosen 1859 abgesehen hatten. Heimgekehrt wurde er im Juni 1364 zum Obersten des Gardefeld¬ artillerieregiments ernannt. Als solcher hatte er, als mit Ende März 1866 die Kriegsbereitschaft, zu Anfang Mai die Mobilisierung angeordnet wurde, alle die umfänglichen und mannigfaltigen Geschäfte, die dazu gehören, eine Truppe „mobil", kriegsfertig zu machen, wie Einziehung der Rekruten und der Reserven, Ankauf der Pferde u. tgi. zu leiten, dabei aber auch die stolze Genugtuung, am 12. Mai dem König sein ganzes mobiles Regiment, 96 Ge¬ schütze mit etwa 2400 Pferden in Parade und im Exerzitium vorzuführen, und Zwar mit dem Bewußtsein, daß es darauf ankomme, dem Monarchen, der so¬ eben vor den schwersten Entschlüssen stand, unbedingtes Vertrauen zu seiner Armee einzuflößen, und das gelang vollständig. Beim Ausmarsch wurde das Regiment aufgelöst und in einzelnen Abteilungen an die beiden GardedMsionen Grenzboten III 1906

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/245>, abgerufen am 30.04.2024.